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Hofstede de Groot, Cornelis
Beschreibendes und kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragendsten holländischen Maler des XVII Jahrhunderts (Band 7): [Willem van de Velde, Johannes von de Cappelle, Ludolf Bakhuyzen, Aert van der Neer] — Esslingen, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.43141#0377
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Aert van der Neer.

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Jacob van Ruisdael, übertrifft ihn nur Rembrandt in dem einzigen
kleinen Winterbild, das wir von ihm besitzen (Casseler Galerie,
unsere Nr. 943).
Seine Stärke zeigt sich in der trefflichen Weise, mit der er
den Charakter der von ihm gewählten Gegend wiedergibt: jeder von
uns erkennt in seinen Bildern ein Stück Heimat wieder. Man ver-
sucht immer wieder seine Landschaften zu lokalisieren; es gelingt
aber selten. Der Künstler — wie in unserer Zeit Jacob Maris —
malte nur holländische Motive, keine bestimmten Orte. Trotzdem
findet man nie etwas, was einen unholländisch oder naturwidrig an-
mutet, obwohl ein Vergleich der Bilder, die dasselbe Motiv behandeln
— wie z. B. die Mondscheinlandschaft in Berlin (Kat. 1911 Nr. 842B;
unsere Nr. 162) und das Bild der Sammlung K. A. Rombach in Rotter-
dam (unsere Nr. 293), das Bild der National Gallery in London,
Kat. 1915 Nr. 239 (unsere Nr. 221) und die Abendlandschaft der Ver-
steigerung de K . . . u. A. in Amsterdam am 25. April 1911 Nr. 82
(unsere Nr. 138), oder, als dritter Fall, das Bild der Sammlung Six
in Amsterdam (unsere Nr. 155) und dasjenige der Sammlung Ad.
Schloss (unsere Nr. 70 A) — uns lehrt, daß van der Neer frei kompo-
nierte und nach Belieben modifizierte, wo dies seinen künstlerischen
Intentionen entsprach. Ein weiterer Vorzug ist seine vollkommene
Beherrschung der Luft-, Licht- und Linearperspektive. Durch diese
erreicht er eine große Raumillusion, verleiht er seinen Landschaften
eine außerordentliche Tiefe. Seine Himmel, sowohl die der Nacht-
als auch der Winterbilder, sind sehr schön, die Lichteffekte des
Mondes und der Abendröte fein empfunden und von großer maleri-
scher Wirkung.
Obwohl die Nachtbeleuchtung der Verwendung einer reichen
Farbenpalette im Wege steht, sind seine Mondscheinlandschaften
koloristisch dennoch sehr zart und fein und in der Schneelandschaft
weiß er das viele Weiß durch farbig ausstaffierte Figuren und Schlitten
zu beleben.
In dieser Gattung sind die Staffagen oft sehr reich. Sie zeigen
uns, daß damals wie auch jetzt noch, ganz Holland auf dem Eise
lebt. Wunderbar schön sind auch die wenigen Bilder, auf denen
der Sturm, besonders der Schneesturm, dargestellt ist. Dann haben
die meisten Menschen sich in ihre Wohnungen geflüchtet und man
sieht nur einzelne wenige Personen, die draußen sein müssen oder
auf dem Eise vom Wetter überrascht worden sind. Gerade in sol-
chen Werken offenbart der Künstler sich als ausgezeichneter Schilderer
der aufgeregten Natur.
Von den Mondnächten und den Dämmerungsbildern sind in
der Regel diejenigen die besten, auf denen am wenigsten Staffage
vorkommt. Wenn die Farben verschwinden, die Konturen ver-
schwommen werden, wirkt die Staffage leicht unruhig. Besser als
Menschen befriedigen uns dann die Silhouetten von Schiffen, Zug-
brücken, Windmühlen und spitzgiebligen Häusern, ja sogar die Um-
risse von Kühen und Pferden, Baumstämmen, Staketen, Gestellen
mit Netzen und dergl., die der Künstler im Vordergrund seiner
Bilder anzubringen liebt. Einen besonderen Reiz verleiht er seinen
Schöpfungen auch durch die Spiegelungen des Lichtes auf dem
 
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