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Heydemann, Heinrich
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 3): Mittheilungen aus den Antikensammlungen in Ober- und Mittelitalien — Halle/​Saale, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.5990#0068
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Kahn, rudernd, unten Wellenandeutung; rechts da-
gegen: ein (ungefliigelter) Erot, auf Felsvorsprung
stehend und angelnd; an dem linken Unterarm tragt
er einen Korb; unten Wellenandeutung. Auf der
Vorderseite drei Scenen: in der Mitte vor einem
Vorhang (xagcuieracifia) sitzt auf Klappstuhl ein
Mann, in Tunica und Mantel, die Arme erhebend
(der linke Unterarm ist weggebrochen); er spricht
mit der vor ihm stehenden Muse Polyhymnia, die
in der bekannten Stellung — mit gekreuzten Beinen
nachdenklich auf einen durch das Mantelende ver-
deckten Pfeiler gelehnt und den Kopf auf die linke
Hand aufstützend — vor ihm steht; zwischen beiden
am Boden ein Bündel von SchriftroUen. Links davon
stehen im Freien, das durch zwei Bäume gekenn-
zeichnet ist, derselbe Mann, nur in den Mantel
gehüllt (der rechte Schulter Arm und Brust freiläszt)
und in der Linken eine Rolle haltend; die Rechte
hebt er in Brusthöhe. Neben ihm eine Frau, be-
kleidet und verschleiert, welche sich zu ihm wendet
und den rechten Arm im Ellenbogen hebt und die
Hand emporstreckt (adorierend ?); neben ihr an der
Ecke steht noch ein kleines Mädchen, das eine Taube
an der Brust hält. Auf der rechten Seite ist in
felsiger Gegend (mit einem Baum) ein Hirt dargestellt,
in Exomis, auf dem Nacken ein Schaf tragend
das er mit beiden Händen an den Pfoten gefaszt
hält: um ihn vier Schafe, zwei stehend, eines lie-
gend, das vierte aus einer Quelle saufend, welche
an der Ecke des Sarkophags aus dem Felsen herab-
fiieszt. Ueber der Quelle sitzt auf dem Felsen der
Berggott, den Blick zum Hirten wendend; unterwärts
ist er bemäntelt, hat in der Rechten das Pedum und
die linke Hand an den Kopf gelegt; sein rechtes
Knie ist weggebrochen. In dieser Scene ist doch wol
'der gute Hirte' dargestellt und war der Sarkophag
für einen litterarisch gebildeten Christen bestimmt
gewesen; doch behauptet die alte Welt nocli ihr
volles Recht in den Ausdrucksformen der Darstellung.

Die schönsten Ueberreste des Alterthums finden
sich in S. Vitale zerstreut:

9. In dem dunklen Vorraum zur Sakristei
sind die beiden (trotz einer gewissen Routine der
Arbeit wundervollen) Reliefbruchstücke von einer
Darstellung der 'Apotheose der Julier' eingemauert;
gut herausgegeben, aber nicht ganz richtig erklärt
von Conze (Die Familie des Augustus. Halle 1867;
mit zwei Photographieen; 4°.); vgl. Friedländer

Arch. Ztg. 1867 S. 110 ff, dessen Bemerkungen,
wie mir scheint, die Figuren als Augustus, Venus

; Genetrix, Divus Julius (mit dem unzweifelhaft
sicheren 'Julium sidus' über der Stirn) und Clau-
dius sicher stellen. Die sitzende fünfte Figur,
von welcher nur noch die Hälfte und auch diese
sehr beschädigt erhalten, möchte Conze als Julia,
Friedländer als Victoria deuten: sollte es Roma

\ sein? oder Italia? Zu einer sicheren Entscheidung
wird man ohne neues Material kaum gelangen und
sich begnügen müssen, den Kreis zu bestimmen,
dem die sitzende Frauengestalt zugehört und zuge-
hören muss.

10. Rechts am Eingang zur Chornische findet
sich das Reliefbruchstück (H. 0,725; L. 1,595) mit

\ dem verhüllten Thron des Poseidon, der umgeben
ist von Eroten, welche Attribute desselben herbei-
schleppen157); schlecht abgebildet zB. Miliin Gal.
niyth. 73, '295 (umgekehrt). Dazu gehörten ur-
sprünglich die nach Venedig verschleppten Bruch-
stücke des Museums (Valentinelli Marmi scolpiti
no. 193 und 199) mit Eroten, welche die Harpe
und das Skepter des Kronos herbeibringen: vgl.
die vollständiger erhaltene Darstellung mit dem
Thron des Kronos im Louvre bei Clarac 218,
10; Miliin Gal. myth. 2, 2; u. a. m. Vgl. auch Conzo
Familie des Augustus S. 5 f. Anm. 1, welcher die
Reliefs von Ravenna richtig in den Anlang des
ersten christlichen Jahrhunderts setzt; die Originale
waren Werke der besten Diadochenkunst.

11. In der an S. Vitale anstoszenden kleinen Ka-
pelle, welche den Sarkophag des Exarchen Isaakios
(abg. Spreti I tav. VIII no. 276; vgl. die Inschrift

>57) Ein weiterer Schritt der Darstellung ist, dasz die
Attribute oder ein Attribut der Gottheit auf dem Thron liegt
und damit die Gottheit gleichsam selbst dargestellt wird: vgl.
die Marmorwerke in Lansdownehouse (Michaelis Arch. Ztg. 1874
S. 36, 17: abg. Mon. dell' Inst. V 28); in München (Brunn
Glyptoth. no. 262; 277); u. a. oder die Bilder Heibig no. 769
und 771 (abg. zB. Pitt. d'Erc. I 29; Miliin Gal. myth. 42, 189
und 147; u. a); u. s. w. Diese Form der Darstellung nahmen
die christlichen Künstler an: so zB. der Künstler der berühm-
ten Stoschischen Gemme (Berl. Gemmens. IX 130: abg. zB.
De Rossi Bull, crist. NS. III 9, 3) oder des Sarkophags aus
Tusculum (abg. Bull, crist. 1. c. tav. 6); in Ravenna selbt aber
der Künstler der Mosaiken im arianischen Baptisterium (S.
Maria in Cosmedin), indem er das Kreuz auf den Thron
setzte und damit den Heiland darstellte, welchem die Apostel
huldigend nahen. Vgl. dazu De Rossi Bull, crist. NS. III
p. 132 ss; anders Richter Mosaik, von Ravenna S. 39.
 
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