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Abweichungen vom Aristophanischen Kanon.
wert ist, daß bei dem Neapler Exemplar dieser Maske das Haar in
derselben Weise gescheitelt ist wie bei dem γράιόιοτ ogu (S. 47
Eig. 83. 84).
Es würde natürlich weit über die Grenzen dieses Programms
hinausführen, wenn ich versuchen wollte, für alle Personen der uns
bekannten Stücke die Masken zu bestimmen. So viel aber geht schon
aus diesem Überblick hervor, daß sich für weitaus die größte Anzahl
der aufgezählten Masken ihre Verwendung in diesen Stücken erweisen
läßt, und daß umgekehrt das Maskeninventar des Aristophanes zur
Ausstattung aller in diesen Stücken auftretenden Personen ausreicht.
Kein Wunder, da dieser Maskenkatalog ja nach einem festen und
wohldurchdachten System angelegt ist. Aber andererseits wird sich
in der Praxis kein Dichter und kein Regisseur an solchen Kanon ge-
bunden haben, der dem dichterischen Schaffen und der Inszenierung
unerträgliche Kesseln angelegt haben würde, wenn man ihn strikte
hätte befolgen wollen. Wenn z. B. in einem Stücke ein recht bos-
hafter und verschlagener Bordellwirt vorkam, für den die freundlich
verbindliche Maske des πορνοβοσκός nicht paßte, wird man sich wahr-
haftig nicht besonnen haben, ihn in der des Sphenopogon auftreten zu
lassen, und so haben wir mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die
Fig. 92.
liirquina barba, die Ballio im Pseudolus trägt (s. oben S. 55), nicht ein Einfall des Plautus ist,
sondern aus dem griechischen Original stammt, in dem dieser Bordellwirt in der Maske des
Sphenopogon auftrat, die ja namentlich für den großen Monolog V. 133 ff. vorzüglich paßt.
Dasselbe lehren die Bildwerke. Eine Berliner Terrakottastatuette1 hat einen Kopf mit ausge-
sprochenen Maisontypus (Eig. 92); aber Gewandung und Haltung scheinen für einen Koch
nicht zu passen; ebensowenig für einen Schiffer, welchem Stande diese Maske nach Eestus
gleichfalls zukam (S. 72 A. 3). Hier liegt nun der Eall vor, daß in einer Komödie eine Person,
die kein Koch oder Schiffer war, dennoch in der Maisonmaske auftrat, was ja auch Eestus
ausdrücklich bezeugt.
Ferner wäre es doch eine unglaubliche Pedanterie gewesen, wenn man den gescheiten
Einfall, den beiden Gesichtshälften durch Hochziehen der einen Augenbraue einen ver-
schiedenen Ausdruck zu geben, auf den πρεσβύτης ηγεμιόν und den Λνκομι'/ό'ειος beschränkt und
ihn nicht auch für andere Masken, und zwar sow’ohl άνατεταμίτα als καΟ-εεμίνα, verwandt hätte.
Namentlich bei dem όονλος θεράπων läßt sich das häufig beobachten. Das Berliner Antiquarium
besitzt zwei athenische Terrakotta-Exemplare dieser Maske, von denen das eine (Fig. 93)2 nur die
>) Aus Pergamon, Inv. d. Kleinfunde 173. H. 0,115.
3) T. I. 6958. Aus der Sammlung Komnos. H. 0,06.
Abweichungen vom Aristophanischen Kanon.
wert ist, daß bei dem Neapler Exemplar dieser Maske das Haar in
derselben Weise gescheitelt ist wie bei dem γράιόιοτ ogu (S. 47
Eig. 83. 84).
Es würde natürlich weit über die Grenzen dieses Programms
hinausführen, wenn ich versuchen wollte, für alle Personen der uns
bekannten Stücke die Masken zu bestimmen. So viel aber geht schon
aus diesem Überblick hervor, daß sich für weitaus die größte Anzahl
der aufgezählten Masken ihre Verwendung in diesen Stücken erweisen
läßt, und daß umgekehrt das Maskeninventar des Aristophanes zur
Ausstattung aller in diesen Stücken auftretenden Personen ausreicht.
Kein Wunder, da dieser Maskenkatalog ja nach einem festen und
wohldurchdachten System angelegt ist. Aber andererseits wird sich
in der Praxis kein Dichter und kein Regisseur an solchen Kanon ge-
bunden haben, der dem dichterischen Schaffen und der Inszenierung
unerträgliche Kesseln angelegt haben würde, wenn man ihn strikte
hätte befolgen wollen. Wenn z. B. in einem Stücke ein recht bos-
hafter und verschlagener Bordellwirt vorkam, für den die freundlich
verbindliche Maske des πορνοβοσκός nicht paßte, wird man sich wahr-
haftig nicht besonnen haben, ihn in der des Sphenopogon auftreten zu
lassen, und so haben wir mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die
Fig. 92.
liirquina barba, die Ballio im Pseudolus trägt (s. oben S. 55), nicht ein Einfall des Plautus ist,
sondern aus dem griechischen Original stammt, in dem dieser Bordellwirt in der Maske des
Sphenopogon auftrat, die ja namentlich für den großen Monolog V. 133 ff. vorzüglich paßt.
Dasselbe lehren die Bildwerke. Eine Berliner Terrakottastatuette1 hat einen Kopf mit ausge-
sprochenen Maisontypus (Eig. 92); aber Gewandung und Haltung scheinen für einen Koch
nicht zu passen; ebensowenig für einen Schiffer, welchem Stande diese Maske nach Eestus
gleichfalls zukam (S. 72 A. 3). Hier liegt nun der Eall vor, daß in einer Komödie eine Person,
die kein Koch oder Schiffer war, dennoch in der Maisonmaske auftrat, was ja auch Eestus
ausdrücklich bezeugt.
Ferner wäre es doch eine unglaubliche Pedanterie gewesen, wenn man den gescheiten
Einfall, den beiden Gesichtshälften durch Hochziehen der einen Augenbraue einen ver-
schiedenen Ausdruck zu geben, auf den πρεσβύτης ηγεμιόν und den Λνκομι'/ό'ειος beschränkt und
ihn nicht auch für andere Masken, und zwar sow’ohl άνατεταμίτα als καΟ-εεμίνα, verwandt hätte.
Namentlich bei dem όονλος θεράπων läßt sich das häufig beobachten. Das Berliner Antiquarium
besitzt zwei athenische Terrakotta-Exemplare dieser Maske, von denen das eine (Fig. 93)2 nur die
>) Aus Pergamon, Inv. d. Kleinfunde 173. H. 0,115.
3) T. I. 6958. Aus der Sammlung Komnos. H. 0,06.