nicht einfach über das kirchliche Stiftungsgut Dritter, in diesem Falle Reitzmanns,
verfügen. Darüber hinaus ließe es sich wohl auch nur schwer begründen, daß er
das angeblich untragbar gewordene170 Altarbild verschenkte, während er gleich-
zeitig die Vikarie einschließlich sämtlicher schon früher gewährter Ablässe be-
stätigte. Was diese Theorie für die Wissenschaft jedoch so interessant machte, war
die Tatsache, daß mit ihr nicht nur erklärt werden konnte, wann die Tafel aus dem
Aschaffenburger Retabel herausgenommen wurde, sondern auch, wie und warum
sie danach nach Mergentheim gelangte, von wo sie 1812 nach Stuppach verkauft
worden war.171 Es ist wohl auch nur so zu erklären, daß bei der Beurteilung dieses
Sachverhalts die von Fraundorfer überlieferte Zustimmung des Kapitels zur Über-
nahme des Nachlasses Reitzmanns völlig außer acht gelassen wurde. Dieser hatte
nämlich ausdrücklich festgelegt, daß, sollte sein Testament nicht in allen Einzelhei-
ten akzeptiert werden, sein gesamter Nachlaß, mit Ausnahme nur weniger Legate,
an die Kirchenfabrik von Santa Maria Maggiore in Rom fallen solle.172 Die Zu-
stimmung des Kapitels von 1531 bezog sich demnach auch zwingend auf die von
Reitzmann festgelegten Bestimmungen über die Art der Maria-Schnee-Feier, und
es gibt keinen Grund anzunehmen, daß das Patrozinium damals schon verloren
gegangen ist, zumal die auf dem rechten Flügel dargestellte Legende noch bis 1828
am Altar verblieb. „Die Maria-Schnee-Verehrung ist also tatsächlich nie, weder
nach dem Bauernkriege von 1525 noch nach dem Tode Reitzmanns im Jahre 1528,
in Mißkredit gekommen."173
Diese Einwände Fraundorfers konnte Alois Grimm durch eine Archivnotiz be-
kräftigen. Er fand die „ Vicarie ad nives et Triam regum" namentlich in einer Ur-
kunde des Jahres 1557 genannt,174 und wir können die Reihe fortsetzen: Die Bege-
hung des Festes nach den Vorgaben Heinrich Reitzmanns überliefert unter ande-
rem auch Konrad Voelker in seinem 1567 aus älteren Quellen zusammengestellten
Stiftsnekrolog.175 Außerdem geht aus dem im gleichen Jahr angelegten Vikariats-
verzeichnis der Stiftskirche eindeutig hervor, daß die Einkünfte der Dreikönigsvi-
karie zu diesem Zeitpunkt noch ausschließlich an die Betreuung des Maria-
170 Vgl. RlECKENBERG 1974, S. 83.
171 Vgl. Kap. 3.1.
172 So zuletzt in seinem Testament von 1522: „[Abs. 66] In casum et eventum, quo su-
prascripta mea ultima voluntas ex quibuscumque causis invalida esse censeretur et in-
fringere niteretur: extunc et non alias lego omnia mea bona mobilia (debitis tarnen solu-
tis) ad fabricam basilice dive Marie maioris in urbe Romana, ecclesia Nivis appellata, in
omni forma, prout in codicillo meo in anno 1519 confecto in fine continentur etc."; vgl.
QA-I.15.; und Fraundorfer 1981, S. 173.
173 Fraundorfer 1952/53, S. 379-380, Anm. 28.
174 Vgl. A. Grimm I, S. 377, Anm. 110, leider ohne Nachweis der Quelle.
175 Vgl. QA-I.21.: „Item celebrandum in festo Nivis gloriose virginis Marie habebunt ex
parte domini Henrici Reyczman canonici." Die Richtigkeit der Voelkerschen Überlie-
ferung zeigt sich daran, daß die vom Stiftskustos und der Kirchenfabrik aufzubringen-
den finanziellen Beiträge zur Feier des Maria-Schnee-Festes (s. o. Anm. 26) nie gestri-
chen worden sind; vgl. StiA.Ab., Regula fraternitatis, Mainzer Bücher verschiedenen
Inhalts, Bd. 69, fol. 480 und 482.
