werden hier fortwährend zahlreiche Verhaftungen f
vorgenommen. Die neue Verschwörung gegen den Czaren
sei vor dem Ausbruche völlig unterdrückt worden; viele
Ofsiciere und Studenten seien verhaftet, und bei den statt-
gefundenen Haussuchungen wichtige Briefschaften in Be-
schlag genommen worden. Das Verbrechen sollte während
der Reise des Czaren von Gatschina nach Petersburg zur
Ausführung kommen. — In Kreisen, die gut unterrichtet
zu sein pflegen, ist, wie der „Daily News" gemeldet
wird, ein Gerücht im Umlauf, dem zufolge zwei Prinzen
des Hauses Orleans (Ludwig Philipp, Sohn des
Grafen von Paris, und Heinrich, Sohn des Herzogs von
Chartres) die Erlaubniß zum Eintritt in das russische
Heer nachgesucht und erhalten haben. Es wird hinzu-
gefügt, daß beide Prinzen in die Garde eintreten werden.
Aus Nah und Fern.
* Karlsruhc-Mühlburg, 15. Jan. Gestern Abend
ereignete sich im nahen Grünwinkel ein sehr bcdauerns-
werther Unglücksfall, indem der dortige Gemeinderath und
Jagdpächtcr Chr. Meßner von dem mit ihm zur Jagd
gehenden Rathschreiber Kunz geschossen wurde. Der Schuß
der buchstäblich die beiden Gewehrläufe des Ersteren durch-
schlug, drang Meßner in der Hüftgegcnd in den Leib.
Der Unglückliche wurde bereits in's Spital nach Karls-
ruhe verbracht und ist sein Zustand ein hoffnungsloser.
Beide Familien werden lebhaft bedauert.
* Mannheim, 16. Jan. Verflossene Nacht wurden
auf dem Abort des Hauptbahnhoses zwei dem hiesigen
Zimmermann R. gehörige Knaben im Alter von 11 und
13 Jahren betroffen, welche im Besitz von 12 Mk. waren,
dieselben gaben an, die Absicht gehabt zu haben „verduften"
und zunächst nach Frankfurt zu fahren. Das würdige
Brüder-Paar, welches das Reisegeld seinen Eltern gestohlen
hatte, wurde von der Polizei seinem Vater zugeführt.
* Wiesloch, 13. Jan. Dieses Frühjahr wird der
Gewerbe-Verein in Wiesloch eine Ausstellung von Lehr-
lingsarbeiten und Lehrlingsprüfungcn veranstalten. Erstere
haben den Zweck, zu sehen, ob und wie der Lehrling seine
Zeit in der Werkstätte ausnützt, ob es ihm ernst ist, alle
Jahre mehr zu lernen, um tüchtig zu seinem Beruf zu
werden.
* Sinsheim, 16. Jan. Die Eröffnung der hiesigen
Gewerbeschule findet am Mittwoch den 18. d. M., Abends
5 Uhr statt. Bis jetzt haben sich 50 Schüler angemeldet,
46 in Sinsheim wohnhafte und 4 auswärtige.
x Obcrschefflenz, 15. Jan. Die Mitglieder des
„Militärvereins" versammelten sich heute im Gasthaus
„zur Sonne" zur Feier der denkwürdigen Tage vor Bel-
fort. Herr Vorstand Schumacher hieß die versammelten
Kameraden herzlich willkommen und brachte ein Hoch aus
auf Se. Kaiser!. Hoheit den deutschen Kaiser. Herr Unter-
lehrer Hefner hob die Bedeutung des heutigen Tages
in kurzen, aber kernigen Worten hervor. Sein Hoch galt
den tapfern badischen Truppen und den noch lebenden
Führern derselben. Auch der im Kriege gefallenen, sowie
der am Kriege betheiligten Söhne von Obcrschefflenz wurde
gedacht. In zweiter Reihe hob Herr Unterlehrer Hefner
die Verdienste, welche sich unsere erhabene Landesmutter
durch Ihre Samariterdienste im letzten Kriege erworben
hat, hervor und toastirte auf das erhabene bad. Fürsten-
paar. Der Vortrag einiger Lieder von der durch Hrn.
Hefner geleiteten Kriegergesangssection trug wesentlich zur
Verschönerung des Abends bei. Der Zeiger der Uhr war
schon weit vorgerückt, als man sich mit dem Bewußtsein
trennte, wieder einen kameradschaftlichen schönen Abend
verlebt zu haben.
* Wertheim, 13. Jan. Der Verein gegen Haus-
und Straßenbettel dahier hat im abgelaufenen Jahr ca.
3600 wandernde Handwerker unterstützt, 200 weniger als
„Da werde ich Ihnen Pferde und Wagen zur Ver-
fügung stellen. Das imponirt und erspart Ihnen viele
Zeit."
„Herr Baron! Ich finde keine Worte —"
„Keinen Dank!" unterbrach ihn der Baron. „Dies
Unternehmen interessirt mich sehr, denn es wird auch mir
großen Nutzen bringen. Und welch herrliche Aussicht! In
einer guten Stunde kann ich in der Residenz sein und
die Oper und Concerte besuchen. Eine Frage! Treiben
Sie Musik?"
„Ich spiele erträglich Klavier."
