Die jugendlichen Charaktermasken.
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natürlich als νεανίοκος nicht wie dieser rasiert gewesen sein1, und sein Hauptkriterium waren
die wulstigen Lippen.
Wir kommen zu den jugendlichen Charaktermasken. Über den ersten Episeistos
NEA 6 (S. 5 Eig. 7—10), den schwadronierenden Offizier, ist oben bereits das nötige gesagt
(vgl. auch S. 56). Aber über den Schmeichler und den Parasiten NEA 8. 9
(S. 22 ff. Eig. 48 — 52) ist noch einiges hinzuzufügen. Denn wie die Bildwerke lehren,
liegt der Unterschied zwischen beiden, wenigstens den ihren Namen tragenden Masken doch
tiefer als Ribbeck wollte2, der ihn für Menander darauf beschränkt glaubte, daß der Kolax dem
prahlerischen Offizier, der Parasit dem Privatmann aufgewartet habe. Wie nämlich der Kolax in
der Terrakotta von Myrina vor uns steht, hat er gar nichts einschmeichelndes und unterwürfiges;
er sieht vielmehr aus wie ein strenger Sittenrichter, ein antiker Tartüff. Das ist die Sorte
von Schmeichlern, die Plutarch in seiner Schrift über den Ereund und den Schmeichler so vor-
trefflich schildert. Ich setze ein paar besonders charakteristische Stellen, die man geradezu als
Motto unter die Terrakottafigur schreiben könnte, her: p. 59 B φενγοντες τον εν γέλωτι και
άκράτωι και Οκώμμαβι και παιδιαΐς έλεγχον εις όφρϋν αϊρουϋιν ηδη τό πράγμα και κολακεΰουΟιν
έϋκυΟρωπακότες και ψόγον τινα και νουΟεϋίαν παραμιγνύουοιν; ρ. 59 D ό dt κόλαξ πρώτον μεν ένδείκ-
νυται το πικρός είναι και περιβπερχης και απαραίτητος εν τοΐς προς ετέρους, οίκέταις γάρ αυτού
χαλεπός έοτι και ΰυγγενών και οικείων έπεμβηναι δεινός αμαρτήμαϋι και μηδένα ϋ-ανμάΰαι μηδέ
Οεμνϋναι των εκτός, άλλ’ ύπεροραν, άΰυγγνώμιον δέ καί διάβολος εν τώι πρός οργήν ετέρους παροξΰ-
νειν, Αηρωμενος μιΰοπονηρίας δόξαν, ως ουκ αν. έκών υφέμενος παρρηΰίας αύτοΐς ουδέ ποιήοας ούδέν
ουδ είπων πρός χάριν, έπειτα δέ των μέν άληίέινών και μεγάλων αμαρτημάτων ούδέν είδέναι προΰ-
Leute“. Ich erinnere mich nicht, es jemals gelesen zu haben; aber es ist gewiß schon von vielen bemerkt worden
und braucht wohl nur ausgesprochen zu werden, um zu überzeugen, daß es Metragyrten sind. Zwei Männer und
eine Frau. Alle drei tragen übrigens keine Masken, sondern Gesichtslarven, wie sie jetzt, freilich in viel älteren
Exemplaren im spartanischen Heiligtum der Orthaia zu Tage getreten sind (Ann. of the Brit. School XII pl. X—XII).
Die Gelehrten, die das Mädchen von Antium für einen Gallus halten, mögen aus dieser Darstellung lernen, wie solche
Leute aussahen. In ihrer Begleitung befindet sich ein Zwerg (nicht „ein kleiner Sklave“) mit alten Gesichtszügen und
einem Buckel, den die Metragyrten offenbar mit sich führen, um ihn zur Schau zu stellen. Also eine richtige alexan-
drinische Straßenszene. Dagegen wird der Jüngling, den die Terrakottafigur darstellt, durch den feinen Chiton,
den er trägt, und den Blumenkranz (oder soll es eine Hypothymis sein?) als zur feinen Gesellschaft gehörig
bezeichnet. Die Beobachtung von Wolters, auf der· Winters Kombination basiert, daß der die Becken schlagende
Metragyrt in einer myrinaeischen Terrakotta des athenischen Nationalmuseums wiederkehrt (Winter a. a. 0.
II 426, 5), wird natürlich hiervon nicht berührt. Nur die Zusammenstellung dieser Figur mit dem angeheiterten
έπίσειστος B ist unrichtig.
9 Wenn in einem Fragment aus dem Gerontodidascalus des Varro, auf das sich O. Ribbeck in seiner
Studie über den Agroikos (Abh. d. Sächs. Gesellschaft X 1888 S. 35) beruft, unter den Merkmalen des Agroikos
der schlecht rasierte Bart aufgeführt wird, so bezieht sich das natürlich auf den älteren Agroikos, auf den auch
allein die von Theophrast char. 4 geschilderten Züge der αγροικία passen, nicht auf den νεανίοκος.
2) In seiner Studie über den Kolax, Abh. d. Sächs. Ges. IX 1884 S. 21; zustimmend Giese De parasiti
persona capita selecta (Diss. Kil. 1908) p. 4.
