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Robert, Carl
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 25): Die Masken der neueren Attischen Komödie — Halle a. S.: Niemeyer, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.57695#0089
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81

Fig. 99.


Freigelassenen und der Hetären-Sklavin kon-
statiert 1 und wollen nun noch ein paar
weitere Beispiele hinzufügen. Die in Corneto
gefundene prächtige Terrakottamaske einer
freundlichen Alten im Berliner Antiquarium2
gibt sich sofort als Variante der χραΰς παχεΐία,
also der Hetärenmutter zu erkennen (Fig. 99).
Sie weist die beiden von Pollux angeführten
Kriterien deutlich auf: die παχείαζ ρυτίδας εν
ενΰαρκίαι und das ταινίόιον τάς τρίχας .περιλαμβάνον; außerdem hat
sie mit dem oben besprochenen Lecuyerschen Exemplar der
παχεία (S. 46 Fig. 81) die Scheitelung über der Stirn gemein. Und
doch wie verschieden ist der Ausdruck. Die weiter geöffneten


Augen, die kleinen Krähenfüßchen an den Augenwinkeln und der Zug um Mund und Nase
zeugen von einer viel größeren Intelligenz. Während jene andere Alte an dem Treiben ihrer
Klienten eine gutmütige Freude zu haben scheint, ist diese trotz aller Freundlichkeit eine scharf
beobachtende und berechnende Intrigantin. Von äußerlichen Abweichungen sei noch hervor-
gehoben, daß ihr Haar seitlich nicht aufgepufft, sondern hinter die Ohren zurückgestrichen ist
und daß ihre Tänie weiter nach hinten sitzt.

Man sieht, welchen Spielraum der Kanon für Variationen ließ, selbst wenn man sich
strikte an seinen Wortlaut hielt, und natürlich war das in noch weit höherem Maße der Fall,
wenn man sich solche kleine Abweichungen erlaubte, wie wir sie in Bezug auf Augenbrauen
und Stirnfalten vorher konstatiert haben. Dafür noch ein Beispiel. Den Maison haben wir
bisher mit sehr starker Glatze und etwas abstehenden Haaren kennen lernen. Dagegen zeigt
ihn eine Terrakottamaske des Berliner Museums3 mit kleinerer Glatze und dicht anliegendem
Haar, das sich sogar in der Mitte zu einer Art Speira erhebt (Fig. 100).
Man geht aber noch weiter, indem man einerseits ganz Neues erfindet, andrerseits die
charakteristischen Kriterien der einen Maske auf die andere überträgt, so daß von Überein-
stimmung mit dem Aristophanischen Kanon nicht mehr die Rede ist. Diese Neubildungen möchte
ich als irreguläre Masken bezeichnen. So zeigt eine als Stirnziegel dienende Maske im Museum
von Neapel4 die für den ί/γεμών πρεΰβύτηα charakteristischen gedrehten Bartlocken und die
gekrümmte Nase (Fig. 101). Auch ist die rechte Augenbraue beträchtlich mehr in die Höhe
gezogen, so daß wir es wohl sicherlich mit einem Vertreter des ήγεμών πρεΰβύτης zu tun haben.

0 S. oben S. 18, S. 24 f., S. 37.
2) T. I. 7138. H. 0,185.
3) T. I. 51'28. H. 0,015. Aus Smyrna, Sammlung Spiegelthal.
4) II. 0,16. Nach einer von Keknle freundlich zur Verfügung gestellten Zeichnung L. Ottos.
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