14 —
ist zwar mühsamer für den Baumeister, aber desto bequemer für den Bauhandwerker, da er
durch keine schwierigen Brüche verwirrt, viel genauer arbeiten kann.
Soviel über den Modul, oder die Art des Messens, wodurch man die Verhältnisse der
Theile und der Glieder unter einander und zu einem Ganzen zu bestimmen pflegt. Aber
dies ist nicht genug; man mufs auch das Verhältnils des Moduls zu einem fixen, allgemein
angenommenen, Mafsstab festsetzen. Dieser ist bald die Elle, bald der Fufs, oder der Palm,
mit den Unterabtheilungen. Es ist daher wesentlich dahin zu sehen, dafs diese als fixe Mafs-
stäbe in einem Lande überall dieselben seyen.
Nach diesen vorläufigen Bemerkungen fragt sich nun: auf welchen Gründen die richti-
gen Verhältnisse eines Baues beruhen? — Denn gewifs können dieselben nicht das Werk der
Willkühr und des blinden Zufalls seyn.
Die richtigen Verhältnisse sind das Produkt mehrerer Rücksichten, die in die Wesenheit
der Baukunst eingreifen. Das Gröfsenmafs der Theile zu einander und zum Ganzen wird
theils durch das Erfordernifs der Festigkeit, theils durch die zur Bequemlichkeit erforderliche
Anlage, theils durch die Wirkung, welche man bey einem Baue beabsichtigt, begründet.
Demnach müssen erstlich die Verhältnisse dem Mechanismus einer festen Construction ent-
sprechen. Dieser kann aber nach dem Material, nach der Constructionsweise und nach der
Gröfse des Baues bedeutende Modificationen erleiden. Andere Verhältnisse erlaubt der Bau
in Holz, andere erfordert der Steinbau, u. s. w. Zweytens müssen sich die Verhältnisse nach
der individuellen Bestimmung eines Baues richten. Hiebey kommen hauptsächlich die Ver-
hältnisse der Räume, als Länge, Breite und Höhe in Betracht, und zwar nicht blofs der ein-
zelnen Abtheilungen für sich, sondern auch die Raumverhältnisse derselben zu einander und
zum Ganzen. So erfordert z. B. beym Tempelbaue nicht blofs die Zelle gute Verhältnisse
für sich, sondern die Vor- und Nachzelle und der Säulengang im Aeufsern umher fordern,
jedes einzeln für sich, dasselbe. Aber dies ist nicht genug: alle diese Tempelabtheilungen
wollen auch zu einander ein schickliches Verhalten haben, und zugleich dem Ganzen, das ist,
dem Totaleindruck, den der Bau hervorbringen soll, entsprechen. Klima, Gebräuche und Sit-
ten können indessen manches bey den Raumverhältnissen modificiren. Wärmere Himmel-
striche erfordern höhere und geräumigere Abtheilungen, und gröfsere Luftöffhungen; in käl-
tern hingegen sind kleinere, und im Verhältnifs niedrigere und mehr geschlossene Abtheilun-
gen dem Bedürfnifs mehr angemessen u. s. w. Drittens behaupten auch die Gesetze der
sinnlichen Anschauung einen wesentlichen Antheil an den Modificationen des Verhältnifs-
mafses. Jeder Bau machet einen in seiner Art eigenen Eindruck auf das Sehorgan. Das
Starke und Massive erwecket Ernst, das Leichte und Schlanke giebt Heiterkeit, das Geräu-
mige mit gehöriger Höhe machet frey, das Niedrige hingegen beklommen, u. s. w. Der Ar-
chitekt mufs sich daher frühzeitig im Sehen üben, und die Gesetze der Optik in Hinsicht
der Verhältnisse sowohl der einzelnen Baukörper, als der Räume sich sorgfältig anzueignen
suchen. So scheint z. B. ein Raum desto schmaler, je länger er ist; je gröfser der Umfang
des Raumes, desto weniger erscheint die Höhe; je höher aber ein Bau ist, desto weniger
gewahrt das Auge den Raum in Breite und Länge; je niedriger hingegen, desto mehr dehnt
sich der Raum in die Breite. Weiter: so kommt uns eine Säule auf der Ecke dünner vor,
als in der Mitte, und dicker scheinen die Säulen in engen und eingeschlossenen Räumen,
als im Aeufsern und Freyen; je entfernter und höher ein Gegenstand vom Auoe gestellt ist,
desto flacher und kleiner erscheint er demselben, u. s. w.
Der Architekt mufs also das Auge zu befriedigen trachten. Er mufs den Schein mit in
den Kalkül bringen, und bey jeder Bauanlage die Raum- und Constructionsverhältnisse dar-
nach einrichten; sonst wird der Bau weder nach dem Ganzen, noch nach seinen Theilen
die Wirkung auf das Gefühl machen, die er der Absicht gemäfs erregen sollte. Soviel im
ist zwar mühsamer für den Baumeister, aber desto bequemer für den Bauhandwerker, da er
durch keine schwierigen Brüche verwirrt, viel genauer arbeiten kann.
