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M 297.

Verantwort!. Redacteur Friedrich Kley
in Heidelberg.

Dienstag, 18. Deeember

Vruü und Verlag von Larl Pfeffer
vor«. Wurm L Pfeffer in Heidelberg.

r.W8.

Die sinansteUe Lage in Spanien
betreffend, ist zu bemerken, daß in den letzten Jahren die
schwebende Schuld immer größer geworden und man
spricht immer lauter von der Nothwendigkeit einer Anleihe
von mindestens 600 Millionen. Dabei ist das Budget
belastet mit den großen Crediten, die vor zwei Jahren für
die Ausbesserung und Vermehrung des Flottenmaterials
bewilligt worden sind, die einzelnen Ministerien verlangen
dringende Neubauten und mehreren Provinzen sind um-
fassende öffentliche Arbeiten versprochen worden. So z. B.
sind in Almeria große Wasserbauten zur Verhütung fernerer
Überschwemmungen nothwendig und an anderen Orten
ist ebenfalls directe Staatsunterstützung zur Hebung der
Nothständc erforderlich. Aber wo sollen die Mittel herge-
nommen werden? Nicht Vermehrung der Steuern, sondern
Verminderung derselben wird überall verlangt, und insbe-
sondere die Ackerbau treibende Bevölkerung, daß die Ver-
sprechungen der Steuererleichterung endlich zur Wahrheit
gemacht werden. Die Unzufriedenheit der Grundbesitzer
ist um so gefährlicher, da sie in der Ackerbau-Liga eine
geschloffene Organisation besitzen, die ihren Einfluß in der
letzten Zeit ungemein vermehrt hat. Es hieß sogar vor
wenigen Tagen, daß einer ihrer Führer, Gamazo, in die
Regierung eintreten werde. Das neue Ministerium weist
seinen Namen nicht auf, was beweist, daß Sagasta mit
dieser Richtung noch nicht rechnen zu müssen glaubt. Das
hindert aber nicht, daß die Liga, die ihren beredten Ver-
treter in den Cortes hat, mit immer wachsendem Nach-
druck verlangt, daß ihre Forderungen, die Erörterung
wirthschaftlicher Fragen und die Bewilligung durchgreifen-
der Reformen zur Beseitigung der Nothlage, an erster
Stelle zur Berathung gestellt werden. Es wird wohl
bald die Zeit kommen, wo Sagasta mit dieser Richtung
rechnen muß, er mag wollen oder nicht.
Die wachsende allgemeine Unzufriedenheit hat nun
auch die demokratischen Elemente der Majorität bestimmt,
etwas schärfer aufzutreten und Sagasta zur Erfüllung
seiner politischen Versprechungen zu zwingen. Unter den
letzteren befinden sich namentlich die Militär-Reformen
und das allgemeine Stimmrecht. Die ersteren die u. A.
die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht enthalten, wurden
von dem Kriegsminister General Caffola eingebracht, erregten
aber auf der rechten Seite so viel Widerspruch, daß Caffola
darüber sein Portefeuille verlor. Besonders feindlich sind
den Armeereformen die politisirenden Generäle vom Mar-
schall Martinez Campos an, und sie haben es durchgesetzt,
daß bis jetzt noch nicht einmal über die parlamentarische
Behandlung der Reformen etwas Bestimmtes entschieden
ist. Martinez Campos hat auch seinerseits einen Reform-

