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Hoernes, Moritz
Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa: von den Anfängen bis um 500 vor Christi — Wien: Druck und Verlag von Adolf Holzhausen, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.62929#0425

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Griechenland und Italien.

397

Die flache Petschaftform des Leibes, die etwas vorwärts gekrümmten Arm-
stümpfe, der enorme Hals mit den langen, theils plastischen, theils gemalten
Haarflechten, die Vogelform des Kopfes machen diese Frau zur echten Schwester
jener anderen. Etwas verschieden ist die geometrische Malerei auf Brust und
Rücken. Die angeklebte Stirnrösette des Diadems schmückt eine gemalte
„Croix cantonnee“.
Merkwürdiger wegen des orientalischen Typus, der hier ins Geometrische
übersetzt wurde, erscheint Fig. 2, ein Salbgefäss als stehende Sphinx gebildet.
Das Gesicht ist durch eine lächerlich grosse Nase verunziert, das Diadem bildet
die Gefässöffnung, Ohren und Locken sind separat geknetet und angeklebt.
Der gemalte Halsschmuck gleicht dem des Idols im Louvre.



Fig. 124—125. Thonfiguren aus böotischen Gräbern, ca. 1/3 nat. Gr.

In Böotien hat man für den Grabgebrauch auch glockenförmige Thon-
figuren1) gebildet, welche nichts Anderes vorstellen als den langbekleideten
weiblichen Typus der Volkskunst und Volksreligion. Es sind drei Stücke
bekannt, eines davon (im Louvre)2) misst 39 Cm., die beiden anderen (im
Berliner Antiquarium)3) 19’5 und 15 Cm. Länge. Form und Thonmasse dieser
weiblichen Götterfiguren sind echt europäisch-prähistorisch. Sie bestehen aus
einer weit ausladenden, vorne etwas abgeplatteten Glocke, die wie ein ge-
wöhnliches Gefäss auf der Drehscheibe gefertigt ist, und auf welcher vorne
zwei konische Erhebungen die Brüste vorstellen. Der Hals ragt als verticale
Säule von halber Höhe des Körpers unnatürlich hoch empor, was alter Stil
und nicht, wie Holleaux annimmt, eine Willkür des Töpfers war, um die Figur
daran wie an einer Handhabe leicht hin- und herdrehen zu können. Der Kopf

*) M. Holleaux, „Figurines beotiennes en terre cuite a decoration geometrique“, Fondation
Eugene Piot, Monuments et Memoires I, Paris 1894, S. 21 ff., Taf. III.
2) Oben Fig. 122 und 123. 3) Oben Fig. 124 und 125.
 
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