„Das macht sich prächtig!" rief der Baron freudig.
„Ich spiele Violine und habe mit meinem Vater viele,
viele Jahre täglich musicirt; nun will das Alleinspiel nicht
mehr schmecken. Ich freue mich außerordentlich, wieder
mit Begleitung zu spielen, denn seit dem Tode meines
Vaters und auf der Reise bot sich wenig Gelegenheit, mit
anderen zu musiciren. Oben steht der prächtige Flügel
meines Vaters, auch bin ich im Besitz sämmtlicher Werke,
welche unsere großen Meister für beide Instrumente ge-
schrieben. Wählen Sie! Ich hoffe, wir spielen schon
morgen Abend."
Das im Anfänge ernste Gesicht des Barons war
nach und nach ein anderes geworden. Er blickte freund-
lich auf seinen Gast und seine Züge waren heiter und froh.
Er klingelte. Sogleich erschien die ältliche Dame,
welche den Fremden empfangen hatte.
„Sie haben die Güte, liebe Cousine", redete er diese
an, für unser Abendessen zu sorgen. Herr Architekt Steffens
ist unser Gast auf längere Zeit. Man wird das Fremden-
zimmer für ihn in Ordnung bringen."
Verwundert blickte die Dame auf den jungen Mann
ustd. erwiderte:
V,Das Fremdenzimmer ist immer in Ordnung, lieber
EugernQDas Abendessen bringe ich sogleich." Kaum hör-
bar war M wieder hinaus.
F (Fortsetzung folgt.)
1886. Auch aus anderen Städten des Landes wurden
Rückgänge in der Wanderunterstützung schon gemeldet.
Man sollte deßhalb auf eine Abnahme der Beschäftigungs-
losigkeit schließen dürfen. Doch dürfte uns darüber erst
das weitere Bekanntwerden der überall gemachten Wahr-
nehmungen eines Näheren belehren.
* Baden-Baden, 16. Jan. Das Gesuch des Bürger-
meisters Seefels um Versetzung in den Ruhestand wurde
vom Bürgerausschuß mit Stimmenmehrheit unter Gewäh-
rung einer Pension von 1000 Mark genehmigt.
* Mundenheim, 16. Jan. Gestern Nacht gegen 2
Uhr wurde man durch Feuerlärm gestört. Es brannte die
an der Ludwigshafener Chaussee gelegene Schmirgel- und
Wetzstein Fabrik des Herrn Proß aus Ludwigshafen gänz-
lich nieder. Die hiesige, sowie die Ludwigshafener Feuer-
wehr erschien alsbald an der Brandstelle, konnten jedoch
wegen Wassermangels nicht viel ausrichten. Außer den
Gebäulichkeiten gingen viele Vorräthe und Maschinen zu
Grunde. Dem Geschäftsführer, der in dem Gebäude schlief,
gelang es nur mit knapper Noth, sich durch einen Sprung
aus dem Fenster zu retten.
* Worms, 14. Jan. Der um 6 Uhr Abends von
hier abgehende Eisthalbahnzug stieß, wie die „Frankfurter
Ztg." meldet, bei dem Uebergang in der Speyrervorstadt
mit dem beladenen Fuhrwerk des Holzhändlers Honig zu-
sammen, wodurch das Fuhrwerk vollständig zertrümmert
und der Knecht desselben, welcher unter die Maschine des
Zuges gerieth, auf der Stelle getödtet wurde. In Folge
dieses Zusammenstoßes war der Verkehr auf der Strecke
längere Zeit gehemmt, da auch die Locomotive durch den
Zusammenstoß aus dem Geleise gerathen war.
* Aus der Pfalz, 15. Jan. Die heute zu Neustadt
abgehaltene Hauptversammlung des Zweigverbandes pfäl-
zischer Müller nahm heute bei Besprechung der Frage der
Aufhebung des Ursprungsnachweises bei Getreide ein- be-
ziehungsweise Ausfuhr mit großer Mehrheit einen vom
Mühlcnbesitzcr Adolf Abresch (Neustadt) gestellten Antrag
an, den Vorstand zu ermächtigen, im Sinne des bekannten
Hammacherschen Antrags mit den etwa sich als nothwendig
ergebenden Abänderungen zu wirken.
* Markdorf, 15. Jan. Durch einen Weiherausbruch
bei Markdorf (oberhalb des Weges zum Gehrenberg)
wurden, wie der „Seebote" berichtet, die zunächstlicgenden
zwei Häuser von Landwirth Braun und Schiffler arg mit-
genommen. Die Bewohner, welche glücklicher Weise im
oberen Stock wohnen, mußten durch die Fenster gerettet
werden, 2 Stück Vieh fielen jedoch der Katastrophe zum
Opfer. An dem dem Landwirth Braun gehörigen Hause
spülte das Wasser mit voller Wucht seitwärts des Haus-
einganges eine Stütze der unteren Mauer weg und richtete
auf der andern Seite ebenfalls große Verwüstungen an.
Mit Mühe konnten die Bewohner des unteren Stadtviertels
noch die Schleuse des kleinen Weihers der Schneidesäge
ziehen, wodurch das Wasser einen schnellen Abzug fand
und sich bald verlief. Abgesehen von den Verwüstungen
der Felder und der Straßen, erleiden die Besitzer der beiden
Anwesen einen bedeutenden Schaden.
