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Verkündigungs-Blatt für die Bezirke Heidelberg, Mkinheim, ZchNehingen, Mieslech, Sinsheim, Eppinger, Mosbach, Neckarbischofsheim, Ebrrbach, Koche«,
Buchdruckerei und Expedition: Brunnengasse 24. MüstdÜiN, AdttsheiM, Hlllberg, EaoberbifchofsheiM 00d MerlhelM. Buchdruckerei und Expedition: Brunnengafft 24»

N 17.

Verantwort!. Redakteur PH. -lauSner
in Heidelberg.

Freitag, 20. Januar

Bruck und Berlug »on Wurm Si Pfeffer
iu Heidelberg.

1888.

Grwachsenen-Bataillone.
Ein Pariser Mitarbeiter einer deutschen Zeitung schreibt:
Die Erwachsenen-Bataillone sind das neueste Ideal des Pariser
Gemeinderathes. Sie beginnen bereits eine sehr reelle
Form anzunehmen. Monsieur Delattre, Deputirter
der Seine, hat die Absicht, sein System der mili-
tärischen Erziehung aller Erwachsenen, nächstens
in der Kammer zu entwickeln. Dasselbe, in der Umgebung
des General Ferron ausgearbeitet, umfaßt folgende
Punkte: Sämmtliche jungen Leute, welche den 2. resp. 3.
zunächst einzuberufenden, d. h. in den nächsten 2 bis 3
Jahren dienstpflichtig werdenden Classen angehören, sollen
sonntäglich in ihren Gemeinden zusammenberufen werden,
um in den ersten militärischen Elementen unterwiesen zu
werden.
Sie werden in den Mairien deponirte Gewehre er-
halten, welche durch einen besonderen Mechanismus jedoch
momentan als Schußwaffe unwirksam gemacht sind. Der
Unterricht der jungen Leute wird älteren Unterofficieren,
resp. Reservisten anvertraut werden. Am Ende des ersten
Jahres erhält jeder 6 Patronen; während des zweiten
Jahres manövriren die jungen Leute der zunächst gelegenen
Gemeinden im Cantons-Hauptort. Nach dem zweiten Jahre
erhalten sie 15—20 Patronen und die Schießübungen
werden erweitert.
Während des dritten Jahres werden sie zu Feld-
wanövern ausrückcn und in allen Kriegsübungen ausge-
bildet werden. Zu ihren Schießübungen erhalten sie 60
Patronen. Auf diese Weise würden im Falle einer Kriegs-
erklärung die nächsten drei Jahrgänge, noch ehe sie zum
Heere einbcrufen worden, statt wie bisher Rccruten, voll-
ständig einexcrcirte Soldaten liefern. Sollte die Kammer
sich diesem Vorschläge günstig zeigen, so wird der Kriegs-
minister einen dementsprechenden Gesetzentwurf eiureichen.
Dieser hat übrigens schon dem Gesammtministerium einen
Gesetzentwurf unterbreitet, welcher das Pendant zu
dem von dem deutschen Reichstag angenommenen Land-
wehr- und Landsturmgesetz ist. Derselbe verlängert die
respective Dienstzeit um ein Jahr.
Deutsches NsLch.
Karlsruhe, 17. Jan. Durch die Errichtung von
Lokalbahnen wird nicht mehr das Eisenbahnbau-Budget
belastet, sondern der allgemeine Staatshaushalt, indem die
M Unterstützung verwendeten Mittel der Amortisations-
kasse zu Lasten gebucht werden. So erscheint auch die
Zuwendung für die auf dem vorigen Landtag genehmigte
Linie Zell-Todtnau mit dem Betrag von 310000 Mk. in
der Belastung der Amortisationskaffe. Auch Kehl-Lichtenau

