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Hoernes, Moritz
Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa: von den Anfängen bis um 500 vor Christi — Wien: Druck und Verlag von Adolf Holzhausen, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.62929#0106

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Zweites Buch.

Die Kunst im Zeitalter der jüngeren Wirthschafts-
stufen.
(Animismus, Mutterrecht und Muttercult, Totemismus, Idolatrie, Einfluss fremder
Culturkreise, menschliche Figuren, Thierfiguren, Mischfiguren und Gruppen.)

V'ährend die Kunst im Zeitalter des reinen Jägerthums einen profanen
Charakter an sich trägt, zeigt sie in der Aera der jüngeren Wirthschaftsstufen
vielfach die Merkmale religiöser Bedeutung. Das Eine wie das Andere hängt
aufs Engste mit den allgemeinen Geisteszuständen, welche in diesen verschiede-
nen Zeiträumen herrschten, zusammen. Die Werke der Kunst sind also richtig
aufgefasst, Illustrationen jener Zustände, und daraus allein erklärt sich schon
die durchgreifende Verschiedenheit ihrer Gestalt und ihres Gehaltes. So wie
sie aber ihrerseits die Geisteszustände beleuchten, werden sie in ihrer stummen,
unscheinbaren und grausam verstümmelten Ueberlieferung von jenen wieder
erläutert. Diese Erläuterung ist es, die wir im Folgenden dort suchen, wo sie
uns geboten wird, nämlich in der Ethnologie der primitiven Menschheit.
Es sind mehrere Capitel der Völkerkunde, welche hier in Betracht kommen:
der Animismus, die Verehrung mütterlicher Gottheiten, die Thierverehrung, der
Gebrauch von Götzenbildern. Mit der Betrachtung der letzteren gehen wir
über auf das Gebiet der Kunstformen, welche den religiösen Begriffen gegeben
wurden. Aber ehe wir diese näher ins Auge fassen, haben wir uns zu er-
innern, dass Europa im Stadium der jüngeren Wirthschaftsstufen die rauhe
Wildniss, als die es im Zeitalter der reinen Jägerei erscheint, nicht mehr war
oder wenigstens nicht geblieben ist. An seinen südöstlichen Grenzen, in Länder-
räumen, deren natürliche Ausstattung einen früheren Aufschwung der Cultur
begünstigte, erwuchsen Staaten und Civilisationen, die auch auf unseren Continent
steigenden sittigenden Einfluss ausübten. Dieser Einfluss fremder Culturkreise,
der wahrscheinlich höher hinaufreicht, als sich strict beweisen lässt, und den
man, mit Unrecht, von mancher Seite sehr gering anschlägt, gehört ebenfalls
zu den Grundlagen der Kunst im zweiten prähistorischen Zeitalter, dem der
Sesshaftigkeit und der fortschrittlichen Wirtschaftsformen. Schliesslich soll an
einer Leihe von Beispielen gezeigt werden, welche Früchte im Kunstleben auf
diesen Grundlagen erwachsen sind.
 
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