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Die Herkunft der· Masken.
Woher aber stammen die Masken mit Stephane, also die beiden πρεοβΰται, die meisten
vornehmen Jünglingsmasken, inklusive des von Alexis geschaffenen Parasiten, und die παλλακή?
Und wie verhält sich die Stephane zur Speira? Wir können dieser immer wieder hinaus-
geschobenen Frage nun nicht mehr länger aus dem Wege gehen. Zunächst konstatieren wir,
daß weder auf den Phlyakenvasen noch bei den älteren Terrakotten eine Spur dieser Stephane
zu erkennen ist. Ferner hat auf der bereits oben (S. 79 A. 2) erwähnten attischen Grabstele in
Lyme Park, die ich hier nach dem Journal of hellenic studies pl. 13 abbilde (Fig. 127), die in
Profil und Vorderansicht dargestellte bärtige Maske, die etwa den beiden πρεοβΰται der neueren
Komödie zu entsprechen scheint, sicher keine Stephane, sondern dreigeteiltes Haar. Sollte also
die Stephane am Ende doch nur die auf vornehme Personen übertragene und deshalb mit einem
stolzerem Namen getaufte Speira sein? Dafür könnte zu sprechen scheinen, daß in jener
schon wiederholt herangezogenen Stelle des Amphitruo V. 144 die Stephane des lupiter-
Amphitruo geradezu als torus bezeichnet wird. Und doch, glaube ich, daß gerade diese
Stelle die Annahme wiederlegt und uns auf den richtigen Weg leiten kann. Dieser torus
ist aus Gold, und solche goldene Toupets als Stirnschmuck hat Fr. Hauser in einem
glänzenden Aufsatz in großer Anzahl zusammengestellt und in ihnen die so lange gesuchten
und so oft falsch erklärten τέττιγες nachgewiesen1. An diesem goldenen Toupet erkennt nun der
Zuschauer den Pseudo-Amphitruo als einen Gott. Wie nun, wenn dies nicht der vereinzelte
Einfall des griechischen Originals, sondern die feste Bühnenpraxis in einer bestimmten
Periode der attischen Komödie gewesen wäre ? Das goldene Haartoupet bezeichnet den
Gott, wie denn in der Tat schon auf der schönen Schale des Museum Gregorianum der
die junge Hera davontragende Zeus eine solche goldene Stephane trägt2. Das müßte
also eine Periode gewesen sein, in der man sich mit Vorliebe der Travestie der Göttersage
zugewandt hatte, wie das in der mittleren Komödie der Fall war. Und dies ist, wie ich glaube,
des Rätsels Lösung. Die mittlere Komödie hat die Stephane geschaffen, oder sie vielmehr,
da sie ja längst vorhanden war, auf die Bühne gebracht. Und dazu stimmt vortrefflich, daß
wir bei dem ηγεμών πρεοβντης ein anderes archaistisches Element mit der Stephane verbunden
finden, die gedrehten Bartlocken. So wie dieser bald aufbrausende bald gutmütige alte Herr wird
wohl auch der Zeus in der mittleren Komödie ausgesehen haben. Die neuere Komödie, die sich
ausschließlich dem bürgerlichen Leben zuwandte, hat dann dieses goldene Toupet durch ein
solches von wirklichen Haaren ersetzt, und es ist vielleicht kein Zufall, wenn dies im Kanon
des Aristophanes bei der ersten Erwähnung der Stephane ausdrücklich hervorgehoben wird:
Οτεφάτη τριχών. Diese Errungenschaft wurde nun mannigfach variiert. Bei dem πρεϋβότης
μακροπώγων και επιΰείων hat man die archaischen Bartlocken des ηγεμων πρεοβότης durch den
langen wogenden Bart des Lykomedeios ersetzt und zugleich die Enden der Stephane in lange
herabhängende Locken aufgelöst. Letzteres hat man dann auch bei den bartlosen Masken der
o o
1) Österreich. Jahreshefte IX 1906 S. 75 ff.; vgl. Beiblatt X 1907 S. 9 ff. XI 1908 S. 87.
3) Overbeck Kunstmytliologie III 4 Taf. XVIII 12. Vgl. Hauser a. a. 0. S. 100 Big. 32.