Soviel über den Modul, oder die Art des Messens, wodurch man die Verhältnisse der
Theile und der Glieder unter einander und zu einem Ganzen zu bestimmen pflegt. Aber
dies ist nicht genug; man mufs auch das Verhältnils des Moduls zu einem fixen, allgemein
angenommenen, Mafsstab festsetzen. Dieser ist bald die Elle, bald der Fufs, oder der Palm,
mit den Unterabtheilungen. Es ist daher wesentlich dahin zu sehen, dafs diese als fixe Mafs-
stäbe in einem Lande überall dieselben seyen.
Nach diesen vorläufigen Bemerkungen fragt sich nun: auf welchen Gründen die richti-
gen Verhältnisse eines Baues beruhen? — Denn gewifs können dieselben nicht das Werk der
Willkühr und des blinden Zufalls seyn.
Die richtigen Verhältnisse sind das Produkt mehrerer Rücksichten, die in die Wesenheit
der Baukunst eingreifen. Das Gröfsenmafs der Theile zu einander und zum Ganzen wird
theils durch das Erfordernifs der Festigkeit, theils durch die zur Bequemlichkeit erforderliche
Anlage, theils durch die Wirkung, welche man bey einem Baue beabsichtigt, begründet.
Demnach müssen erstlich die Verhältnisse dem Mechanismus einer festen Construction ent-
sprechen. Dieser kann aber nach dem Material, nach der Constructionsweise und nach der
Gröfse des Baues bedeutende Modificationen erleiden. Andere Verhältnisse erlaubt der Bau
in Holz, andere erfordert der Steinbau, u. s. w. Zweytens müssen sich die Verhältnisse nach
der individuellen Bestimmung eines Baues richten. Hiebey kommen hauptsächlich die Ver-
hältnisse der Räume, als Länge, Breite und Höhe in Betracht, und zwar nicht blofs der ein-
zelnen Abtheilungen für sich, sondern auch die Raumverhältnisse derselben zu einander und
zum Ganzen. So erfordert z. B. beym Tempelbaue nicht blofs die Zelle gute Verhältnisse
für sich, sondern die Vor- und Nachzelle und der Säulengang im Aeufsern umher fordern,
jedes einzeln für sich, dasselbe. Aber dies ist nicht genug: alle diese Tempelabtheilungen
wollen auch zu einander ein schickliches Verhalten haben, und zugleich dem Ganzen, das ist,
dem Totaleindruck, den der Bau hervorbringen soll, entsprechen. Klima, Gebräuche und Sit-
ten können indessen manches bey den Raumverhältnissen modificiren. Wärmere Himmel-
striche erfordern höhere und geräumigere Abtheilungen, und gröfsere Luftöffhungen; in käl-
tern hingegen sind kleinere, und im Verhältnifs niedrigere und mehr geschlossene Abtheilun-
gen dem Bedürfnifs mehr angemessen u. s. w. Drittens behaupten auch die Gesetze der
sinnlichen Anschauung einen wesentlichen Antheil an den Modificationen des Verhältnifs-
mafses. Jeder Bau machet einen in seiner Art eigenen Eindruck auf das Sehorgan. Das
Starke und Massive erwecket Ernst, das Leichte und Schlanke giebt Heiterkeit, das Geräu-
mige mit gehöriger Höhe machet frey, das Niedrige hingegen beklommen, u. s. w. Der Ar-
chitekt mufs sich daher frühzeitig im Sehen üben, und die Gesetze der Optik in Hinsicht
der Verhältnisse sowohl der einzelnen Baukörper, als der Räume sich sorgfältig anzueignen
suchen. So scheint z. B. ein Raum desto schmaler, je länger er ist; je gröfser der Umfang
des Raumes, desto weniger erscheint die Höhe; je höher aber ein Bau ist, desto weniger
gewahrt das Auge den Raum in Breite und Länge; je niedriger hingegen, desto mehr dehnt
sich der Raum in die Breite. Weiter: so kommt uns eine Säule auf der Ecke dünner vor,
als in der Mitte, und dicker scheinen die Säulen in engen und eingeschlossenen Räumen,
als im Aeufsern und Freyen; je entfernter und höher ein Gegenstand vom Auoe gestellt ist,
desto flacher und kleiner erscheint er demselben, u. s. w.
Der Architekt mufs also das Auge zu befriedigen trachten. Er mufs den Schein mit in
den Kalkül bringen, und bey jeder Bauanlage die Raum- und Constructionsverhältnisse dar-
nach einrichten; sonst wird der Bau weder nach dem Ganzen, noch nach seinen Theilen
die Wirkung auf das Gefühl machen, die er der Absicht gemäfs erregen sollte. Soviel im