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Hetzer, Theodor; Giotto; Giotto [Ill.]
Giotto di Bondone - die Geschichte von Joachim und Anna — Der Kunstbrief, Band 33: Berlin: Verlag Gebr. Mann, 1946

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Boccaccio, das Dekameron. Die 5. Geschichte des 6. Tages
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https://doi.org/10.11588/diglit.55557#0041
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BOCCACCIO, DAS DEKAMERON
Die 5. Geschichte des 6. Tages
Meister Giotto, der Maler, und Messer Forese da Rabatta
machen sich auf dem Heimwege vom Mugello gegenseitig
über ihr schäbiges Aussehen lustig.
Giovanni di Boccaccio (geboren 1313 in Paris, gestorben 1375 in
Florenz), Sohn eines Florentiners und einer Französin, lebte zu
einer Zeit, da die Erinnerung an Giotto und seinen sprichwörtlichen
Witz noch unmittelbar lebendig war. Man darf, daher den einzelnen
Zügen, die er von Giotto berichtet, einen gewissen dokumentarischen
Wert beilegen. Übersetzung von Albert Wesselski.
Die Antwort Chichibios hatte den Damen viel Vergnügen
gemacht; als dann Neifile schwieg, begann auf den Wunsch
der Königin Panfilo und sprach: So wie Fortuna, meine teuren
Damen, oft unter einem niedrigen Handwerk die größten
Schätze der Tugend verbirgt, wovon uns kurz vorher Pam-
pinea ein Beispiel gegeben hat, so findet sich auch oft, daß die
Natur die wundersamsten Geistesgaben in Menschen von ab-
scheulicher Mißgestalt gelegt hat; das zeigt sich deutlich an
zwei unsrigen Mitbürgern, von denen ich kurz erzählen will.
Der eine, Messer Forese da Rabatta genannt, der klein und
ungestalt war und ein so glattes stumpfnasiges Gesicht hatte,
daß es den häßlichsten von den Baronci verunstaltet hätte,
war also erfahren in den Gesetzen, daß er bei vielen wackern
Männern als ein Schrein der Rechtsgelehrsamkeit galt. Der
andere, Giotto mit Namen, hatte einen Geist von solcher Er-
habenheit, daß unter allen Dingen, die die Mutter Natur unter
dem Kreisläufe der Himmel erzeugt, nicht ein einziges war,
das er nicht mit Griffel und Feder und Pinsel so getreu ab-
gebildet hätte, daß sein Werk nicht das Bild des Gegen-
standes, sondern der Gegenstand selbst zu sein schien, so
daß es bei seinen Werken sehr oft vorkam, daß der Gesichts-
sinn der Menschen irrte und das für wirklich hielt, was nur
gemalt war. Und weil er die Kunst, die viele Jahrhunderte >

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