Entwurf eingebracht, der natürlich wieder den Demokraten
nicht gefällt. Um beide Theile zu befriedigen und um
Zeit zu gewinnen, hat Sagasta der Majorität den Vor-
schlag gemacht, die Reformen Cassolas in zwei Theile zu
spalten und den einen gleich nach der Budgetberathung,
den anderen für später auf die Tagesordnung zu stellen.
Er kam aber darüber in Zwiespalt mit seinem Kriegs-
minister General O'Ryan, der von den Reformen über-
haupt nichts wissen wollte, da er es mit dem Marschall
Martinez Compos hielt. Auch bezüglich des allgemeinen
Stimmrechts war die Majorität nichts weniger als einig.
Der erste Entwurf war dem rechten Flügel viel zu liberal
und noch in letzter Stunde machte Sagasta Aenderungen
daran in conservativem Sinne, wodurch er natürlich wieder
den Zorn des linken Flügels erregte.
Es geht aus diesem kurzen Rückblick hervor, daß die
Lage nach jeder Richtung hin eine vollständig zer-
fahrene ist, und daß von unten ebenso viel Gefahren
drohen, als man oben unfähig ist, denselben zu begegnen.
Es heißt, daß Sagasta im Bewußtsein dieses Zustandes
von der Königin-Regentin die Erlaubniß forderte, die
Cortes auflösen zu dürfen, um sich eine neue zuverläs-
sigere Majorität zu verschaffen; Donna Christina habe
ihm aber diese Erlaubniß verweigert, weil sie alle mög-
lichen Combinationen versucht zu sehen wünsche, bevor
man an das Land appellire und weil sie den Augenblick,
da das Budget erledigt werden muß, zu einer Berufung
an die Wähler nicht für geeignet halte. Man wird diese
Eventualität gleichwohl im Auge behalten müssen. Will
sich Sagasta am Ruder halten, so braucht er eine neue
Majorität, und diese kann er sich nur durch Neuwahlen
verschaffen. Die jetzige ist durchaus schwach, haltlos, un-
zuverlässig, zum Theil sogar in offenem Aufruhr begriffen.
Diese Erfahrung wird auch das neue Ministerium Sagasta
bald zu machen haben.__
Deutsches Reich.
Berlin, 15. Dec. Bei der hiesigen deutschen Co-
lonial-Gesellschaft für Südwestafrika sind leider
wenig erfreuliche Nachrichten in einer Depesche aus Cap-
stadt vom vorgestrigen Tage eingetroffen. Der Häupt-
ling Kamakherero, dessen Unzuverlässigkeit bekannt ist,
hat den deutschen Schutzvertrag und die Concessionen,
welche der deutschen Gesellschaft von ihm ertheilt worden
sind, für ungiltig erklärt und einem englischen Unter-
nehmer, Namens Lewis, eine neue Generalconcesfion er-
theilt, in welcher er den deutschen Reichscommiffar und
die deutsche Bergbehörde ignorirt, den Hausbau verhindert
und die Missionare ausgewiesen werden. Der Reichscom-
misfar Goering befindet sich in Begleitung der Herren

Frielinghaüs und Franken wohlbehalten in der Walfisch-
bai; die übrigen deutschen Angestellten sind auf der Heim-
reise begriffen. Die deutsche Colonial-Gesellschaft für Süd-
westafrika hat inzwischen ihren Beamten telegraphischen
Befehl zugehen lassen, bis auf weiteres das Gesellschafts-
gebiet nicht zu verlassen.
Leipzig, 15. Dec. Das hiesige Landgericht ver-
urtheilte heute 12 Socialisten wegen Geheimbün-
delei zu vier bis zehn Monaten Gefängnißstrafe.
Darmstadt, 15. Dec. Heute Vormittag KU/^ Uhr
ist Prinz Alexander, der Bruder des verstorbenen Groß-
herzogs Ludwig III. und Oheim des jetzt regierenden
Großherzogs, in einem Alter von 65 Jahren verschieden.
Die Theilnahme an dem Trauersall ist eine aufrichtige
und allgemeine. Der Verblichene verband mit vornehmem
Auftreten eine hervorragend liebenswürdige Leutseligkeit
gegen Jedermann, wodurch er sich die allseitigsten Sym-
pathien erwarb. Für Kunst und Wissenschaft und für
Alles, was der allgemeinen Wohlfahrt diente, zeigte er ein
reges Interesse. Wenn man auch in den letzten 15 Jahren
von der Wirksamkeit des Prinzen verhältnißmäßig wenig
hörte, so war sie doch im Stillen eine desto größere und
tiefer eingreifende. Was der Verstorbene unserem Lande,
insbesondere unserer Residenz war, wird man so recht erst
jetzt fühlen, nachdem wir ihn verloren haben. Durch sein
Denken und Thun ging ein gewisser, fast möchte man
sagen, ein liberaler Zug, der Hauch der modernen Zeit
hatte ihn nicht unberührt gelassen, und es gibt hier manchen
conservativen Herrn, dem der Prinz nicht genug Tory
war. Die Schwester des Verblichenen war mit dem
Kaiser Alexander II. von Rußland vermählt, an dessen
Hofe der Prinz xsrscma, ZrcUissirrm gewesen war. Er
selbst war mit der russischen Gräfin Hauke, die später zur
Prinzessin Battenberg erhoben wurde, in der allerglück-
lichsten Ehe verheirathet; eine Tochter und vier Söhne,
unter diesen der Fürst Alexander von Bulgarien, ent-
stammen derselben.
Hsst-rnich-As-sM,
Wien, 15. Dec. Eine inspirirte Petersburger
Zuschrift der „Polit. Corresp." führt aus, daß der in der
jüngsten Preßfehde aufgetauchte Gedanke eines Zusammen-
gehens Rußlands und Oesterreich-Ungarns in den
politischen Kreisen von Petersburg eine sehr kühle und
sceptische Aufnahme gefunden habe. Eine Grundlage der
Verständigung zwischen beiden Staaten sei nicht vorhanden.
— König Oscar von Schweden verlieh dem Kaiser
Franz Josef den Ehrengrad eines Generals in der schwe-
dischen Armee.
IstmLrsich-
Paris, 15. Dec. Die Kammer begann nach Er-

