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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0110
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liegt uns nur ob, diese Gegenstände nach allen ihren Ansichten ausführlich zu behandeln.
Der Kürze und der Deutlichkeit wegen wollen wir jeden Haupttheil des Gebälkes nach sei-
ner Bestimmung, und nach seinen Abänderungen, welche die Verschiedenheiten der Bauar-
ten erfordern, insbesondere aufführen.

■■■fr

Von dem Hauptbalken im Allgemeinen.

§ 2. Der Hauptbalken ist derjenige Bautheil, welcher unmittelbar über den Kapitalen
aufruhet. Seine Bestimmung ist, die Säulen unter einander zu verbinden, und als Unterlage
für das übrige Balkenwerk zu dienen. Wir nennen diesen Bautheil den Haupibalken weil
er wirklich das stärkere Zimmerstück ist, und wir ziehen diese Benennung der gewöhnlichen
des Unterbalkens vor. Unsere Benennung entspricht auch mehr dem Sprachgebrauch ande-
rer Völker. Vitruv bedient sich des von den Griechen entlehnten Ausdruckes JEpistylium
überall, wo er einen Hauptbalken von Stein im Sinne hat; spricht er aber von Hauptbalken
in Holz, So brauchet er gewöhnlich das Wort Trabs, woher der bey den Italienern und Fran-
zosen übliche Ausdruck Architrave und das auch im Deutschen einheimische Wort Arclutrab
herstammet.

Die Bildung des Hauptbalkens ist zu betrachten:
i. Nach dem Verhältnis seiner untern Breite.

2. Nach dem seiner obern Breite.

3. Nach dem seiner Höhe.

4. Nach den Verzierungen, die er annimmt ä) in der Vorderansicht, h) in seiner Unter-
ansicht.

5- Nach dem Material, entweder von Holz oder von Stein.

Die Lehren, welche wir, nach den Vorschriften Vitruv's und den besten Monumenten,
in den verschiedenen Bauarten bewährt linden, sind folgende:

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IN i11

Der toskanische Hauptbalken.

§. 3. In Rücksicht des toskanischen Gebälkes ist es nöthig vorläufig zu erinnern, dafs
Vitruv in seinen Schriften nirgend von einer toskanischen Bauart (genus) als solcher spricht.
Was er hievon mittheilt, geschieht blofs beyläufig, wo er von den abweichenden Tempel-
formen handelt, wozu er auch die toskanische rechnet (4, 7,). Eigentlich redet er blofs von
drey Bauarten, der dorischen, ionischen und korinthischen. Plinius (56, 56.) thut zwar von
vier Säulenarien Meldung, wozu er auch die toskanische zählet, aber über das Gebälke und
dessen Eigentümlichkeit sagt er nichts.

Nach Vitruv stellet das Gebälke des toskanischen Tempels die einfachste Zimmerkunst
dar, derjenigen im Wesentlichen ähnlich, welche bey den altern Griechen üblich war, ehe
diese jene Art Zimmerey einführten, welche die Veranlassung zur eigentlich dorischen Bau-
art gab (4, 2.). Die Identität der altgriechischen und toskanischen Zimmerey wird indessen
um so weniger befremden, wenn man bedenket, dafs bereits seit den frühesten Zeiten und
zu wiederholten Malen ganze Haufen pelasgischer Völker von den griechischen Küstenlan-
dern in das mittlere Italien zu Schiff einwanderten- Da diese also schon nothdürftig den
Schiffbau verstehen mufsten; so konnte die einfache Zimmerey des Gebälkes für Wohnge-
bäude ihnen dam ,1s um so weniger unbekannt seyn, da die Schiffzimmerey an sich viel
künstlicher ist, als die der Wohnhäuser. Auch ersehen wir aus Homer, dafs die Zimme-
rey sowohl für den Schiff- als Häuserbau zu seiner Zeit unter den griechischen Völkern all-
gemein verbreitet war, obwohl sonst bey die.sem Dichter nichts von bestimmten Bauordnun-
gen,
 
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