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natürlich als νεανίοκος nicht wie dieser rasiert gewesen sein1, und sein Hauptkriterium waren
die wulstigen Lippen.
Wir kommen zu den jugendlichen Charaktermasken. Über den ersten Episeistos
NEA 6 (S. 5 Eig. 7—10), den schwadronierenden Offizier, ist oben bereits das nötige gesagt
(vgl. auch S. 56). Aber über den Schmeichler und den Parasiten NEA 8. 9
(S. 22 ff. Eig. 48 — 52) ist noch einiges hinzuzufügen. Denn wie die Bildwerke lehren,
liegt der Unterschied zwischen beiden, wenigstens den ihren Namen tragenden Masken doch
tiefer als Ribbeck wollte2, der ihn für Menander darauf beschränkt glaubte, daß der Kolax dem
prahlerischen Offizier, der Parasit dem Privatmann aufgewartet habe. Wie nämlich der Kolax in
der Terrakotta von Myrina vor uns steht, hat er gar nichts einschmeichelndes und unterwürfiges;
er sieht vielmehr aus wie ein strenger Sittenrichter, ein antiker Tartüff. Das ist die Sorte
von Schmeichlern, die Plutarch in seiner Schrift über den Ereund und den Schmeichler so vor-
trefflich schildert. Ich setze ein paar besonders charakteristische Stellen, die man geradezu als
Motto unter die Terrakottafigur schreiben könnte, her: p. 59 B φενγοντες τον εν γέλωτι και
άκράτωι και Οκώμμαβι και παιδιαΐς έλεγχον εις όφρϋν αϊρουϋιν ηδη τό πράγμα και κολακεΰουΟιν
έϋκυΟρωπακότες και ψόγον τινα και νουΟεϋίαν παραμιγνύουοιν; ρ. 59 D ό dt κόλαξ πρώτον μεν ένδείκ-
νυται το πικρός είναι και περιβπερχης και απαραίτητος εν τοΐς προς ετέρους, οίκέταις γάρ αυτού
χαλεπός έοτι και ΰυγγενών και οικείων έπεμβηναι δεινός αμαρτήμαϋι και μηδένα ϋ-ανμάΰαι μηδέ
Οεμνϋναι των εκτός, άλλ’ ύπεροραν, άΰυγγνώμιον δέ καί διάβολος εν τώι πρός οργήν ετέρους παροξΰ-
νειν, Αηρωμενος μιΰοπονηρίας δόξαν, ως ουκ αν. έκών υφέμενος παρρηΰίας αύτοΐς ουδέ ποιήοας ούδέν
ουδ είπων πρός χάριν, έπειτα δέ των μέν άληίέινών και μεγάλων αμαρτημάτων ούδέν είδέναι προΰ-
Leute“. Ich erinnere mich nicht, es jemals gelesen zu haben; aber es ist gewiß schon von vielen bemerkt worden
und braucht wohl nur ausgesprochen zu werden, um zu überzeugen, daß es Metragyrten sind. Zwei Männer und
eine Frau. Alle drei tragen übrigens keine Masken, sondern Gesichtslarven, wie sie jetzt, freilich in viel älteren
Exemplaren im spartanischen Heiligtum der Orthaia zu Tage getreten sind (Ann. of the Brit. School XII pl. X—XII).
Die Gelehrten, die das Mädchen von Antium für einen Gallus halten, mögen aus dieser Darstellung lernen, wie solche
Leute aussahen. In ihrer Begleitung befindet sich ein Zwerg (nicht „ein kleiner Sklave“) mit alten Gesichtszügen und
einem Buckel, den die Metragyrten offenbar mit sich führen, um ihn zur Schau zu stellen. Also eine richtige alexan-
drinische Straßenszene. Dagegen wird der Jüngling, den die Terrakottafigur darstellt, durch den feinen Chiton,
den er trägt, und den Blumenkranz (oder soll es eine Hypothymis sein?) als zur feinen Gesellschaft gehörig
bezeichnet. Die Beobachtung von Wolters, auf der· Winters Kombination basiert, daß der die Becken schlagende
Metragyrt in einer myrinaeischen Terrakotta des athenischen Nationalmuseums wiederkehrt (Winter a. a. 0.
II 426, 5), wird natürlich hiervon nicht berührt. Nur die Zusammenstellung dieser Figur mit dem angeheiterten
έπίσειστος B ist unrichtig.
9 Wenn in einem Fragment aus dem Gerontodidascalus des Varro, auf das sich O. Ribbeck in seiner
Studie über den Agroikos (Abh. d. Sächs. Gesellschaft X 1888 S. 35) beruft, unter den Merkmalen des Agroikos
der schlecht rasierte Bart aufgeführt wird, so bezieht sich das natürlich auf den älteren Agroikos, auf den auch
allein die von Theophrast char. 4 geschilderten Züge der αγροικία passen, nicht auf den νεανίοκος.
2) In seiner Studie über den Kolax, Abh. d. Sächs. Ges. IX 1884 S. 21; zustimmend Giese De parasiti
persona capita selecta (Diss. Kil. 1908) p. 4.
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