Man kann - und wir haben es selbst getan - Plastik und
Räumlichkeit Giottos der älteren Malerei entgegensetzen, die
im Flächigen und unbestimmt Räumlichen verharrt. Man darf
indessen darüber nicht übersehen, daß die Malerei immer eine
Kunst der Fläche bleibt und nur dann groß und mit sich selbst
in Übereinstimmung ist, wenn sie der Fläche gemäß gestaltet.
Nun hat nicht nur im einzelnen, sondern auch im ganzen jedes
Fresko Giottos eine neue Festigkeit; zum Gewichtigen der
Körper gesellt sich das Entschiedene und geometrisch Geklärte
der Fläche. Wie Giotto die ganze Mauer der Arenakapelle
durch ein Gerüst der Grundrichtungen, durch ein Koordinaten-
netz gliedert, so sprechen auch in den einzelnen Fresken die
Grundrichtungen vernehmlich mit, und dieses Lineare ver-
bindet sich mit dem Perpendikulären der Körper. Ebenso
greifen die Gefüge der geometrischen Muster in den breiten
Ornamentstreifen, die die Bilder voneinander trennen, auf
diese gleichsam über und verbinden sich mit dem Leben, dem
Organischen der Figuren. Die Bedeutung des Ornaments bei
Giotto wird meist viel zuwenig gewürdigt, man sollte die
Bilder stets im Zusammenhang damit sehen. Zu den monu-
mentalen feierlich ruhigen Grundrichtungen treten verspan-
nend, zentralisierend, belebend die Diagonalen. In manchen
Fresken, wie dem „Traum Joachims“, wird die Handlung
völlig durch die eine Diagonale bestimmt. Mit der großen, das
Bild durchquerenden Achse dringt die Verkündung des Engels
in Joachim ein. Hier zeigt sich auch, wie sehr planimetrisch-
lineare Gliederung und lebendige organische Bewegung bei
Giotto eins werden. Der Engel erscheint im Gegensatz zum
plastisch Gedrängten Joachims ganz in der Fläche ausgebrei-
tet und in reiner Seitenansicht. Die geistige, vor allem im
Blick ausstrahlende Kraft wird zur unsichtbaren Linie, die
von einer Figur zur anderen Beziehung bewirkt. Es ist| etwas
ganz Neues, wie Giotto diese unsichtbaren Blicklinien an der
Gestaltung teilhaben läßt, wie sie sich mit den sichtbaren
Linien der Bildgliederung, den Umrissen und Falten der
Figuren, den Grenzen der Gebäude verbinden. Ebenso neu
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Räumlichkeit Giottos der älteren Malerei entgegensetzen, die
im Flächigen und unbestimmt Räumlichen verharrt. Man darf
indessen darüber nicht übersehen, daß die Malerei immer eine
Kunst der Fläche bleibt und nur dann groß und mit sich selbst
in Übereinstimmung ist, wenn sie der Fläche gemäß gestaltet.
Nun hat nicht nur im einzelnen, sondern auch im ganzen jedes
Fresko Giottos eine neue Festigkeit; zum Gewichtigen der
Körper gesellt sich das Entschiedene und geometrisch Geklärte
der Fläche. Wie Giotto die ganze Mauer der Arenakapelle
durch ein Gerüst der Grundrichtungen, durch ein Koordinaten-
netz gliedert, so sprechen auch in den einzelnen Fresken die
Grundrichtungen vernehmlich mit, und dieses Lineare ver-
bindet sich mit dem Perpendikulären der Körper. Ebenso
greifen die Gefüge der geometrischen Muster in den breiten
Ornamentstreifen, die die Bilder voneinander trennen, auf
diese gleichsam über und verbinden sich mit dem Leben, dem
Organischen der Figuren. Die Bedeutung des Ornaments bei
Giotto wird meist viel zuwenig gewürdigt, man sollte die
Bilder stets im Zusammenhang damit sehen. Zu den monu-
mentalen feierlich ruhigen Grundrichtungen treten verspan-
nend, zentralisierend, belebend die Diagonalen. In manchen
Fresken, wie dem „Traum Joachims“, wird die Handlung
völlig durch die eine Diagonale bestimmt. Mit der großen, das
Bild durchquerenden Achse dringt die Verkündung des Engels
in Joachim ein. Hier zeigt sich auch, wie sehr planimetrisch-
lineare Gliederung und lebendige organische Bewegung bei
Giotto eins werden. Der Engel erscheint im Gegensatz zum
plastisch Gedrängten Joachims ganz in der Fläche ausgebrei-
tet und in reiner Seitenansicht. Die geistige, vor allem im
Blick ausstrahlende Kraft wird zur unsichtbaren Linie, die
von einer Figur zur anderen Beziehung bewirkt. Es ist| etwas
ganz Neues, wie Giotto diese unsichtbaren Blicklinien an der
Gestaltung teilhaben läßt, wie sie sich mit den sichtbaren
Linien der Bildgliederung, den Umrissen und Falten der
Figuren, den Grenzen der Gebäude verbinden. Ebenso neu
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