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Hugo Helbing <München> [Hrsg.]
Porzellane, Gobelins, Teppiche, Metallarbeiten, Gemälde alter und neuerer Meister, Möbel und anderes aus der Sammlung Georg Hirth: 1916 ; [Versteigerung: in München in der Galerie Helbing, Dienstag, den 28. November 1916 und folgende Tage] (Band 1): Text — München, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.23852#0016
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verlegte Geschichte der „Modernen Malerei" von Muther neue Bahnen gewiesen
hat, so hat er in seinem „Formenschatz" und im „Deutschen Zimmer der
Renaissance" schon vor fast vierzig Jahren der wilden Nachahmung der alten
Stile, wie sie damals Mode war, ein Ziel gesetzt und die klassischen Vorbilder
in trefflichen Nachbildungen den weitesten Kreisen zugänglich gemacht.

Die Freude an der Kunst und das Bedürfnis, sie durch Wort und Tat zu
fördern, hat ihn in München alsbald auch zum Sammler gemacht. Bot doch
damals München, in den ersten Jahrzehnten nach dem deutsch-französischen Kriege,
die beste Gelegenheit dazu; Hirth hat sie gründlich und aufs glücklichste aus-
genutzt. Als der junge Invalide von 1866 nach München übersiedelte, war
Renaissance höchster Trumpf; hatte doch Lorenz Gedon mit dem deutschen
Gemäldesaal auf der Pariser Ausstellung 1879, den er mit seiner schwerfälligen
Dekoration im Renaissancestil ausgestattet hatte, noch den grössten Erfolg. Hirth
stand der Renaissancekunst keineswegs fern — es stand ihm überhaupt nichts, was
echt künstlerisch war, fern —, aber eine spätere Richtung der Kunst zog ihn
persönlich stärker an, die Kunst des 18. Jahrhunderts. Kaum jemand achtete
ihrer damals in München, und doch war noch ganz München und Süddeutschland
überhaupt voll von ihren Werken; bei jedem Tandler, auf der Dult selbst kaufte
man die reizvollsten Arbeiten um wenige Mark. Hirth nutzte jede freie Stunde
zum Sammeln; er war bald umgeben von Möbeln und Einrichtungsgegenständen
aller Art. Dabei trieb ihn sein wissenschaftlicher Sinn, je mehr er sich durch
seine Studien und Veröffentlichungen in diese Zeit vertiefte, mehr und mehr zum
systematischen Sammeln. So wurde er zum leidenschaftlichsten und glücklichsten
Sammler namentlich des deutschen Porzellans, vor allem der Porzellanfigürchen,
der reizvollsten und kokettesten Gattung der neueren Kleinplastik, wie er als
erster richtig erkannt hat. So leidenschaftlicher Sammler wurde er, dass ihm seine
Sammlungen schliesslich über den Kopf wuchsen, dass sein schönes Heim mit
Kunstwerken ganz überfüllt wurde und daher mehr einem grossen Kunstmagazin
als einer Wohnung glich. Stets rasch und grosszügig in seinen Entschlüssen
und noch jung und jugendlich genug, um von neuem sammeln zu können, brachte
er das Opfer, einen grossen Teil seines Kunstbesitzes [898 in München öffentlich
zur Versteigerung zu bringen. Aber wie immer, so wusste er auch hier das Opfer
zugleich für Kunst und Wissenschaft auszunutzen, indem er von seinen Sammlungen
einen aufs reichste und geschmackvollste ausgestatteten Katalog herstellte. Den
 
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