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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0026
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die französische und englische zu studiren, kann vielfachen Nutzen, auch für seine Kunst,
daraus schöpfen.

XL Die Philosophie, die Musik, die Arzneykunde, die Rechtslehre, die Sternkunde:
Diese Wissenschaften betrachtet Vitruv als Theile, worin der Architekt unterrichtet seyn
soll. Da aber diese Kenntnisse nur in einer sehr entfernten Beziehung mit der Baukunst
stehen; so würden wir mit Recht befürchten, den Baumeister von seinen wesentlichem Stu-
dien abzuziehen, wenn wir unsere Forderungen an ihn so weit treiben wollten.

Unter Philosophie begreifet Vitruv hauptsächlich die Sittenlehre, die der Architekt des-
wegen erlernen soll, um die Güter des Lebens gehörig zu würdigen, damit ihn nicht Eigen-
nutz, sondern hauptsächlich Ehre und Liebe zur Kunst bey den übernommenen Bauen leite.
Ein hochgesinnter und rechtlicher Mann mufs allerdings der wahre Baumeister seyn, weil es
nicht leicht ein anderes bürgerliches Geschäft giebt, wo es leichter wäre, sich zum Nachtheil
anderer zu bereichern, als eben das des Architekten.

Das Studium der Musik ist dem heutigen Baumeister um so weniger nöthig, da er sich
in der Physik über die Lehre von der Wirkung des Schalles, deren er allerdings bey der
Anlage mancher Gebäude bedarf, hinreichend unterrichten kann. Und obwohl die Musik
den Sinn für alles Rhythmische schärft; so steht doch das Rhythmische der Töne mit dem
der Formen, über welches der Baumeister zu wachen hat, in einer zu entfernten Beziehung,
um deswegen dem Architecten das Erlernen der Tonkunst zur Pflicht zu machen.

Dafs der Architekt sich Kenntnisse von der Heilkunde verschaffe, wird wol Niemand
fordern. Indessen wäre es wichtig, dafs dasjenige, was auf die gesunde Lage und Einrich-
tung mancher Gebäude Bezug hat, für die Architekturschulen besonders gesammelt und die
Gesundheitspolizey dahin gehalten würde, zu wachen, dafs nicht dagegen gehandelt würde.
Hierher gehört z. B. die Wahl eines gesunden Lokales, die Einrichtung der Krankenhäuser,
Lazarethe, Findelhäuser, Gefängnisse u. s. w.; ferner das Verbot in Kellergeschossen und feuch-
ten Orten zu wohnen; die Festsetzung der Zeit, wo ein neugebautes Haus ohne Gefahr be-
wohnt werden kann, und dergleichen.

Eine ähnliche Bewandnifs hat es mit dem Studium der Rechtslehre für den Architek-
ten. Jeder Staat und jeder Ort mufs seine besondern Bauverordnungen haben. Auch diese
sollten besonders gesammelt und ihr Studium in den Bauschulen eingeführt seyn; damit im
Vergehungsfalle die Strafe mehr auf den Baumeister als auf den Eigenthümer des Baues fiele.
Die Kenntnifs des Himmels war dem Architekten bey den Alten deswegen nöthig, weil
ihm auch der Bau der Sonnenuhren u. s. w. oblag.

XII. In Rücksicht der Kriegs- und der Schiffbaukunst wollen wir blofs bemerken, dafs
diese Fächer einzeln so ausgedehnte Wissenschaften geworden sind, und dafs sie in ihren
Grundsätzen so weit von der bürgerlichen Baukunst abweichen, dafs jede dieser drey Künste
ihren Mann einzeln hinreichend beschäftigt. Früher sah man Architekten, die sich nebenbey
mit dem Kriegsbau befafsten, und in den neuern Zeiten geschah es nicht selten, dafs man
Kriegsbaumeistern Civilbaue übertrug; aber die Erfahrung hat immer gezeigt, dafs dies nie
ohne Nachtheil für beide so weit von einander abweichende Künste geschah. Der Vortheil
dieser Künste gebietet, dafs ihre Grenzen genau geschieden bleiben. Auch wird der wahre
Baukünstler, sey es in dem einen oder in dem andern Fache, diese Schranken nie zu durch-
brechen geneigt seyn.

(j. 4. Wir betrachten nun den Endzweck der Baukunst. Dieser ergiebt sich aus der
physischen und geistigen Anlage des Menschern Das Bauen ist für ihn ein ursprüngliches
Bedürfnifs. Er mufs sich gegen die Veränderlichkeit der Witterung und der Jahreszeiten
schützen; er bedarf der Sicherheit für seine Person und seine Habe gegen den Anfall schäd-
licher Thiere, so wie gegen die feindlichen Ueberfälle der Wesen seines Gleichen. Ehe der

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