* Hayingen, 11. Jan. Gestern hatte eine hiesige
Arbeitersfrau kochendes Wasser in ein Gefäß in der Küche
gegossen; sie entfernte sich auf kurze Zeit und ließ ihr
iX/yjähriges Kind unter der Aufsicht der etwas älteren
Schwester. Als sie wiederkchrte, fand sie das kleinste Kind
in dem kochenden Wasser liegen und fast verbrüht. Ver-
gangene Nacht ist das Kind an den Brandwunden gestorben.
* Bischwciler, 15. Jan. Unserer Gendarmerie ist
es gelungen, eine Diebesbande zu ermitteln und dingfest
zu machen, die seit etwa zwei Jahren die Berkaufsläden
unserer Stadt zum Schauplatze ihrer Handlungen macht.
Die sechs Mitglieder der Bande, junge Leute von 15 bis
18 Jahren, verführen in der Regel bei Ausführung ihrer
Streiche in der Weise, daß ihrer zwei in ein Verkaufs-
local cintraten und sich Maaren vorzeigen ließen, die sie
indeß nie kauften. Während der eine von ihnen mit dem
Verkäufer unterhandelte, eignete sich der andere, wenn
er sich unbeobachtet glaubte, so viel Gegenstände an, als
er eben konnte und beide entfernten sich hierauf eiligst,
indem sie vorgaben, die Waare sei ihnen zu theuer oder
gefalle ihnen nicht. Mit den vier übrigen Gesellen, die
vor den Läden Wache hielten, wurden die entwendeten
Sachen brüderlich gctheilt. In dieser Weise verschwanden
bei Wurstlern und Metzgern Schinken und Würste aller
Art, bei Conditoren ganze Glasglocken voll Leckereien und
Gebäck, bei Wirthen Cigarren und Eßwaaren u. s. w.
Die sechs Gesellen sitzen sämmtlich hinter Schloß und
Riegel und gehen ihrer Bestrafung entgegen.
* Esten, 11. Jan. Eine Wette sonderbarer Art kam
dieser Tage hier zum Austrag. Ein Viehhändler, welcher
mehrere fette Kälber eingekauft hatte, stellte im Kreise
seiner Freunde die Behauptung auf, daß kein Metzger vier
Kälber ungebunden bis zum Alteneffener Bahnhof bringen
könnte. Bald entstand hieraus eine^Wette, dahingehend,
daß wenn die Kälber bis dahin gebracht würden, der Metz-
ger solche umsonst haben, andernfalls aber für das Stück
24 Mk. zahlen sollte. Ein Metzger ging die Wette ein,
die Kälber wurden bis auf die Alteneffener Chaussee ange-
koppclt geführt und hier frei gemacht. Nun sprang ein
Theil davon rechts, der andere links über den Chaussee-
graben und liefen über die Felder. Der Metzger eilte
denselben bald hier, bald dort nach, stürzte einige Mal in
dem weichen Boden und mußte schließlich die Wette als
verloren aufgcben. Die Thiere wurden nun mit Hilfe
anderer Leute eingefangen und zum Viehhofe transportirt,
wo man sich über das Resultat allgemein amüsirte und
bald zu einer neuen Wette überging. Ein zweiter Metzger
meldete sich nämlich, welcher diese Wette ausführen wollte.
Siegesgewih ging der erste Verlierer sofort darauf ein
und — verlor noch einmal, denn die Thiere waren in-
zwischen etwas müde geworden, und ließen sich, nachdem
sic wahrscheinlich auch Keile bekommen, ruhig nach Alten-
essen hin- und zurücklransportiren. Der Metzger war also
auf diese Weise etwa 300 Mk. los geworden.
* Aus Baden, 16. Jan. Bei einer Holzversteigerung
in Bruchsal ersteigerte die Karlsruher Firma Schmieder
und Mayer einen Eichenstamm, der eine Länge von 18,12
Meter und einen Durchmesser von 90 Centimeter hat, für
566 Mark.
Vermischtes.
— fE ine Geschichte vom Kronprinzen) weiß
ein alter Soldat in der „Potsd. Zeitung" folgendermaßen
zu erzählen: „Es war an einem schönen Maimorgen iw
Jahre 1859, als ich beim 1. Garde-Regiment zu Fuß
dienend mit den Kameraden fröhlich die Chaussee zwilchen
Sanssouci und dem Orangericgebäude nach dem Dorfe
Eiche zu marschirte. Wir waren zn der großen Allee
gekommen, tue vom neuen Palais auf genannte Chaussee
stößt, als in derselben die kronprinzlichen Herrschaften
sichtbar wurden; voran auf einem Maulesel in einem Korb-
sattel sitzend, in Begleitung einer Wärterin, der kleine
Prinz, etwa 20 Schritt dahinter Arm in Arm das kron-
prinzliche Paar. Als der Kronprinz den Zug bemerkte,
rief er: „Liebenau, lassen Sie mal den Zug halten", trat
zu dem Maulthier, nahm den kleinen Prinzen aus
den Arm und näherte sich uns. „Guten Morgen, Kinder",
redete uns der Kronprinz an, „ich will Euch mal meinen
kleinen Sohn zeigen," und nun mußte der kleine Prinz jedem
einzelnen Grenadier das Händchen reichen. Glückstrahlend
stand die Frau Kronprinzessin dabei und beobachtete die
Scene. Als die Vorstellung beendet war, bot uns der
Kronprinz wieder einen „Guten Morgen" und nahm seinen
Spaziergang wieder auf, wir aber setzten in gehobener
Stimmung unsere Felddienstübung fort. Merkwürdiger-)
weise ist der damalige Zugführer Secondelieutenant v.
