Der Einfluss fremder Culturkreise.
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Ostjaken und Samojeden finden sich neben roh behauenen Steinen oder Holz-
klötzen auch schon metallene Götzenbilder, wie sie in Alteuropa von der ersten
Eisenzeit an auftreten. Sie gehören Einzelnen, ganzen Familien oder Stämmen,
man findet sie daher in Jurten, heiligen Hainen, in der Nähe von Jagdplätzen
und Fischwässern.
Sogar zum Zweck der Austreibung werden Geister in Bilder eingekörpert.
In Westafrika werden aus Stroh und Lumpen Thier- und Menschenfiguren
gemacht, in welche die bösen Geister getrieben werden. In dieser Gestalt
schafft man sie dann leicht über die Stammesgrenzen. In Siam vertreibt man
Krankheitsgeister in Gestalt von Thonfiguren, welche auf Bäumen, an Strassen
oder, in Körben, mit Nahrung versehen, auf dem Wasser ausgesetzt werden.
In Indien fabricirt man zu Tausenden kleine hohle Thonfiguren, in welchen die
Gottheit auf die Einladung eines Brahmanen Wohnung nimmt. Nach der
Ceremonic der Einführung fügt der heilige Mann noch besonders die Augen
und den Äthern in das Bild ein.
Dies sind Beispiele von Idolatrie bei aussereuropäischen Völkern, die lange
nicht mehr auf der untersten Primärstufe standen und stehen. Sie dürften ge-
nügen, den prähistorischen Bundbildern Europas ihren socialen Platz anzuweisen
und die Bezeichnung derselben als „Idole“ zu rechtfertigen, der es auch keines-
wegs widerspricht, wenn wir unter jenen vorwiegend kleine, nackte oder steif
bekleidete Menschen-, meist Frauenfiguren, seltener Thiergestalten und hier
wieder vorzüglich Kinder- und Vogelfiguren antreffen.
Bemerkenswerth ist die Seltenheit thönerner Götzenbilder, wie sie oben
aus Siam und Indien angeführt wurden. Das Vorkommen solcher Bilder in
einem Theile Europas, während sie in einem anderen gänzlich fehlen, verdient
volle Beachtung: sei es, dass man daraus erkennen will, wie viel von Götzen-
bildern aus anderem, ursprünglicherem Material uns verloren gegangen ist, —
sei es, dass man nach dieser Erscheinung die fremden Einflüsse beurtheilt,
welche in Europa zur Gestaltung antliropomorpher Idole überhaupt erst ge-
führt haben.
5. Der Einfluss fremder Culturkreise.
(Europa und der Orient. Die Ableugnung orientalischer Einflüsse. Der älteste Handel mit
dem Süden. Das Zwischengebiet. Die ägäische Cultur und deren Phasen.)
Im Animismus, dem Muttercult und der Totemverehrung offenbart sich
der zur ältesten religiösen Bildkunst führende Geisteszustand, welcher auf der
Culturstufe primitiver pflanzenbauender und thierzüchtender Menschenstämme
überall und so auch im altweltlichen Völkerkreise geherrscht hat. Die Be-
trachtung der Idolatrie zeigt, dass die Bildformen, welche jenen Geisteszustand
dauernd verkörpern, zwar nicht über die ganze Erde verbreitet sind, dass sie
aber auf der genannten Culturstufe ziemlich allgemeine Anwendung finden.
Man erkennt ferner, dass diese Typen nicht überall eigene Erfindungen der
„Götzendiener“ sind, sondern häufig von gewissen Gebieten höherer Civili-
sation über die Nachbarländer verbreitet werden, wo sie — in Folge der Ge-
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Ostjaken und Samojeden finden sich neben roh behauenen Steinen oder Holz-
klötzen auch schon metallene Götzenbilder, wie sie in Alteuropa von der ersten
Eisenzeit an auftreten. Sie gehören Einzelnen, ganzen Familien oder Stämmen,
man findet sie daher in Jurten, heiligen Hainen, in der Nähe von Jagdplätzen
und Fischwässern.
Sogar zum Zweck der Austreibung werden Geister in Bilder eingekörpert.
In Westafrika werden aus Stroh und Lumpen Thier- und Menschenfiguren
gemacht, in welche die bösen Geister getrieben werden. In dieser Gestalt
schafft man sie dann leicht über die Stammesgrenzen. In Siam vertreibt man
Krankheitsgeister in Gestalt von Thonfiguren, welche auf Bäumen, an Strassen
oder, in Körben, mit Nahrung versehen, auf dem Wasser ausgesetzt werden.
In Indien fabricirt man zu Tausenden kleine hohle Thonfiguren, in welchen die
Gottheit auf die Einladung eines Brahmanen Wohnung nimmt. Nach der
Ceremonic der Einführung fügt der heilige Mann noch besonders die Augen
und den Äthern in das Bild ein.
Dies sind Beispiele von Idolatrie bei aussereuropäischen Völkern, die lange
nicht mehr auf der untersten Primärstufe standen und stehen. Sie dürften ge-
nügen, den prähistorischen Bundbildern Europas ihren socialen Platz anzuweisen
und die Bezeichnung derselben als „Idole“ zu rechtfertigen, der es auch keines-
wegs widerspricht, wenn wir unter jenen vorwiegend kleine, nackte oder steif
bekleidete Menschen-, meist Frauenfiguren, seltener Thiergestalten und hier
wieder vorzüglich Kinder- und Vogelfiguren antreffen.
Bemerkenswerth ist die Seltenheit thönerner Götzenbilder, wie sie oben
aus Siam und Indien angeführt wurden. Das Vorkommen solcher Bilder in
einem Theile Europas, während sie in einem anderen gänzlich fehlen, verdient
volle Beachtung: sei es, dass man daraus erkennen will, wie viel von Götzen-
bildern aus anderem, ursprünglicherem Material uns verloren gegangen ist, —
sei es, dass man nach dieser Erscheinung die fremden Einflüsse beurtheilt,
welche in Europa zur Gestaltung antliropomorpher Idole überhaupt erst ge-
führt haben.
5. Der Einfluss fremder Culturkreise.
(Europa und der Orient. Die Ableugnung orientalischer Einflüsse. Der älteste Handel mit
dem Süden. Das Zwischengebiet. Die ägäische Cultur und deren Phasen.)
Im Animismus, dem Muttercult und der Totemverehrung offenbart sich
der zur ältesten religiösen Bildkunst führende Geisteszustand, welcher auf der
Culturstufe primitiver pflanzenbauender und thierzüchtender Menschenstämme
überall und so auch im altweltlichen Völkerkreise geherrscht hat. Die Be-
trachtung der Idolatrie zeigt, dass die Bildformen, welche jenen Geisteszustand
dauernd verkörpern, zwar nicht über die ganze Erde verbreitet sind, dass sie
aber auf der genannten Culturstufe ziemlich allgemeine Anwendung finden.
Man erkennt ferner, dass diese Typen nicht überall eigene Erfindungen der
„Götzendiener“ sind, sondern häufig von gewissen Gebieten höherer Civili-
sation über die Nachbarländer verbreitet werden, wo sie — in Folge der Ge-