wird in gleicher Weise behandelt. — Man wird mit den
gemeinsamen Anschauungen der Regierung und der Stände
wohl damit einverstanden sein können, daß die untere amts-
gerichtliche Instanz den Rechtssuchenden so billig und so
bequem wie möglich gemacht werden soll, zumal die landes-
gerichtliche Instanz ferner gelegen und mit großen Kosten
verknüpft ist. Immerhin bleibt es eine eigcnthümliche Er-
scheinung, daß Amtsgerichtssitze wie Gengenbach und Has-
lach aufgehoben wurden, als ihnen bessere Verbindungen
fehlten, und daß sie wieder hergestellt werden, nachdem ein
Schienenweg die Verbindungen wesentlich erleichtert. Letz-
teres trifft allerdings nur für die davon begünstigten Orte
in der Hauptsache zu. — Auf conservativer Seite will
man künftig in sogenannten Cartellwahlk reisen der
Personenfrage dieselbe Auslegung geben, wie sie im 13.
Wahlkreis diesmal aufgefaßt wurde, daß nämlich nur der
politische Besitzstand entscheiden soll, nicht aber unbedingt
der Candidarenvorschlag der besitzenden Partei. Die Sache
klingt etwas gereizt.
Karlsruhe, 18. Jan. In der 2. Kammer erklärte
sich die Regierung gegen die Berufung in Strafsachen und
hält die rcichsgesetzliche Erledigung dieser Frage für fern-
gerückt. Es werde jedenfalls vor der Entscheidung ein
nochmaliges Gutachten erhoben werden.
Karlsruhe, 18. Jan. Die Ausgaben für die Rechts-
pflege sind im Budget für die nächsten beiden Rechnungs-
jahre zusammen auf 5651822 Mk. im ordentlichen Etat
berechnet. Demgegenüber stehen a) Einnahmen, welche die
Justizverwaltung selbst vollzieht, mit 1558686 Mk., und
d) solche, welche wie Sporteln und dergleichen von der
Steuerverwaltung eingezogen werden, mit 2 613806 Mk.
Der Reinaufwand in jedem der beiden Budgetjahre beträgt
daher 1479 330 Mk. Dieser Aufwand ist um 11000 Mk.
geringer als in der Vorperiode. Der außerordentliche Etat
fordert für Baulichkeiten, die hier zum Theil bereits er-
wähnt wurden, 384284 Mk., wesentlich mehr, als die
effectiven Verwilligungen der Vorperiode. Hier finden
auch die bedeutenderen Abstriche, oder doch Rückstellungen
durch die Commission statt. Bei der heutigen Kammerbe-
rathungen entspann sich eine Erörterung über die bekannten
Fragen der Berufung in Strafsachen, der zahlreichen Ver-
eidigungen, der Unmöglichkeit rechtzeitiger Pensionirung be-
jahrter Richter u. A. m. Justizpräsident Nokk glaubt
nicht an eine nahe bevorstehende Lösung der Berufungs-
frage durch das Reich, ist persönlich und Namens der
Regierung nicht für eine Strafberufung eingenommen und
wird jedenfalls, ehe die Regierung endgiltige Stellung
nimmt, eine nochmalige Anhörung der badischen Gerichts-
höfe veranlassen. Gelegentlich erwähnt Geheimrath Nokk,
daß die Vorlage des Dienergesetzes noch auf diesem Land-