Liebenau jetzt der Hofmarschall des Prinzen Wilhelm.
Nur wer als Soldat einen solchen Act erlebt hat, kann
fühlen, wie sich dadurch um Fürst und Volk ein Band
schlingt, das nur der Tod trennt, und in jedem Herzen
tönt wohl der Wunsch wieder: „Möge Gott der Allmächtige
unseren geliebten Kronprinzen recht bald gesund in unsere
Mitte zurückkchren lasten!"
— fVon dem bekannten Lyriker Rudolph
Baumbachj in Meiningen wird ein kleines Gedicht in
der Wochenschrift „Die Nation" veröffentlicht, das es ver-
dient, gelesen zu werden. Wir entlehnen der „Nation"
die Verse Baumbach's, die die Ueberschrift tragen: „VoB
Kronprinzen"; sie lauten:
Dem Kaiser kam die Kunde
Durch raschen Botenlauf:
„Es heilt des Sohnes Wunde,
Und Hoffnung leuchtet auf."
Da dringt zu seinen Ohren
Des Unglücksraben Sang:
„Auf immer ist verloren
Der Stimme Heller Klang."
Der Kaiser spricht ergeben:
„Du Herr bist über mir.
Laß mir den Sohn am Leben,
Des Thrones künft'ge Zier.
Und bleibt der Fritz auch heiser,
Drum wankt das Reich noch nicht.
Man hört den deutschen Kaiser,
Auch wenn er leise spricht."
— Die Neigung, den „Doctorgrad", der an de»
verschiedenen deutschen Universitäten mit verschiedenen Koste»
verbunden ist, zu erlangen, ist bei den Aerzten im Ab-
nehmen. Im Prüfungsjahr 1886/87 bestanden in Preuße»
505 Mediciner die Prüfung; nur 150 sind darunter aka-
demische Doctorcn; Bayern weist 450 neue Aerzte auf wö
nur 22 Doctoren, Sachsen 97 neue Aerzte ohne Doctot,
Württemberg 24 Aerzte 1 Dockor, Baden 97 Aerzte ohne
Doctor, Hessen 11 Aerzte mit 2 Doctoren, Mecklenburg-)
Schwerin 19 Aerzte, die sächsischen Herzogthümei 37 Aerzte,
Elsaß-Lothringen deren 33 ohne Doctorgrad.
— Pest, 10. Jan. Eine Ohrfeige war — das
Honorar, mit welchem der Agent E. Rosenberg einci»
hiesigen Zahntechniker eine mißlungene Operation „heiw--
zahlte". Ungewöhnlich, wie das Honorar, waren aller-
dings auch die Qualen, welche Rosenberg während des
auch sonst ziemlich anangenehmen Verfahrens des Zahn-
reißens zu erleiden hatte. Der erste Riß, den de»
Operateur dem schmerzhaften Zahne versetzte, blieb ohne
Erfolg. Rosenberg machte ein böses Gesicht, aber er be-
herrschte sich und duldete weiter, als sein Peiniger zui»
zweiten Male die Zange ansetzte und mit verdoppelte»
Gewalt an dem Zahne zerrte. Der Schmerz wurde gaist
höllisch, aber der Zahn saß nach dem zweiten Risse noch
immer so fest wie früher. Nun sprang der Gequälte
wüthend auf und wollte davonrennen. Der „Operateur"
drückte ihn jedoch ganz sanft in den Sessel zurück und
meinte, aller guten Dinge wären Drei. Als aber auch
der dritte „Zug" mißlang, sprang Rosenberg wieder aus,
versetzte, vor Schmerz undWuth seiner nicht mehr mächtig,
dem verblüfft dreinschauenden Zahntechniker eine Ohrfeig
und rannte schnurstracks zu einem Zahnarzte, wo er durch
einen geschickteren Griff seines Zahnes und seiner Schmerze»
auf einmal ledig wurde. Wegen der Ohrfeige aber halb
sich Rosenberg heute vor dem Strafbezirksgerichte zu ver-
antworten. Der Richter — er muß selbst einmal an
Zahnschmerzen gelitten haben — wußte die VertheidiguNö
des Angeklagten zu würdigen, daß er sich nur „vergriffen"
habe, und sprach ihn von der Anklage der Ehrenbeleidi-
gung frei.
