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Heydemann, Heinrich
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 3): Mittheilungen aus den Antikensammlungen in Ober- und Mittelitalien — Halle/​Saale, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.5990#0069
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auch im ClGr. 9869) birgt, ist — nebst einer Anzahl
von Inschriften und figürlichen Bruchstücken — auch
das Terracottarelief mit den beiden 'Tritonen' (?)
eingemauert, welches in der Gazette Archeologique III
pl. 1 p. 1 ss. veröffentlicht ist und mit Recht mit
einem schönen Kupferstich von Mantegna (abg. ebend.
pl. 2; vgl. Vasari am Schlusz der vita di Mantegna;
Bartsch Peintre graveur XIII p. 239 no. 18) in enge
Verbindung gebracht wird. Ich habe in Ravenna
das Terracottarelief für nicht antik gehalten — eben-
so wie das ebendaselbst eingemauerte Relief eines
römischen Kriegers mir nicht antik schien — und kann
es auch jetzt nicht für antik halten: ob mit Recht,
lasze ich ohne nochmalige Autopsie dahingestellt;
doch vermag ich (um Eins anzuführen) ganz mensch-
lich gebildete Tritonen, und die sollen doch vor-
gestellt sein, im erhaltenen Denkmälervorrath nicht
nachzuweisen 15S). Ist dasselbe antik, so hat es159)
oder eine verlorne Replik ohne Zweifel dem padu-
anischen Meister als Vorbild und Veranlaszuag zu
seiner 'battaglia de' mos/ri marini' gedient, nur dasz
der Künstler der Terracotta meines Erachtens nicht
einen Streit zwischen den beiden sog. Tritonen dar-
gestellt hat. Vielmehr ergrimmt der Mann links
vom Beschauer über sein Meerross und will es mit
dem Fischbündel in der erhobenen Rechten züchtigen,
während sein Genosze abwehrend einen pedumartigen
Stock (oder Keule) emporhebt. Anders dagegen
auf dem Kupferstich Mantegna's, wo 'Invidia' die
beiden Männer im Gefolge des Neptun 16°) entzweit
und dieselben sich nun mit Waffen, die ihnen grade
zur Hand sind — der eine mit einem Bündel Fische,
der andere mit einem Stecken — gegenseitig an-
greifen. Wird die Terracotta nicht vielmehr eine
freie Reproduction der Zeichnung sein?
In S. Giustina findet sich jetzt:

12. Die antike zweihenkelige Marmorvase (H. un-
gefähr 0,62; D. 0,90) mit erotischen Darstellungen, die
früher in S. Giovanni in Fönte stand (Conze S. 91*).

"*>) Voss Mythol. Briefe2 II S. 225 führt zwar aus
Sandrat Iconol. deor. Tab. H, 4 einen menschenbeinigen
Triton an; aber das Bild ist schreiend modern.

150) Mantegna könnte sehr wol von Bologna aus, wo
er 1472 einige Zeit sich aufhielt (vgl. dazu Crowe und Caval-
caselle Gesch. der ital. Malerei Deutsche Uebers. V S. 408),
einen Abstecher nach Eavenna gemacht und dort das Relief
gezeichnet haben.

'so) Die Figur des Gottes ist, wie mir scheint, ganz sicher
nach einer antiken kleinen Bronze entworfen.

Die Arbeit ist sehr mäszig, sogar grob. Unter jedem
Henkel sitzt ein Adler mit offenen Flügeln. Vorn:
zwei Eroten, welche von der Mitte aus auseinander-
schweben, je den Kopf umwendend und gemeinsam
eine Gnirlande (aus Olivenblättern mit Früchten; an
den Enden Bandstreifen) über dem Rücken haltend;
in der Vertiefung über der Guirlande liegen Bogen
und zwei (über Kreuz gelegte Pfeile). Hinten: dieselbe
Darstellung, docli statt des Bogens und der Pfeile zwei
über Kreuz gelegte kleine Lanzen (? oder vielmehr
dt&vgaa Zojxanü? der Marmor steht so dicht an der
Wand, dasz ich keine Entscheidung zu geben vermag).

Im Palazzo Murat endlich sind auf dem Hofe
drei römische Familiengrabsteine eingemauert, von
denen der mittlere (abg. bei Spreti I tab. XII no. 299)
kein weiteres gegenständliches Interesse erregt; die
anderen beiden dagegen, welche auch durch ihr
Höhenmasz sich auszeichnen, verdienen Beachtung:

13. Grabstein des L. Firmius Princeps u. s. w;
abg. bei Spreti I tab. XI no. 297. Arbeit sein- ge-
wöhnlich; die Erhaltung leidlich gut. Vier Reihen
Büsten übereinander; dazwischen immer Inschrift-
streifen. Oben 1G1) in Nische, die den bekrönenden
Bogen bricht, ein Frauenkopf; darunter die Brust-
bilder eines Ehepaars: die Frau hält mit der be-
ringten Linken ein Kind (nur Kopf sichtbar) an
der Brust und hat die Rechte um den Nacken des
Gatten gelegt. Darunter wieder zwei Büsten von
Männern, die bei Herstellung des Monuments noch
lebten, und unten endlich in einer viereckigen Ver-
tiefung noch ein Brustbild. Jederseits ein hoher
mit Ranken verzierter korinthischer Pfeiler, an deren
erhöhten Sockeln vorn die folgende interessante, bis
jetzt, nicht beachtete Darstellung sich findet: hier
wie dort sitzt eine geflügelte Sphinx, welche (ein-
ander zugewendet) je mit der einen vorgestreckten
Hand gemeinsam eine Blätterguirlande halten; die
andere Hand legt die Sphinx zur Linken des Be-
schauers auf eine bärtige Maske (sie), die Sphinx

161) Links oben neben dem Bogen ist ein Stückchen
Stein stehen geblieben mit der Zahl XX (vor ihr ist ein
wenig weggesprungen): Spretil. c. las noch vollständiger:
F • XX. Sollte nicht vielmehr N • XX zu lesen gewesen sein,
wie auf einer Anzahl von Steinen in Patavium (vgl. CILat. V
:>7s7)'? Die richtige Erklärung dieser Zahlen hat, wie mir
scheint, Bruzza Annali dell' Inst. 1S70 p. 113 ss festgestellt:
es sind Zahlen, welche in den Steinbrüchen der Controlle
wegen auf die nur erst roh zugehauenen Massen gesetzt
wurden und späterhin aus Versehen nicht weggemeiszelt
worden sind.

9*
 
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