„Von demjenigen nun, der die Geschichte ir-
gend eines Wissens überliefern will, können
wir mit Recht verlangen, daß er uns Nach-
richt gebe, wie die Phänomene nach und nach
bekannt geworden, was man darüber phanta-
siert, gewähnt, gemeint und gedacht habe.
Dieses alles im Zusammenhange vorzutra-
gen, hat große Schwierigkeiten, und eine Ge-
schichte zu schreiben, ist immer eine bedenk-
liche Sache. Denn bei dem redlichsten Vor-
satz kommt man in Gefahr, unredlich zu sein;
ja, wer eine solche Darstellung unternimmt,
erklärt zum voraus, daß er manches ins Licht,
manches in Schatten setzen werde."
./. W. von Goethe
EINLEITUNG
Seit Heinrich Alfred Schmids1 grundlegender Monographie über das künstlerische
Werk des von Joachim von Sandrart2 unter dem Namen Matthias Grünewald in
die Kunstgeschichte eingeführten Aschaffenburger Malers und Wasserkunstma-
chers meister Mathis Nithart oder Gothart3 wurden innerhalb der Kunstwissen-
schaft immer wieder und mit jeweils wechselnden Präferenzen die Möglichkeiten
einer Rekonstruktion eines schon früh auseinandergerissenen und heute nur noch
in Teilen faßbaren Alterretabels diskutiert: der über Urkunden und das persönli-
1 Vgl. H.A. Schmid 1911.
2 Vgl. Sandrart 11675; 21679.
3 Die Identifizierung des „historischen Grünewald" ist ein Verdienst Walter Karl Zülchs.
der nach ausführlichen Archivrecherchen die erste wissenschaftlich fundierte und - mit
Modifikationen - im wesentlichen heute noch gültige Biographie Grünewalds vorgelegt
hat; vgl. Zülch 1938.
Grünewald ist demnach identisch mit dem aus Würzburg stammenden, um 1480 gebore-
nen Aschaffenburger Maler und Wasserkunstmacher Mathis Neithart, der sich selbst
den Beinamen Gothart gegeben hat. Neithart war Hofmaler unter den Mainzer Erz-
bischöfen Uriel von Gemmingen und Albrecht von Brandenburg, bevor er im Anschluß
an die Bauernkriege 1525 seinen Dienst quittierte und über Frankfurt nach Halle a. d.
Saale übersiedelte, wo er 1528 starb, im gleichen Jahr wie Albrecht Dürer. Zur Biogra-
phie Matthias Grünewalds vgl. Ladendorf 1966.
Der von Hans Jürgen Rieckenberg vorgeschlagenen Identifizierung Grünewalds mit
dem Frankfurter Bildschnitzer und Maler Mathis Grün kann auch trotz der häufigen
Wiederholung seiner Thesen nicht gefolgt werden; vgl. Rieckenberg 1971; 1974; 1976;
1978; 1980; und 1987. Wir verweisen hier nur auf die kritischen Erwiderungen von Sar-
wey 1974; Vetter 1977; Deyhle 1979; und zuletzt Arndt 1994, bes. S. 140-147. Eine
abwägende Zusammenfassung der Diskussion gibt Hütt 1983. Zur Biographie des
Frankfurter Bildschnitzers und Malers Mathis Grün vgl. dagegen Zülch 1935, S. 281-
282; und Zülch 1938, S. 396-398, Anm. 4.
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gend eines Wissens überliefern will, können
wir mit Recht verlangen, daß er uns Nach-
richt gebe, wie die Phänomene nach und nach
bekannt geworden, was man darüber phanta-
siert, gewähnt, gemeint und gedacht habe.
Dieses alles im Zusammenhange vorzutra-
gen, hat große Schwierigkeiten, und eine Ge-
schichte zu schreiben, ist immer eine bedenk-
liche Sache. Denn bei dem redlichsten Vor-
satz kommt man in Gefahr, unredlich zu sein;
ja, wer eine solche Darstellung unternimmt,
erklärt zum voraus, daß er manches ins Licht,
manches in Schatten setzen werde."
./. W. von Goethe
EINLEITUNG
Seit Heinrich Alfred Schmids1 grundlegender Monographie über das künstlerische
Werk des von Joachim von Sandrart2 unter dem Namen Matthias Grünewald in
die Kunstgeschichte eingeführten Aschaffenburger Malers und Wasserkunstma-
chers meister Mathis Nithart oder Gothart3 wurden innerhalb der Kunstwissen-
schaft immer wieder und mit jeweils wechselnden Präferenzen die Möglichkeiten
einer Rekonstruktion eines schon früh auseinandergerissenen und heute nur noch
in Teilen faßbaren Alterretabels diskutiert: der über Urkunden und das persönli-
1 Vgl. H.A. Schmid 1911.
2 Vgl. Sandrart 11675; 21679.
3 Die Identifizierung des „historischen Grünewald" ist ein Verdienst Walter Karl Zülchs.
der nach ausführlichen Archivrecherchen die erste wissenschaftlich fundierte und - mit
Modifikationen - im wesentlichen heute noch gültige Biographie Grünewalds vorgelegt
hat; vgl. Zülch 1938.
Grünewald ist demnach identisch mit dem aus Würzburg stammenden, um 1480 gebore-
nen Aschaffenburger Maler und Wasserkunstmacher Mathis Neithart, der sich selbst
den Beinamen Gothart gegeben hat. Neithart war Hofmaler unter den Mainzer Erz-
bischöfen Uriel von Gemmingen und Albrecht von Brandenburg, bevor er im Anschluß
an die Bauernkriege 1525 seinen Dienst quittierte und über Frankfurt nach Halle a. d.
Saale übersiedelte, wo er 1528 starb, im gleichen Jahr wie Albrecht Dürer. Zur Biogra-
phie Matthias Grünewalds vgl. Ladendorf 1966.
Der von Hans Jürgen Rieckenberg vorgeschlagenen Identifizierung Grünewalds mit
dem Frankfurter Bildschnitzer und Maler Mathis Grün kann auch trotz der häufigen
Wiederholung seiner Thesen nicht gefolgt werden; vgl. Rieckenberg 1971; 1974; 1976;
1978; 1980; und 1987. Wir verweisen hier nur auf die kritischen Erwiderungen von Sar-
wey 1974; Vetter 1977; Deyhle 1979; und zuletzt Arndt 1994, bes. S. 140-147. Eine
abwägende Zusammenfassung der Diskussion gibt Hütt 1983. Zur Biographie des
Frankfurter Bildschnitzers und Malers Mathis Grün vgl. dagegen Zülch 1935, S. 281-
282; und Zülch 1938, S. 396-398, Anm. 4.
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