3 GRUNEWALDS STUPPACHER MADONNA
UND DIE DISKUSSION UM DAS MITTELBILD
DES MARIA-SCHNEE-ALTARES
Die Diskussion um das ursprüngliche Mittelbild des Aschaffenburger Maria-
Schnee-Altares ist von den Kunsthistorikern sehr kontrovers geführt worden, so
daß der erneuten Beschäftigung mit dieser Frage eine detaillierte Aufarbeitung
des Forschungsstandes vorausgehen muß.
Da archivalische Nachrichten oder Beschreibungen, die uns eine Vorstellung
vom originalen Aussehen des Altares vermitteln könnten, fehlen, müssen die vor-
liegenden Rekonstruktionsalternativen vorerst als hypothetische Zuschreibungs-
versuche verstanden werden, die auf ihre Stringenz zu prüfen sind. Im Mittelpunkt
steht dabei der Vorschlag Heinrich Alfred Schmids, der wegen der übereinstim-
menden Formate und technischen Befunde von Bildtafel und Rahmen sowie der
stilistisch begründeten Datierung in die Entstehungszeit des Maria-Schnee-
Altares Grünewalds Stuppacher Madonna als zentrales Gemälde dafür vorge-
schlagen hat. Schmid hat für diese Bestimmung - bei kleineren Modifikationen im
Detail - breite Zustimmung gefunden, stieß jedoch auch auf entschiedenen Wider-
spruch. Bevor deshalb die beiden Positionen überprüft werden können, muß auch
hier, wie bei den gesicherten Teilen des Altares, zuerst eine vergleichbar genaue
Bestimmung des materialen Befundes der Stuppacher Bildtafel erfolgen.
3.1 Die Stuppacher Madonna
Die Tafel befindet sich heute in der katholischen Pfarrkirche von Stuppach bei
Bad Mergentheim. Sie ist dort in einer von dem Stuttgarter Regierungsbaumeister
Schlösser zwischen 1926 und 1931 eigens zur Aufnahme des Bildes an die Kirche
angebauten Kapelle untergebracht, wo sie in einen aus poliertem fränkischen Mu-
schelkalk gefertigten Rahmen eingelassen ist. [Abb. II; 40]
Grünewalds Stuppacher Madonna steht thematisch und motivisch in der Tradi-
tion von Darstellungen der „Maria im Rosenhag."1 Im Bildvordergrund sitzt die
Muttergottes auf einer niedrigen steinernen Brüstung. Das Kind, das sie auf ihren
Knien aufrecht stehend hält, ist nackt, sie selbst trägt, entsprechend der ikonogra-
phischen Tradition, ein rotes, hier mit weißem Pelz gefüttertes Brokatkleid und ei-
nen tiefblauen Mantel mit rotviolettem Innenfutter. Ihr langes, im Licht glänzen-
1 Nach Ewald M. Vetter war die Entwicklung des Bildtyps der Madonna im Rosenhag -
nach ersten Höhepunkten in den Gemälden Stephan Lochners in Köln oder Martin
Schongauers in Kolmar - mit Hans Burgkmairs d. Ä. Gemälde der „Madonna in der
Landschaft" [Abb. 24] sowie mit Matthias Grünewalds Stuppacher Madonna hinsicht-
lich seiner formalen wie inhaltlichen Verdichtung abgeschlossen; vgl. Vetter 1956, bes.
S. 33 und 35-36.
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UND DIE DISKUSSION UM DAS MITTELBILD
DES MARIA-SCHNEE-ALTARES
Die Diskussion um das ursprüngliche Mittelbild des Aschaffenburger Maria-
Schnee-Altares ist von den Kunsthistorikern sehr kontrovers geführt worden, so
daß der erneuten Beschäftigung mit dieser Frage eine detaillierte Aufarbeitung
des Forschungsstandes vorausgehen muß.
Da archivalische Nachrichten oder Beschreibungen, die uns eine Vorstellung
vom originalen Aussehen des Altares vermitteln könnten, fehlen, müssen die vor-
liegenden Rekonstruktionsalternativen vorerst als hypothetische Zuschreibungs-
versuche verstanden werden, die auf ihre Stringenz zu prüfen sind. Im Mittelpunkt
steht dabei der Vorschlag Heinrich Alfred Schmids, der wegen der übereinstim-
menden Formate und technischen Befunde von Bildtafel und Rahmen sowie der
stilistisch begründeten Datierung in die Entstehungszeit des Maria-Schnee-
Altares Grünewalds Stuppacher Madonna als zentrales Gemälde dafür vorge-
schlagen hat. Schmid hat für diese Bestimmung - bei kleineren Modifikationen im
Detail - breite Zustimmung gefunden, stieß jedoch auch auf entschiedenen Wider-
spruch. Bevor deshalb die beiden Positionen überprüft werden können, muß auch
hier, wie bei den gesicherten Teilen des Altares, zuerst eine vergleichbar genaue
Bestimmung des materialen Befundes der Stuppacher Bildtafel erfolgen.
3.1 Die Stuppacher Madonna
Die Tafel befindet sich heute in der katholischen Pfarrkirche von Stuppach bei
Bad Mergentheim. Sie ist dort in einer von dem Stuttgarter Regierungsbaumeister
Schlösser zwischen 1926 und 1931 eigens zur Aufnahme des Bildes an die Kirche
angebauten Kapelle untergebracht, wo sie in einen aus poliertem fränkischen Mu-
schelkalk gefertigten Rahmen eingelassen ist. [Abb. II; 40]
Grünewalds Stuppacher Madonna steht thematisch und motivisch in der Tradi-
tion von Darstellungen der „Maria im Rosenhag."1 Im Bildvordergrund sitzt die
Muttergottes auf einer niedrigen steinernen Brüstung. Das Kind, das sie auf ihren
Knien aufrecht stehend hält, ist nackt, sie selbst trägt, entsprechend der ikonogra-
phischen Tradition, ein rotes, hier mit weißem Pelz gefüttertes Brokatkleid und ei-
nen tiefblauen Mantel mit rotviolettem Innenfutter. Ihr langes, im Licht glänzen-
1 Nach Ewald M. Vetter war die Entwicklung des Bildtyps der Madonna im Rosenhag -
nach ersten Höhepunkten in den Gemälden Stephan Lochners in Köln oder Martin
Schongauers in Kolmar - mit Hans Burgkmairs d. Ä. Gemälde der „Madonna in der
Landschaft" [Abb. 24] sowie mit Matthias Grünewalds Stuppacher Madonna hinsicht-
lich seiner formalen wie inhaltlichen Verdichtung abgeschlossen; vgl. Vetter 1956, bes.
S. 33 und 35-36.
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