— fJn der Brüsseler Vorstadt Molenbeeq !
besteht, wie geschrieben wird, seit Jahresfrist unter du»
Namen „Club der Hunoert-Kilogramm-Leute" ein Verein,
der Niemanden als Mitglied zuläßt, der nicht zum Wenigste» ,
ein Gewicht von 200 Pfund hat. Diese originelle Gesell-
schäft hatte nun am letzten Montag zum Besten des Molen-
vorgenommen. Die neue Verschwörung gegen den Czaren
sei vor dem Ausbruche völlig unterdrückt worden; viele
Ofsiciere und Studenten seien verhaftet, und bei den statt-
gefundenen Haussuchungen wichtige Briefschaften in Be-
schlag genommen worden. Das Verbrechen sollte während
der Reise des Czaren von Gatschina nach Petersburg zur
Ausführung kommen. — In Kreisen, die gut unterrichtet
zu sein pflegen, ist, wie der „Daily News" gemeldet
wird, ein Gerücht im Umlauf, dem zufolge zwei Prinzen
des Hauses Orleans (Ludwig Philipp, Sohn des
Grafen von Paris, und Heinrich, Sohn des Herzogs von
Chartres) die Erlaubniß zum Eintritt in das russische
Heer nachgesucht und erhalten haben. Es wird hinzu-
gefügt, daß beide Prinzen in die Garde eintreten werden.
Aus Nah und Fern.
* Karlsruhc-Mühlburg, 15. Jan. Gestern Abend
ereignete sich im nahen Grünwinkel ein sehr bcdauerns-
werther Unglücksfall, indem der dortige Gemeinderath und
Jagdpächtcr Chr. Meßner von dem mit ihm zur Jagd
gehenden Rathschreiber Kunz geschossen wurde. Der Schuß
der buchstäblich die beiden Gewehrläufe des Ersteren durch-
schlug, drang Meßner in der Hüftgegcnd in den Leib.
Der Unglückliche wurde bereits in's Spital nach Karls-
ruhe verbracht und ist sein Zustand ein hoffnungsloser.
Beide Familien werden lebhaft bedauert.
* Mannheim, 16. Jan. Verflossene Nacht wurden
auf dem Abort des Hauptbahnhoses zwei dem hiesigen
Zimmermann R. gehörige Knaben im Alter von 11 und
13 Jahren betroffen, welche im Besitz von 12 Mk. waren,
dieselben gaben an, die Absicht gehabt zu haben „verduften"
und zunächst nach Frankfurt zu fahren. Das würdige
Brüder-Paar, welches das Reisegeld seinen Eltern gestohlen
hatte, wurde von der Polizei seinem Vater zugeführt.
* Wiesloch, 13. Jan. Dieses Frühjahr wird der
Gewerbe-Verein in Wiesloch eine Ausstellung von Lehr-
lingsarbeiten und Lehrlingsprüfungcn veranstalten. Erstere
haben den Zweck, zu sehen, ob und wie der Lehrling seine
Zeit in der Werkstätte ausnützt, ob es ihm ernst ist, alle
Jahre mehr zu lernen, um tüchtig zu seinem Beruf zu
werden.
* Sinsheim, 16. Jan. Die Eröffnung der hiesigen
Gewerbeschule findet am Mittwoch den 18. d. M., Abends
5 Uhr statt. Bis jetzt haben sich 50 Schüler angemeldet,
46 in Sinsheim wohnhafte und 4 auswärtige.
x Obcrschefflenz, 15. Jan. Die Mitglieder des
„Militärvereins" versammelten sich heute im Gasthaus
„zur Sonne" zur Feier der denkwürdigen Tage vor Bel-
fort. Herr Vorstand Schumacher hieß die versammelten
Kameraden herzlich willkommen und brachte ein Hoch aus
auf Se. Kaiser!. Hoheit den deutschen Kaiser. Herr Unter-
lehrer Hefner hob die Bedeutung des heutigen Tages
in kurzen, aber kernigen Worten hervor. Sein Hoch galt
den tapfern badischen Truppen und den noch lebenden
Führern derselben. Auch der im Kriege gefallenen, sowie
der am Kriege betheiligten Söhne von Obcrschefflenz wurde
gedacht. In zweiter Reihe hob Herr Unterlehrer Hefner
die Verdienste, welche sich unsere erhabene Landesmutter
durch Ihre Samariterdienste im letzten Kriege erworben
hat, hervor und toastirte auf das erhabene bad. Fürsten-
paar. Der Vortrag einiger Lieder von der durch Hrn.
Hefner geleiteten Kriegergesangssection trug wesentlich zur
Verschönerung des Abends bei. Der Zeiger der Uhr war
schon weit vorgerückt, als man sich mit dem Bewußtsein
trennte, wieder einen kameradschaftlichen schönen Abend
verlebt zu haben.
* Wertheim, 13. Jan. Der Verein gegen Haus-
und Straßenbettel dahier hat im abgelaufenen Jahr ca.
3600 wandernde Handwerker unterstützt, 200 weniger als
„Da werde ich Ihnen Pferde und Wagen zur Ver-
fügung stellen. Das imponirt und erspart Ihnen viele
Zeit."
„Herr Baron! Ich finde keine Worte —"
„Keinen Dank!" unterbrach ihn der Baron. „Dies
Unternehmen interessirt mich sehr, denn es wird auch mir
großen Nutzen bringen. Und welch herrliche Aussicht! In
einer guten Stunde kann ich in der Residenz sein und
die Oper und Concerte besuchen. Eine Frage! Treiben
Sie Musik?"
„Ich spiele erträglich Klavier."