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verfügen. Darüber hinaus ließe es sich wohl auch nur schwer begründen, daß er
das angeblich untragbar gewordene170 Altarbild verschenkte, während er gleich-
zeitig die Vikarie einschließlich sämtlicher schon früher gewährter Ablässe be-
stätigte. Was diese Theorie für die Wissenschaft jedoch so interessant machte, war
die Tatsache, daß mit ihr nicht nur erklärt werden konnte, wann die Tafel aus dem
Aschaffenburger Retabel herausgenommen wurde, sondern auch, wie und warum
sie danach nach Mergentheim gelangte, von wo sie 1812 nach Stuppach verkauft
worden war.171 Es ist wohl auch nur so zu erklären, daß bei der Beurteilung dieses
Sachverhalts die von Fraundorfer überlieferte Zustimmung des Kapitels zur Über-
nahme des Nachlasses Reitzmanns völlig außer acht gelassen wurde. Dieser hatte
nämlich ausdrücklich festgelegt, daß, sollte sein Testament nicht in allen Einzelhei-
ten akzeptiert werden, sein gesamter Nachlaß, mit Ausnahme nur weniger Legate,
an die Kirchenfabrik von Santa Maria Maggiore in Rom fallen solle.172 Die Zu-
stimmung des Kapitels von 1531 bezog sich demnach auch zwingend auf die von
Reitzmann festgelegten Bestimmungen über die Art der Maria-Schnee-Feier, und
es gibt keinen Grund anzunehmen, daß das Patrozinium damals schon verloren
gegangen ist, zumal die auf dem rechten Flügel dargestellte Legende noch bis 1828
am Altar verblieb. „Die Maria-Schnee-Verehrung ist also tatsächlich nie, weder
nach dem Bauernkriege von 1525 noch nach dem Tode Reitzmanns im Jahre 1528,
in Mißkredit gekommen."173
Diese Einwände Fraundorfers konnte Alois Grimm durch eine Archivnotiz be-
kräftigen. Er fand die „ Vicarie ad nives et Triam regum" namentlich in einer Ur-
kunde des Jahres 1557 genannt,174 und wir können die Reihe fortsetzen: Die Bege-
hung des Festes nach den Vorgaben Heinrich Reitzmanns überliefert unter ande-
rem auch Konrad Voelker in seinem 1567 aus älteren Quellen zusammengestellten
Stiftsnekrolog.175 Außerdem geht aus dem im gleichen Jahr angelegten Vikariats-
verzeichnis der Stiftskirche eindeutig hervor, daß die Einkünfte der Dreikönigsvi-
karie zu diesem Zeitpunkt noch ausschließlich an die Betreuung des Maria-
170 Vgl. RlECKENBERG 1974, S. 83.
171 Vgl. Kap. 3.1.
172 So zuletzt in seinem Testament von 1522: „[Abs. 66] In casum et eventum, quo su-
prascripta mea ultima voluntas ex quibuscumque causis invalida esse censeretur et in-
fringere niteretur: extunc et non alias lego omnia mea bona mobilia (debitis tarnen solu-
tis) ad fabricam basilice dive Marie maioris in urbe Romana, ecclesia Nivis appellata, in
omni forma, prout in codicillo meo in anno 1519 confecto in fine continentur etc."; vgl.
QA-I.15.; und Fraundorfer 1981, S. 173.
173 Fraundorfer 1952/53, S. 379-380, Anm. 28.
174 Vgl. A. Grimm I, S. 377, Anm. 110, leider ohne Nachweis der Quelle.
175 Vgl. QA-I.21.: „Item celebrandum in festo Nivis gloriose virginis Marie habebunt ex
parte domini Henrici Reyczman canonici." Die Richtigkeit der Voelkerschen Überlie-
ferung zeigt sich daran, daß die vom Stiftskustos und der Kirchenfabrik aufzubringen-
den finanziellen Beiträge zur Feier des Maria-Schnee-Festes (s. o. Anm. 26) nie gestri-
chen worden sind; vgl. StiA.Ab., Regula fraternitatis, Mainzer Bücher verschiedenen
Inhalts, Bd. 69, fol. 480 und 482.
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