tag als höchstwahrscheinlich, ja als ziemlich sicher gelten
könne und damit ohne Zweifel ein durchgreifendes Besol-
dungsregulativ verbunden sein werde. Die Wiedererichtung
der Amtsgerichte Gengenbach und Haslach wird mit be-
deutender Mehrheit angenommen, bei Haslach unter der
bestimmten Voraussetzung, daß mit der Gemeinde eine
Vereinbarung über die Abtretung des früheren Kapuziner-
klosters zur Errichtung einer Zwangserziehungsanstalt für
jugendliche Personen stattfindct. — Dem „Schw. Merkur"
schreibt man: Die Durchführung der Organisation, welche
daraus abzielte, das Gerichtsnotariat aufzuheben
und die Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Amts-
richtern zu übertragen, hat sich rascher, als er-
wartet wurde, vollzogen. Es sind nur noch 8 Gerichts-
notare vorhanden. Dabei wurde eine wesentliche Vermin-
derung des Beamtenpersonals erzielt, denn während im
Jahre 1864 noch 102 Amtsrichter und 68 Gerichtsnotare
vorhanden waren, somit 170 Beamte dieser Dienstzweige,
hat Baden jetzt nur 93 Amtsrichter und 8 Gerichtsnotare,
also zusammen 101.
Berlin, 17. Jan. Aus San Remo wird dem
„Berl. Tgbl." gemeldet: „Soeben trug sich unweit der
.Villa Zirio ein höchst peinlicher Auftritt zu. Gegen
9 Uhr krachten mehrere Revolverschüffe; mehrere Personen,
die eine davon blutüberströmt, rannten den Korso Levante
entlang. Sofort versammelte sich eine große Menge,
welche ein Attentat vermuthete; auch viele Polizisten, sowie
Gerichtsbeamte erschienen. Festgestellt wurde dagegen ein
Act der Privatrache, dem ein Einwoher zum Opfer fiel.
Die erklärliche Aufregung der Bevölkerung hat sich in
Folge dessen jetzt gelegt."
Berlin, 18. Jan. Der Reichstag erledigte in
erster Lesung den Munckel'schen Gesetzentwurf, betreffend
Abänderung des Gerichtsverfassungsgesetzes (Zu-
ständigkeit der Schwurgerichte), sowie ferner den Gesetz-
entwurf Munckels, betreffend Wiedereinführung der
Berufung in Strafsachen. Die zweite Lesung beider
Gesetzentwürfe findet im Plenum statt. Nächste Sitzung
Freitag. Tagesordnung: Etat und Relictcnbeiträge.
Berlin, 18. Jan. Wie nunmehr bestimmt worden
ist, wird Kaiser Wilhelm das Krönungs- und
Ordensfest persönlich abhalten und zu dem Zwecke sich
Mittags 114/2 Uhr nach dem königlichen Schlosse begeben.
— Wie man hört, wird Lord Randolph Churchill in
den ersten Tagen kommender Woche von Rußland hier ein-
treffen, wahrscheinlich einige Tage hier verweilen und in
diesem Falle in der englischen Botschaft Wohnung nehmen.
Stade, 18. Jan. Der frühere hannoversche Staats-
minister v.Hodenbcrg wurde soeben wegen M ajestäts-

Gntdeckte Herzen.
Roman von Hugo v. Rittberg.
5) (Fortsetzung.)
Nach Aussprechung des Dankes gingen der Baron und
der Fremde ins Schloß; auch die Leute zerstreuten sich. --
Es war am frühen Vormittag, als der Architect sich
auf den Weg nach dem Dorfe machte, um den Brief an
seine Mutter dem Postboten zu übergeben. Zurückkehrend
kam er an der Brauerei vorüber.
Leise schlich er hinein, setzte sich in eine Laube, um
ungesehen vielleicht die schöne Braut beobachten zu können.
Zwei Männer kamen vom Hinterhause.
„Ich will mein Geld, ich warte nicht länger!" sagte
der eine mit harter Stimme. „Sie sind jetzt bei Ihrem
reichen Vetter im Dienst, der muß Ihnen das Geld vor-
schießen."
„Das thut er nicht! mein Vetter ist sehr genau,"
entgegnete kleinlaut die Stimme des anderen. „Er hat
schon viel gethan, daß er mich und meine Tochter in sein
Haus ausgenommen."
„Ausreden! Sie wollen mich blos Hinhalten. Augen-
blicklich gehen Sie zu Ihrem Vetter und schaffen mir
mein Geld, oder ich lasse Sie in Arrest bringen. Die
Schuld ist fällig."
„Um Gottes willen, thun Sie das nicht, Herr Bell-
Mann!" jammerte der andere. „Mein Vetter ist sehr ehr-
liebend. Lassen Sie mich ins Gefängniß bringen so jagt
er auch mein Kind aus dem Dienst. Meine Tochter hat
5 Thaler monatliches Gehalt, auch ich denke einige Thaler
M verdienen. Ich schwöre Ihnen beim Allmächtigen Gott,
Sie sollen all dies Geld monatlich pünktlich erhalten."
„Daß ich ein Narr wäre!" lachte Bellmann. „Da
hnßt es den einen Monat: „Diesmal kann ich nicht
zahlen," den anderen: „Sie müssen Geduld haben". Nichts
da! Sic haben die achtzig Thaler baar erhalten und sich