„Das macht sich prächtig!" rief der Baron freudig.
„Ich spiele Violine und habe mit meinem Vater viele,
viele Jahre täglich musicirt; nun will das Alleinspiel nicht
mehr schmecken. Ich freue mich außerordentlich, wieder
mit Begleitung zu spielen, denn seit dem Tode meines
Vaters und auf der Reise bot sich wenig Gelegenheit, mit
anderen zu musiciren. Oben steht der prächtige Flügel
meines Vaters, auch bin ich im Besitz sämmtlicher Werke,
welche unsere großen Meister für beide Instrumente ge-
schrieben. Wählen Sie! Ich hoffe, wir spielen schon
morgen Abend."
Das im Anfänge ernste Gesicht des Barons war
nach und nach ein anderes geworden. Er blickte freund-
lich auf seinen Gast und seine Züge waren heiter und froh.
Er klingelte. Sogleich erschien die ältliche Dame,
welche den Fremden empfangen hatte.
„Sie haben die Güte, liebe Cousine", redete er diese
an, für unser Abendessen zu sorgen. Herr Architekt Steffens
ist unser Gast auf längere Zeit. Man wird das Fremden-
zimmer für ihn in Ordnung bringen."
Verwundert blickte die Dame auf den jungen Mann
ustd. erwiderte:
V,Das Fremdenzimmer ist immer in Ordnung, lieber
EugernQDas Abendessen bringe ich sogleich." Kaum hör-
bar war M wieder hinaus.
F (Fortsetzung folgt.)
1886. Auch aus anderen Städten des Landes wurden
Rückgänge in der Wanderunterstützung schon gemeldet.
Man sollte deßhalb auf eine Abnahme der Beschäftigungs-
losigkeit schließen dürfen. Doch dürfte uns darüber erst
das weitere Bekanntwerden der überall gemachten Wahr-
nehmungen eines Näheren belehren.
* Baden-Baden, 16. Jan. Das Gesuch des Bürger-
meisters Seefels um Versetzung in den Ruhestand wurde
vom Bürgerausschuß mit Stimmenmehrheit unter Gewäh-
rung einer Pension von 1000 Mark genehmigt.
* Mundenheim, 16. Jan. Gestern Nacht gegen 2
Uhr wurde man durch Feuerlärm gestört. Es brannte die
an der Ludwigshafener Chaussee gelegene Schmirgel- und
Wetzstein Fabrik des Herrn Proß aus Ludwigshafen gänz-
lich nieder. Die hiesige, sowie die Ludwigshafener Feuer-
wehr erschien alsbald an der Brandstelle, konnten jedoch
wegen Wassermangels nicht viel ausrichten. Außer den
Gebäulichkeiten gingen viele Vorräthe und Maschinen zu
Grunde. Dem Geschäftsführer, der in dem Gebäude schlief,
gelang es nur mit knapper Noth, sich durch einen Sprung
aus dem Fenster zu retten.
* Worms, 14. Jan. Der um 6 Uhr Abends von
hier abgehende Eisthalbahnzug stieß, wie die „Frankfurter
Ztg." meldet, bei dem Uebergang in der Speyrervorstadt
mit dem beladenen Fuhrwerk des Holzhändlers Honig zu-
sammen, wodurch das Fuhrwerk vollständig zertrümmert
und der Knecht desselben, welcher unter die Maschine des
Zuges gerieth, auf der Stelle getödtet wurde. In Folge
dieses Zusammenstoßes war der Verkehr auf der Strecke
längere Zeit gehemmt, da auch die Locomotive durch den
Zusammenstoß aus dem Geleise gerathen war.
* Aus der Pfalz, 15. Jan. Die heute zu Neustadt
abgehaltene Hauptversammlung des Zweigverbandes pfäl-
zischer Müller nahm heute bei Besprechung der Frage der
Aufhebung des Ursprungsnachweises bei Getreide ein- be-
ziehungsweise Ausfuhr mit großer Mehrheit einen vom
Mühlcnbesitzcr Adolf Abresch (Neustadt) gestellten Antrag
an, den Vorstand zu ermächtigen, im Sinne des bekannten
Hammacherschen Antrags mit den etwa sich als nothwendig
ergebenden Abänderungen zu wirken.
* Markdorf, 15. Jan. Durch einen Weiherausbruch
bei Markdorf (oberhalb des Weges zum Gehrenberg)
wurden, wie der „Seebote" berichtet, die zunächstlicgenden
zwei Häuser von Landwirth Braun und Schiffler arg mit-
genommen. Die Bewohner, welche glücklicher Weise im
oberen Stock wohnen, mußten durch die Fenster gerettet
werden, 2 Stück Vieh fielen jedoch der Katastrophe zum
Opfer. An dem dem Landwirth Braun gehörigen Hause
spülte das Wasser mit voller Wucht seitwärts des Haus-
einganges eine Stütze der unteren Mauer weg und richtete
auf der andern Seite ebenfalls große Verwüstungen an.
Mit Mühe konnten die Bewohner des unteren Stadtviertels
noch die Schleuse des kleinen Weihers der Schneidesäge
ziehen, wodurch das Wasser einen schnellen Abzug fand
und sich bald verlief. Abgesehen von den Verwüstungen
der Felder und der Straßen, erleiden die Besitzer der beiden
Anwesen einen bedeutenden Schaden.
