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DAS BILD DES TODES

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momente sind in diesem Ausdruck des Todesgedankens ungetrennt
vereinigt.
Lebensfurcht: das Verleugnen von Schönheit und Glück, weil
Qualen und Schmerzen damit verbunden sind. Es besteht eine er-
staunliche Ähnlichkeit zwischen dem altindischen, nämlich dem bud-
dhistischen, und dem christlich-mittelalterlichen Ausdruck jenes Ge-
fühls. Auch dort immer wieder der Ekel vor Alter, Krankheit und Tod,
auch dort die dick aufgetragenen Farben der Verwesung. Die naiven
indischen Ästhetiker hatten sogar ein eigenes poetisches Genre, bi-
bhatsa-rasa oder die Stimmung des Ekelhaften, daraus gemacht, ein-
geteilt in drei Unterabteilungen, je nachdem der Widerwillen durch das
Widerwärtige, das Entsetzliche oder das Wollüstige hervorgerufen
wirdx). Der Mönch glaubte es so gut gesagt zu haben, als er auf die
Oberflächlichkeit der körperlichen Schönheit hinwies. „Die Schönheit
des Körpers besteht in der Haut allein. Denn wenn die Menschen
sähen, was unter der Haut ist, so wie man sagt, daß der Luchs in
Böotien das Inwendige sehen könne, würden sie sich vor dem An-
blick der Frauen ekeln. Jene Anmut besteht aus Schleim und Blut,
aus Feuchtigkeit und Galle. Wenn jemand bedenkt, was in den Nas-
löchern und was in der Kehle und was im Bauch alles verborgen ist,
dann wird er stets Unrat finden. Und wenn wir selbst nicht mit den
Fingerspitzen Schleim oder Dreck anrühren können, wie können wir
dann wünschen, den Dreckbeutel selbst zu umarmen“* 2 3 *).
Der mutlose Refrain der Weltverachtung war für das spätere Mittel-
alter in vielen Traktaten festgelegt, vor allem aber in dem von
Innocentius III., De contemptu mundi. Wunderlich, daß dieser mäch-
tigste und vom Glück begünstigte Staatsmann auf dem Stuhle Petri,
der in so viele irdische Dinge und Interessen verwickelt war und
in ihnen auf ging, zugleich in seinen früheren Jahren der Verfasser
dieser Lebensverhöhnung war. „Concipit mulier cum immunditia et
fetore, parit cum tristitia et dolore, nutrit cum angustia et labore,
custodit cum instantia et timore8).“ „Die Frau empfängt mit Unrein-
1) Siehe meine Arbeit De Vidüshaka in het Indisch tooneel, Groningen 1897, p.77.
2) Odo von Cluny, Collationum lib. III, Migne t. CXXXIII, p. 556.
3) Innocentius III. de contemptu mundi sive de miseria conditionis humanae
libri tres, Migne t. CCXVII, p. 702.
 
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