Schloß Denky.
Aus dem Englischen non A. Tebbitt.
17) (Schluß.)
„Laßt mich allein hier, Wilson", sagte Lister traurig.
Der alte Mann entfernte sich zögernd, kehrte aber nach
wenig Schritten schon wieder zurück.
„Was soll ich ihr sagen? Sie wird keine Ruhe finden,
bis Sie ihr verziehe haben, was sie nicht verbrochen."
„Was könnte ich ihr zu vergeben haben? Hier" und
er brach eine der Blumen ab, „bringt ihr diese, und sagt
ihr, wo ick sie gebrochen. Sie wird die Botschaft verstehen."
Und sie verstand sie.
Die Genesung Lady Trevors machte von der Zeit an
wunderbar schnelle Fortschritte und nach Ablauf einer Woche
schon wurde ihr erlaubt, auf dem Sopha liegend, ihren
Vetter zu empfangen.
„Wir haben sie doch glücklich durchgebracht", sagte
Dr. Mason schmunzelnd, als er Henry diese Nachricht
brachte. „Jetzt, sobald als möglich Luftveränderung, eine
andere Umgebung und im Frühjahre wird unsere Patientin
wieder der besten Gesundheit sich erfreuen. Nur recht die
Arme aufheitern, hören Sie, Verehrtester, wenn Sie sie
heute besuchen."
Lister blickte ihm spöttisch nach. „Deine Kunst hat
sie nicht gerettet, es ist das fürchterliche Gewicht, das auf
ihrer Seele geruht, und von dem sie jetzt befreit ist,
welches ihren Zustand dir so räthselhaft erscheinen ließ."
Sie war allein, als er am Nachmittag bei ihr ein-
trat. Waren auch ihre Züge schärfer geworden, ihre
Augen noch mit dunkeln Ringen umgeben und die Hand,
die sie ihm reichte, weißer denn je, so lag doch ein Aus-
druck tiefer Ruhe und Ergebenheit auf ihrem Antlitz, wie er
noch nie ihn an ihr bemerkt. Der Zug der Unruhe, der
verhaltenen Angst war gewichen und wie eine Ahnung

