Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hofstede de Groot, Cornelis
Beschreibendes und kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragendsten holländischen Maler des XVII Jahrhunderts (Band 7): [Willem van de Velde, Johannes von de Cappelle, Ludolf Bakhuyzen, Aert van der Neer] — Esslingen, 1918

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43141#0376
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
360

Aert van der Neer.

Jahren 1645—1658 entstanden sein zu können. Während seiner kurzen
Laufbahn als Gastwirt scheint van der Neer nicht viel gemalt zu haben.
In dem 1662 aufgenommenen Inventar kommt kein einziges Bild,
das eine Mondnacht, eine Winterlandschaft, eine Feuersbrunst, eine
Morgen- oder Abenddämmerung darstellte, vor. Ebensowenig wird
ein Malzimmer, werden Malgeräte erwähnt. Es ist daher wahrschein-
lich, daß er diese ganze Zeit der Tätigkeit als Schenkwirt gewidmet
hat und erst nach der gezwungenen Aufgabe derselben wieder zur
Malerei zurückgekehrt ist. Nimmt man dies an, dann lassen sich
ohne Schwierigkeit die Bilder mit Staffagen in später Tracht ein-
reihen, die während den Jahren 1662—77 sehr gut, in der Periode
1645—58 dagegen nicht unterzubringen sind. Wir dürfen daher nicht
annehmen, daß van der Neer nach der Übernahme der Wirtschaft
kurz vor oder in den Jahren 1658 endgiltig zu malen aufgehört hätte1).
Das Stoffgebiet van der Neers ist, mit wenig Ausnahmen, auf
zwei scharf getrennte Vorwürfe beschränkt: Mondscheinbilder und
Winterlandschaften. Daneben Feuersbrünste entweder bei Nacht oder
im Winter und einige Darstellungen bei Tag oder bei Dämmerung.
Fast immer zieht sich ein Wasser, nur selten ein breiter Weg, an
beiden Seiten von Gebäuden zwischen Bäumen begrenzt in die Bild-
tiefe hinein. Bei den Nachtbildern ist es fast ausnahmslos der ziem-
lich tief stehende Vollmond, der zwischen Wolken hervorbricht und
auf dem Wasser und den Fenstern der Gebäude Reflexe hervorzaubert.
Es sind die späten Abendstunden des Herbstes und des Frühlings
dargestellt, an denen der Mensch noch im Freien arbeitet, solange
die Dunkelheit noch nicht vollständig eingetreten ist.
Manchmal stellt der Künstler auch die Abendröte eines winter-
lichen Nachmittags oder eines bewölkten Sommertags dar. Die Tages-
bilder zeigen die Natur meistens zu einer Stunde, wo die Kraft des
Tageslichts schon im Abnehmen begriffen ist und die Gebäude und
Bäume sich bereits dunkel gegen den Abendhimmel abheben.
Die rein holländische Landschaft ist sozusagen ausschließlich
das Gebiet v. d. Neer’s Tätigkeit. Es sind die Festungsgräben oder
die zahlreichen Kanäle von Amsterdam. Einige davon werden im
alten Versteigerungskataloge lokalisiert. Ob mit Recht, wagen wir
nicht zu entscheiden. Delft, Rotterdam, Dordrecht, Rhenen und
Eiburg sind die am weitesten von Amsterdam entfernten Punkte,
welche angeführt werden. Auch Gorinchem kommt vor. Vielleicht
handelt es sich in diesem Fall um ein noch dort, vor dem Umzug
nach Amsterdam gemaltes Jugend werk. Ganz vereinzelt hat der
Künstler seine Brände mit geschichtlicher Staffage (Brand von Troja,
Untergang von Sodom und Gomorrha) versehen. Die übrigen ge-
schichtlichen Bilder können Versuche aus der Jugend des Künstlers
gewesen sein, oder auch vielleicht Werke seines Sohnes Eglon Hendrik,
der diese Gegenstände mit Vorliebe behandelte.
Das hier geschilderte Stoffgebiet wird von v. d. Neer beherrscht
wie von keinem anderen. Er ist der beste Mondscheinmaler der
holländischen Schule und in den Winterlandschaften erreicht ihn nur

’) Die Zweifel A. v. Wurzbachs in seinem Künstlerlexikon, ob der Schenkwirt und
der Maler A. v. d. Neer wohl dieselbe Person seien, sind vollkommen unberechtigt. Durch
die gleichen Namen der Kinder wird die Identität bewiesen.
 
Annotationen