* Hayingen, 11. Jan. Gestern hatte eine hiesige
Arbeitersfrau kochendes Wasser in ein Gefäß in der Küche
gegossen; sie entfernte sich auf kurze Zeit und ließ ihr
iX/yjähriges Kind unter der Aufsicht der etwas älteren
Schwester. Als sie wiederkchrte, fand sie das kleinste Kind
in dem kochenden Wasser liegen und fast verbrüht. Ver-
gangene Nacht ist das Kind an den Brandwunden gestorben.
* Bischwciler, 15. Jan. Unserer Gendarmerie ist
es gelungen, eine Diebesbande zu ermitteln und dingfest
zu machen, die seit etwa zwei Jahren die Berkaufsläden
unserer Stadt zum Schauplatze ihrer Handlungen macht.
Die sechs Mitglieder der Bande, junge Leute von 15 bis
18 Jahren, verführen in der Regel bei Ausführung ihrer
Streiche in der Weise, daß ihrer zwei in ein Verkaufs-
local cintraten und sich Maaren vorzeigen ließen, die sie
indeß nie kauften. Während der eine von ihnen mit dem
Verkäufer unterhandelte, eignete sich der andere, wenn
er sich unbeobachtet glaubte, so viel Gegenstände an, als
er eben konnte und beide entfernten sich hierauf eiligst,
indem sie vorgaben, die Waare sei ihnen zu theuer oder
gefalle ihnen nicht. Mit den vier übrigen Gesellen, die
vor den Läden Wache hielten, wurden die entwendeten
Sachen brüderlich gctheilt. In dieser Weise verschwanden
bei Wurstlern und Metzgern Schinken und Würste aller
Art, bei Conditoren ganze Glasglocken voll Leckereien und
Gebäck, bei Wirthen Cigarren und Eßwaaren u. s. w.
Die sechs Gesellen sitzen sämmtlich hinter Schloß und
Riegel und gehen ihrer Bestrafung entgegen.
* Esten, 11. Jan. Eine Wette sonderbarer Art kam
dieser Tage hier zum Austrag. Ein Viehhändler, welcher
mehrere fette Kälber eingekauft hatte, stellte im Kreise
seiner Freunde die Behauptung auf, daß kein Metzger vier
Kälber ungebunden bis zum Alteneffener Bahnhof bringen
könnte. Bald entstand hieraus eine^Wette, dahingehend,
daß wenn die Kälber bis dahin gebracht würden, der Metz-
ger solche umsonst haben, andernfalls aber für das Stück
24 Mk. zahlen sollte. Ein Metzger ging die Wette ein,
die Kälber wurden bis auf die Alteneffener Chaussee ange-
koppclt geführt und hier frei gemacht. Nun sprang ein
Theil davon rechts, der andere links über den Chaussee-
graben und liefen über die Felder. Der Metzger eilte
denselben bald hier, bald dort nach, stürzte einige Mal in
dem weichen Boden und mußte schließlich die Wette als
verloren aufgcben. Die Thiere wurden nun mit Hilfe
anderer Leute eingefangen und zum Viehhofe transportirt,
wo man sich über das Resultat allgemein amüsirte und
bald zu einer neuen Wette überging. Ein zweiter Metzger
meldete sich nämlich, welcher diese Wette ausführen wollte.
Siegesgewih ging der erste Verlierer sofort darauf ein
und — verlor noch einmal, denn die Thiere waren in-
zwischen etwas müde geworden, und ließen sich, nachdem
sic wahrscheinlich auch Keile bekommen, ruhig nach Alten-
essen hin- und zurücklransportiren. Der Metzger war also
auf diese Weise etwa 300 Mk. los geworden.
* Aus Baden, 16. Jan. Bei einer Holzversteigerung
in Bruchsal ersteigerte die Karlsruher Firma Schmieder
und Mayer einen Eichenstamm, der eine Länge von 18,12
Meter und einen Durchmesser von 90 Centimeter hat, für
566 Mark.
Vermischtes.
— fE ine Geschichte vom Kronprinzen) weiß
ein alter Soldat in der „Potsd. Zeitung" folgendermaßen
zu erzählen: „Es war an einem schönen Maimorgen iw
Jahre 1859, als ich beim 1. Garde-Regiment zu Fuß
dienend mit den Kameraden fröhlich die Chaussee zwilchen
Sanssouci und dem Orangericgebäude nach dem Dorfe
Eiche zu marschirte. Wir waren zn der großen Allee
gekommen, tue vom neuen Palais auf genannte Chaussee
stößt, als in derselben die kronprinzlichen Herrschaften
sichtbar wurden; voran auf einem Maulesel in einem Korb-
sattel sitzend, in Begleitung einer Wärterin, der kleine
Prinz, etwa 20 Schritt dahinter Arm in Arm das kron-
prinzliche Paar. Als der Kronprinz den Zug bemerkte,
rief er: „Liebenau, lassen Sie mal den Zug halten", trat
zu dem Maulthier, nahm den kleinen Prinzen aus
den Arm und näherte sich uns. „Guten Morgen, Kinder",
redete uns der Kronprinz an, „ich will Euch mal meinen
kleinen Sohn zeigen," und nun mußte der kleine Prinz jedem
einzelnen Grenadier das Händchen reichen. Glückstrahlend
stand die Frau Kronprinzessin dabei und beobachtete die
Scene. Als die Vorstellung beendet war, bot uns der
Kronprinz wieder einen „Guten Morgen" und nahm seinen
Spaziergang wieder auf, wir aber setzten in gehobener
Stimmung unsere Felddienstübung fort. Merkwürdiger-)
weise ist der damalige Zugführer Secondelieutenant v.
