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Koch, Alexander [Editor]; Hessische Landesausstellung für Freie und Angewandte Kunst <1908, Darmstadt> [Editor]; Städtisches Ausstellungsgebäude auf der Mathilden-Höhe <Darmstadt> [Editor]
Hessische Landes-Ausstellung Darmstadt 1908: [23. Mai bis Ende Oktober] — Darmstadt, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.24093#0032
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kunstgewerblichen Gebieten Ehre gemacht hatten, hielten ihre Fabriken den wachsenden Erfolgen der
in Darmstadt angesiedelten schöpferischen Kräfte länger verschlossen. Eigene Lehrwerkstätten wurden
der Künstlerkolonie angegliedert. Das Schloß beherbergt einen besonderen Zweig der Glastechnik,
als Eigentümer der inzwischen gegründeten Keramischen Manufaktur trat der Landesherr selbst in
die Reihen der Gewerbetreibenden.

Wie sehr sich die Verhältnisse gewandelt haben, ergab vor drei Jahren die Aufnahme des
Planes einer allgemeinen Landesausstellung, die einen Überblick über unser nunmehriges Können
ermöglichen sollte. Gegen früher bot sich ein völlig anderes Bild. Ein immerhin nur kleiner Kreis
von Fabrikanten und Handwerkern war 1901 dem ergangenen Rufe gefolgt. Das Ernst-Ludwigs-
haus und die Künstlerhäuser hatten für das Gebotene ausgereicht. Schwere finanzielle Opfer waren
nötig geworden und liegen die Unmöglichkeit wiederholter größerer Versuche in der Zukunft befürchten.

Und heute? Auch unser Unternehmen beruht auf der Grundlage der Freigebigkeit Eurer König-
lichen Hoheit. Abermals haben sich private Förderer gefunden. Mächtige Stützen aber sind ihm
" durch das helfende Eingreifen von Stadt und Staat erwachsen. Ein würdigeres Heim als in den
stolzen von der Stadt erbauten Hallen konnte der Ausstellung nicht werden. Weitsichtig deren Be-
^ deutung für die Zukunft würdigend, haben beide Kammern der Landstände einmütig die Vorschläge
gebilligt, mit denen die Grogherzogliche Staatsregierung die finanzielle Durchführbarkeit des Planes
glaubt gewährleisten zu können. In den beiden Hauptgebäuden und den zur Ausstellung neuerdings
erstandenen Häusern werden dem Besucher weit über 100 Räume geöffnet, die zu errichten und aus-
zustatten sich bei 50 Architekten und 300 gewerbliche Aussteller aus allen Teilen des Grogherzog-
tums vereinigt haben.

Ein so geartetes Werk kann mit vollstem Recht den Namen einer Hessischen Landesausstellung
beanspruchen. Dieser ihr besonderer Charakter wird aber noch durch anderes bedingt.

Das eine ist der Umstand, dag wir neben der angewandten auch die freie hessische Kunst
zeigen können. Deutsche Malerei, Plastik und Architektur zählten bereits längst Namen von bestem
Klang, die wir mit Stolz die unseren nennen durften. Für unsere Arbeit dürfen wir nicht vergessen,
wie eng verwandt Kunst und Kunstgewerbe sind. Nicht immer und überall gleich deutlich zeigt sich
ihr unlösbarer Zusammenhang, er ist aber darum nicht weniger vorhanden. So ergab es sich fast
von selbst, auch die Meister und Jünger der hohen Kunst zu gemeinsamem Vorgehen aufzurufen. Weit
über Erwarten haben sie sich hierzu entschlossen. Diese Säle sind ebenso wie zahlreiche Räume der
eigentlichen Ausstellungsbauten mit den Werken von nahezu 100 Künstlern geziert, deren Tätigkeit der
Zeit Grogherzog Ernst Ludwigs angehört, und die in ihrer Art Hessen geblieben oder geworden sind
oder Hessens Land und Leute uns schildern. Kaum je zuvor wird in einer deutschen Kunstausstellung
der heimatliche Einschlag in derselben Stärke und Reinheit zum Ausdruck gekommen sein.

Wenn wir in das Freie hinaustreten und lassen das zauberhafte Bild der umgebenden Frühlings-
landschaft auf uns wirken, dann vergegenwärtigen wir uns, wie auf den Bergen die Himmelskräfte
sich sammeln, die in der Quelle niederspringen, um in den Talgründen Segen und Wohlfahrt zu
spenden. Eine solche Quelle lägt unser Empfinden uns in der hohen Kunst sehen, wenn wir aus ihren
Hallen hinabsteigend gewahr werden, wie in den gleichsam unter ihrem Schutze ausgebreiteten Bauten
für angewandte Kunst Geist und Fleig eingesetzt worden ist, unser äugeres Leben geschmackvoll und
vornehm zu erfassen. In weitestem Umfange finden wir das Bemühen, die uns umgebenden Gegen-
stände des Gebrauchs in Zweckmäßigkeit und sinniger Schönheit so mannigfaltig zu formen, wie wir
sie nach ihren höheren oder niederen Zwecken für unser Dasein werten. Das gilt nicht nur von den
tausend Dingen, die der Wohnkunst und dem täglichen Gebrauch im engeren Wortsinn dienen, von
Möbeln und Stoffen, von Hausrat und Schmuck. Das Gesagte gilt vielmehr vor allem von der Bau-
kunst und den Formen, die sie uns für alle Aufgaben und Tätigkeiten der heimischen Kultur unserer
Tage bietet: für die Pflege heiterer Geselligkeit und ernster Wissenschaft, ebenso wie für die Pflege
des Geistes.und des Körpers, des Glaubens und des Rechts. Dag das Recht auf eigene Kunst unserer
Zeit mit liebevollem Bewahren des von den Vätern Ererbten gerade hier wohl vereinbart ist, wird die
Architekturabteilung besonders erweisen. Und ebenso dürfen wir rühmen, dag der Drang, Schönes
und Zweckmägiges in unserem Leben zu vereinigen, nicht vorübergegangen ist an den Unterschieden
im wirtschaftlich und sozial Möglichen. Er hat sich nicht blog versucht am reichen Prunkraum, j
sondern nicht minder am Heim des schlichten Arbeiters. Wird endlich hervorgehoben, wie der Staat
durch zahlreiche Aufträge für bestimmte Zwecke aus Anlag der Ausstellung das Bewußtsein seiner
Pflicht dargetan hat, das heimische Gewerbe zu unterstützen, so können wir auch unter diesen Gesichts-
punkten in Wahrheit von einer Landesausstellung sprechen.
 
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