verpflichtet, diese Summe mir am heutigen Tage wieder
zu zahlen."
„Es waren doch nur fünfzig Thaler, die ich erhielt.
Leider mußte ich in meiner großen Noth, gezwungen, achtzig
unterzeichnen."
„Reden Sie keine Dummheiten!" fuhr der Wucherer
auf. „Aber so geht es, wenn man seinen Mitmenschen
hilft. Hier ist der Schuldschein! Sie haben achtzig Thaler
mit fünf Prozent unterzeichnet, folglich auch erhalten. —
Jetzt ist aber meine Geduld zu Ende. Augenblicklich schaffen
Sie mir mein Geld oder Sie sind Morgen im Arrest!"
„Gerechter Gott! Warum muß mich das Schicksal
so arg Heimsuchen !" stöhnte der andere. „Haben Sie Er-
barmen, Herr Bellmann! Sie wissen, daß ich kein leicht-
sinniger Schuldenmacher bin. Ich hatte hundert Thaler
ausstehen. Kann ich dafür, daß mein Schuldner geflohen
ist und mich betrogen hat?"
„Was geht das mich an! Zum letztenmal! Wollen
Sie zu ihrem Vetter gehen oder nicht?"
„Haben Sie Mitleid, haben Sie Erbarmen mit mir
und meinem Kinde!"
Der Fremde hatte beide beobachtet, und schon auf-
geregt von den Begebenheiten des vergangenen Tages und
der Nacht, wurde er es jetzt noch mehr durch die klagende
Stimme des einen — wie durch die Hartherzigkeit des
anderen Mannes.
Steffens stand auf, näherte sich dem Wucherer und
sagte mit bestimmtem Tone:
„Mein Herr! Der Jammer und die Angst dieses
Mannes muß jedes menschliche Herz zur Milde stimmen.
Haben Sie Nachsicht."
Herr Bellmann sah den unberufenen Eindringling
verwundert von oben bis unten an und entgegnete:
„Schön gesagt, Verehrtester! Doch besser, Sie lassen
mich ungeschoren. Ich werde nach meinem Belieben handeln."
„Vergessen Sic nicht, daß ich ihr Gespräch Wort für
Wort gehört. Wer fünfzig Thaler verborgt und läßt sich

einen Schuldschein über achtzig unterzeichnen, der ist ein
gemeiner Wucherer!"
„Herr, Sie unterstehen sich!" fuhr der Geldverleiher
auf, doch zeigte sein Gesicht einige Verwirrung.
„O, ich werde mich sogar unterstehen, das Gehörte
vor Gericht zu beschwören. Sie werden deßhalb besser
thun, die monatliche Abzahlung Ihres Schuldners anzu-
nehmen, er wird redlich sein Wort halten."
„Wenn Sie so sehr von der Rechtlichkeit dieses
Mannes überzeugt sind, borgen Sie ihm doch das Geld.
Wenn nicht, dann handeln Sie gegen mich nach Belieben,
gehen aber jetzt Ihrer Wege! Verstanden?
Der höhnische Blick, mit welchem der Wucherer diese
Worte sprach, raubten dem Fremden alle Ruhe.
„Ja, Herr, ich werde die Schuld dieses Mannes
zahlen!" rief er ohne Ueberlegung in seiner Aufgeregtheit.
„Das heißt, nur die fünfzig Thaler, welche Sie diesem
Manne geliehen haben, nicht einen Pfennig mehr. Aber
entschließen Sie sich kurz, ehe es mir leid wird; ich möchte
sonst dem Herzog persönlich Ihr Thun und Treiben mel-
den. Vergessen Sie nicht, daß Se. Durchlaucht sehr streng
gegen Ihresgleichen verfährt."
Diese, ohne alle Besonnenheit ausgesprochenen, hoch-
tönenden Worte des Fremden schienen doch auf Bellmann
großen Eindruck zu machen. Verlegen und schweigend
stand er da.
Der Fremde hatte seine Brieftasche geöffnet, nahm
zwei Scheine heraus und reichte diese Bellmann mit den
Worten:
„Hier sind zwei fünfundzwanzig Thalerscheine. Ent-
schließen Sie sich rasch, Sie möchten sonst das Nachsehen
haben!"
Die Besorgnisse des Wucherers wegen seiner hohen
Zinsen wurden größer, denn der fremde Herr, der für
einen Unbekannten solche große Summe Geld hingab,
mußte etwas ganz Besonderes sein. Er nahm hastig das
 
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