Liebenau jetzt der Hofmarschall des Prinzen Wilhelm.
Nur wer als Soldat einen solchen Act erlebt hat, kann
fühlen, wie sich dadurch um Fürst und Volk ein Band
schlingt, das nur der Tod trennt, und in jedem Herzen
tönt wohl der Wunsch wieder: „Möge Gott der Allmächtige
unseren geliebten Kronprinzen recht bald gesund in unsere
Mitte zurückkchren lasten!"
— fVon dem bekannten Lyriker Rudolph
Baumbachj in Meiningen wird ein kleines Gedicht in
der Wochenschrift „Die Nation" veröffentlicht, das es ver-
dient, gelesen zu werden. Wir entlehnen der „Nation"
die Verse Baumbach's, die die Ueberschrift tragen: „VoB
Kronprinzen"; sie lauten:
Dem Kaiser kam die Kunde
Durch raschen Botenlauf:
„Es heilt des Sohnes Wunde,
Und Hoffnung leuchtet auf."
Da dringt zu seinen Ohren
Des Unglücksraben Sang:
„Auf immer ist verloren
Der Stimme Heller Klang."
Der Kaiser spricht ergeben:
„Du Herr bist über mir.
Laß mir den Sohn am Leben,
Des Thrones künft'ge Zier.
Und bleibt der Fritz auch heiser,
Drum wankt das Reich noch nicht.
Man hört den deutschen Kaiser,
Auch wenn er leise spricht."
— Die Neigung, den „Doctorgrad", der an de»
verschiedenen deutschen Universitäten mit verschiedenen Koste»
verbunden ist, zu erlangen, ist bei den Aerzten im Ab-
nehmen. Im Prüfungsjahr 1886/87 bestanden in Preuße»
505 Mediciner die Prüfung; nur 150 sind darunter aka-
demische Doctorcn; Bayern weist 450 neue Aerzte auf wö
nur 22 Doctoren, Sachsen 97 neue Aerzte ohne Doctot,
Württemberg 24 Aerzte 1 Dockor, Baden 97 Aerzte ohne
Doctor, Hessen 11 Aerzte mit 2 Doctoren, Mecklenburg-)
Schwerin 19 Aerzte, die sächsischen Herzogthümei 37 Aerzte,
Elsaß-Lothringen deren 33 ohne Doctorgrad.
— Pest, 10. Jan. Eine Ohrfeige war — das
Honorar, mit welchem der Agent E. Rosenberg einci»
hiesigen Zahntechniker eine mißlungene Operation „heiw--
zahlte". Ungewöhnlich, wie das Honorar, waren aller-
dings auch die Qualen, welche Rosenberg während des
auch sonst ziemlich anangenehmen Verfahrens des Zahn-
reißens zu erleiden hatte. Der erste Riß, den de»
Operateur dem schmerzhaften Zahne versetzte, blieb ohne
Erfolg. Rosenberg machte ein böses Gesicht, aber er be-
herrschte sich und duldete weiter, als sein Peiniger zui»
zweiten Male die Zange ansetzte und mit verdoppelte»
Gewalt an dem Zahne zerrte. Der Schmerz wurde gaist
höllisch, aber der Zahn saß nach dem zweiten Risse noch
immer so fest wie früher. Nun sprang der Gequälte
wüthend auf und wollte davonrennen. Der „Operateur"
drückte ihn jedoch ganz sanft in den Sessel zurück und
meinte, aller guten Dinge wären Drei. Als aber auch
der dritte „Zug" mißlang, sprang Rosenberg wieder aus,
versetzte, vor Schmerz undWuth seiner nicht mehr mächtig,
dem verblüfft dreinschauenden Zahntechniker eine Ohrfeig
und rannte schnurstracks zu einem Zahnarzte, wo er durch
einen geschickteren Griff seines Zahnes und seiner Schmerze»
auf einmal ledig wurde. Wegen der Ohrfeige aber halb
sich Rosenberg heute vor dem Strafbezirksgerichte zu ver-
antworten. Der Richter — er muß selbst einmal an
Zahnschmerzen gelitten haben — wußte die VertheidiguNö
des Angeklagten zu würdigen, daß er sich nur „vergriffen"
habe, und sprach ihn von der Anklage der Ehrenbeleidi-
gung frei.
— fJn der Brüsseler Vorstadt Molenbeeq !
besteht, wie geschrieben wird, seit Jahresfrist unter du»
Namen „Club der Hunoert-Kilogramm-Leute" ein Verein,
der Niemanden als Mitglied zuläßt, der nicht zum Wenigste» ,
ein Gewicht von 200 Pfund hat. Diese originelle Gesell-
schäft hatte nun am letzten Montag zum Besten des Molen-