kommender glücklicher Stunden leuchtete es auf in ihren
großen schwarzen Augen.
„Arme Gabriele", war alles, was er ihr sagen konnte,
als er, sich über sie beugend, ihre kleine Hand ergriff.
Dann aber, um sie von trüben Gedanken abzulenken, be-
gann er über ihre Zukunftspläne zu reden. Sie war ent-
schlossen, sobald der Arzt dies erlaubte, England zu ver-
lassen, um den Winter in Italien zuzubringen.
„Sie müssen mir Ihr Kleinod schon noch sechs
Monate lassen, Henry, nicht wahr?" richtete sie ihre Bitte
an ihn, „aber wenn der Sommer wiederkommt, wollen
auch wir zurückkehren, und dann sollen Sie Ihre Dolly
heimführen."
Die beiden jungen Damen traten bei diescn Worten
ins Zimmer.
„Und was wollen Sie dann thun, beste Lady Trevor",
rief das erröthende junge Mädchen.
Miß Chester antwortete ihr: „Sie hat mir und Sir
Charles versprochen, uns einen langen Besuch abzustatten",
und Henry's fragenden Blick bemerkend, erklärte sie kurz:
„im Januar werden wir Hochzeit halten, natürlich können
wir auf Ihre Gegenwart zählen!"
Als Lister das Zimmer verließ, begegnete er Wilson,
mit einem Briefe in der Hand, welchen er im Begriffe
war in die Tasche zu werfen, die der Postbote jeden Abend
abholte. Die Aufschrift zufällig bemerkend, las er: Dr. Ward.
„Wie, er wird doch nicht hierher berufen", fragte er
erstaunt. „Seine Hilfe ist nicht mehr nöthig, hoffentlich?
„O nein", lachte der Andere, „aber ich habe ihm
bei seiner Abreise versprechen müssen, ihm jeden Tag Nach-
richt über die gnädige Frau zukommen zu lassen, damit
er auf das erste Zeichen einer ungünstigen Wendung der
Dinge sofort herbeieilen könnte."
Auch Henry, der wußte, daß der Arzt Lady Trevor
schon vor ihrer Verheirathung gekannt, glaubte nun zu er-
rathen, warum ersterer immer noch Junggeselle war. An
jenem Tage erzählte ihm auch Dolly, was sie seither auf

den Wunsch ihrer Freundin ihm nicht mitgetheilt hatte,
von dem Unfall, der dieselbe in der ersten Nacht seiner
Ankunft betroffen hatte. Frau Wilson hatte ihr ihn auf-
geklärt. Lord Trevor, der damals in den abgelegenen
Gemächern gehalten werden mußte, war es gelungen,
seinem Aufseher zu entschlüpfen, ohne jedoch glücklicher
Weise in den Besitz einer Waffe sich setzen zu können. Er
war in das Schlafzimmer seiner Frau geeilt, die bei seinem
Eintritt erwachte und seine mörderische Abficht erkennend,
einen fürchterlichen Schrei ausgestoßen hatte. Dieser Schrei
hatte den alten Diener, welcher seinen Herrn schon suchte,
auf die richtige Spur gebracht, und ehe noch der Unglück-
liche, der mit den Händen die Daliegende zu erwürgen
suchte, ihr wirklichen Schaden zufügen konnte, war er von
Wilson und dessen ebenfalls herbeigestürzter Frau über-
wältigt worden. Dolly's schöne Augen wurden feucht,
als sie der Gefahr dachte, in der ihre gütige Gebieterin
geschwebt, und auch Henry, der das Schicksal seines Bru-
ders kannte, konnte sich eines Schauders nicht erwehren-
„Dolly", sagte er dann, den Arm um sie schlingend
und ihren Kopf an seine Schulter pressend, „nicht wahr,
eine kleine Villa an den Ufern der Themse, ist doch dem
alten, großartigen, gespenstererfüllten Schloß Trevor vor-
zuziehen ?"

Monate sind vergangen und der Frühling ist in's
Land gezogen. Selbst in London, der Riesenstadt hat er
sich den Eintritt nicht verwehren wollen lassen, seiner
Macht hat sich der hartnäckige Winter, haben sich die
rauhen Ostwinde, der gelbe Nebel beugen müssen. Heute
hat die Sonne in die düstersten, engsten Gassen zu lugen
versucht, sie hat auch das stille Bureau in der City er-
hellt, in dem Henry Lister sich vergeblich bemüht, den
trockenen Acten die verlangte Aufmerksamkeit zu widmen.
Mit einem Lächeln der Befriedigung hört er die Glocke
vier schlagen und noch nie wohl hat er so eilig seine
Papiere verschlossen und seinen Schreibern die nöthigen
 
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