DIE GESCHICHTE VON JOACHIM UND ANNA
IN DER ARENAKAPELLE ZU PADUA
I.
In der oberitalienischen Stadt Padua, an der Stelle eines nur
noch in spärlichen Trümmern erhaltenen römischen Theaters,
steht eine kleine gotische Kirche, die der Madonna Annunziata,
der Maria der Verkündigung, geweiht ist und gewöhnlich nach
ihrem Standort Cappella dell’Arena genannt wird; das Innere
ist ganz und gar mit Fresken Giottos geschmückt. Da von den
zahlreichen Werken des großen Florentiner Malers und Zeit-
genossen Dantes die meisten im Laufe der Jahrhunderte durch
die Ungunst der Zeiten und den Unverstand der Menschen
zugrunde gegangen sind - auch der Arena hat noch 1830 das
Schicksal gedroht, abgerissen zu werden -, sind diese Fresken
in Padua für uns heute Giottos kostbares Hauptwerk, das
schon durch den Umfang des Zyklus uns die reichsten Ein-
blicke in das Wesen des Künstlers gewährt. Sie werden in den
Jahren 1305/06 fertig gewesen sein, als Giotto etwa dreißig
Jahre alt war, während die stark restaurierten Fresken in
Sta. Croce in Florenz und das herrliche Altarbild der thronen-
den Madonna au§ der Kirche Ognissanti, das sich jetzt in den
Uffizien befindet, später, z.T. wohl sogar erheblich später
gemalt wurden. Sonst läßt sich - abgesehen von dem ganz
veränderten Mosaik der „Navicella“ in der Vorhalle von
St. Peter in Rom - nichts mit Sicherheit dem Künstler zu-
schreiben; vor allem sind die Fresken der Franz-Legende in
der Oberkirche zu Assisi stark umstritten.
Mit Giotto beginnt in der italienischen Malerei eine neue
Epoche; sie hat schließlich für das ganze Abendland Bedeutung
erlangt. Der Kunst historiker, der die Arenakapelle betritt,
ist sich bewußt, an einer der wichtigsten Stätten des euro-
päischen Geistes zu stehen. Aber diese Erwägung ist nicht
das erste, was uns beschäftigt, oder sollte es doch nicht sein.
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IN DER ARENAKAPELLE ZU PADUA
I.
In der oberitalienischen Stadt Padua, an der Stelle eines nur
noch in spärlichen Trümmern erhaltenen römischen Theaters,
steht eine kleine gotische Kirche, die der Madonna Annunziata,
der Maria der Verkündigung, geweiht ist und gewöhnlich nach
ihrem Standort Cappella dell’Arena genannt wird; das Innere
ist ganz und gar mit Fresken Giottos geschmückt. Da von den
zahlreichen Werken des großen Florentiner Malers und Zeit-
genossen Dantes die meisten im Laufe der Jahrhunderte durch
die Ungunst der Zeiten und den Unverstand der Menschen
zugrunde gegangen sind - auch der Arena hat noch 1830 das
Schicksal gedroht, abgerissen zu werden -, sind diese Fresken
in Padua für uns heute Giottos kostbares Hauptwerk, das
schon durch den Umfang des Zyklus uns die reichsten Ein-
blicke in das Wesen des Künstlers gewährt. Sie werden in den
Jahren 1305/06 fertig gewesen sein, als Giotto etwa dreißig
Jahre alt war, während die stark restaurierten Fresken in
Sta. Croce in Florenz und das herrliche Altarbild der thronen-
den Madonna au§ der Kirche Ognissanti, das sich jetzt in den
Uffizien befindet, später, z.T. wohl sogar erheblich später
gemalt wurden. Sonst läßt sich - abgesehen von dem ganz
veränderten Mosaik der „Navicella“ in der Vorhalle von
St. Peter in Rom - nichts mit Sicherheit dem Künstler zu-
schreiben; vor allem sind die Fresken der Franz-Legende in
der Oberkirche zu Assisi stark umstritten.
Mit Giotto beginnt in der italienischen Malerei eine neue
Epoche; sie hat schließlich für das ganze Abendland Bedeutung
erlangt. Der Kunst historiker, der die Arenakapelle betritt,
ist sich bewußt, an einer der wichtigsten Stätten des euro-
päischen Geistes zu stehen. Aber diese Erwägung ist nicht
das erste, was uns beschäftigt, oder sollte es doch nicht sein.
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