Die Herkunft der· Masken.
Woher aber stammen die Masken mit Stephane, also die beiden πρεοβΰται, die meisten
vornehmen Jünglingsmasken, inklusive des von Alexis geschaffenen Parasiten, und die παλλακή?
Und wie verhält sich die Stephane zur Speira? Wir können dieser immer wieder hinaus-
geschobenen Frage nun nicht mehr länger aus dem Wege gehen. Zunächst konstatieren wir,
daß weder auf den Phlyakenvasen noch bei den älteren Terrakotten eine Spur dieser Stephane
zu erkennen ist. Ferner hat auf der bereits oben (S. 79 A. 2) erwähnten attischen Grabstele in
Lyme Park, die ich hier nach dem Journal of hellenic studies pl. 13 abbilde (Fig. 127), die in
Profil und Vorderansicht dargestellte bärtige Maske, die etwa den beiden πρεοβΰται der neueren
Komödie zu entsprechen scheint, sicher keine Stephane, sondern dreigeteiltes Haar. Sollte also
die Stephane am Ende doch nur die auf vornehme Personen übertragene und deshalb mit einem
stolzerem Namen getaufte Speira sein? Dafür könnte zu sprechen scheinen, daß in jener
schon wiederholt herangezogenen Stelle des Amphitruo V. 144 die Stephane des lupiter-
Amphitruo geradezu als torus bezeichnet wird. Und doch, glaube ich, daß gerade diese
Stelle die Annahme wiederlegt und uns auf den richtigen Weg leiten kann. Dieser torus
ist aus Gold, und solche goldene Toupets als Stirnschmuck hat Fr. Hauser in einem
glänzenden Aufsatz in großer Anzahl zusammengestellt und in ihnen die so lange gesuchten
und so oft falsch erklärten τέττιγες nachgewiesen1. An diesem goldenen Toupet erkennt nun der
Zuschauer den Pseudo-Amphitruo als einen Gott. Wie nun, wenn dies nicht der vereinzelte
Einfall des griechischen Originals, sondern die feste Bühnenpraxis in einer bestimmten
Periode der attischen Komödie gewesen wäre ? Das goldene Haartoupet bezeichnet den
Gott, wie denn in der Tat schon auf der schönen Schale des Museum Gregorianum der
die junge Hera davontragende Zeus eine solche goldene Stephane trägt2. Das müßte
also eine Periode gewesen sein, in der man sich mit Vorliebe der Travestie der Göttersage
zugewandt hatte, wie das in der mittleren Komödie der Fall war. Und dies ist, wie ich glaube,
des Rätsels Lösung. Die mittlere Komödie hat die Stephane geschaffen, oder sie vielmehr,
da sie ja längst vorhanden war, auf die Bühne gebracht. Und dazu stimmt vortrefflich, daß
wir bei dem ηγεμών πρεοβντης ein anderes archaistisches Element mit der Stephane verbunden
finden, die gedrehten Bartlocken. So wie dieser bald aufbrausende bald gutmütige alte Herr wird
wohl auch der Zeus in der mittleren Komödie ausgesehen haben. Die neuere Komödie, die sich
ausschließlich dem bürgerlichen Leben zuwandte, hat dann dieses goldene Toupet durch ein
solches von wirklichen Haaren ersetzt, und es ist vielleicht kein Zufall, wenn dies im Kanon
des Aristophanes bei der ersten Erwähnung der Stephane ausdrücklich hervorgehoben wird:
Οτεφάτη τριχών. Diese Errungenschaft wurde nun mannigfach variiert. Bei dem πρεϋβότης
μακροπώγων και επιΰείων hat man die archaischen Bartlocken des ηγεμων πρεοβότης durch den
langen wogenden Bart des Lykomedeios ersetzt und zugleich die Enden der Stephane in lange
herabhängende Locken aufgelöst. Letzteres hat man dann auch bei den bartlosen Masken der
o o
1) Österreich. Jahreshefte IX 1906 S. 75 ff.; vgl. Beiblatt X 1907 S. 9 ff. XI 1908 S. 87.
3) Overbeck Kunstmytliologie III 4 Taf. XVIII 12. Vgl. Hauser a. a. 0. S. 100 Big. 32.