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Robert, Carl
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 25): Die Masken der neueren Attischen Komödie — Halle a. S.: Niemeyer, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.57695#0093
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Der Masken-Sarkophag aus dem Calpurnier-Grab.

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spätere Variante des Lykomedeios sein (vgl. oben S. 9 Fig. 16—19). Die Frauenmaske über der
Ähren guirl and e1 hat ein altes mageres runzliges Gesicht, etwa wie das Lykainion, nur daß ihm
der wolfartige Ausdruck fehlt, dazu aber eine Stephane, die uns bei älteren Frauenmasken
bisher nur zweimal begegnet ist, bei der zum Kanon gehörigen παλλακή (S. 39 Fig. 68) und bei
der irregulären Maske einer Kupplerin auf dem einen Komödienbilde aus casa del centenario
(S. 70 Fig. 88). Für eine παλλακή ist aber die Maske auf dem Sarkophag entschieden zu alt.
Es wird sich also wohl auch bei ihr um eine irreguläre Maske der Kupplerin handeln, die aus
dem Λνκαίνιον entwickelt ist. Aber noch seltsamer ist die ihr gegenüberstehende Sklavenmaske,
die neben leicht gehobenen Augenbrauen und Stirnrunzeln langes, schlichtes, dicht anliegendes
Haar hat. Sie stimmt zu keiner der kanonischen Sklavenmasken, die entweder Speira oder
Glatze haben; aber der Ausdruck ist ungefähr der des κάτω τριχιάς (S. 17 Fig. 34). Man könnte
sie also einen κάτω τριχιάς ohne Glatze nennen, obgleich dies eine Art von contradictio in
adiecto ist.
Es würde einen großen Heiz haben, alle Maskenbildwerke daraufhin zu untersuchen, wie
weit sie mit dem Aristophanischen Kanon übereinstimmen, worin die Abweichungen der
irregulären Masken von diesem Kanon bestehen und wodurch sie sich erklären, ob sich lokale
und chronologische Verschiedenheiten nachweisen lassen, ob und welche Umbildungen die Masken
erfuhren, als sie von der römischen Komödie übernommen wurden, kurz die Entwickelungs-
geschichte der komischen Maske von der Zeit des Aristophanes von Byzanz an zu schreiben.
Aber abgesehen davon, daß ein solcher Versuch die diesem Programm gesteckten Grenzen weit
überschreiten würde, scheint hierfür die Zeit noch nicht gekommen. So reich und groß das
Material ist, das ich dank der Hilfsbereitschaft so vieler aufopfernder Freunde übersehe, für
annähernd vollständig kann es noch lange nicht gelten. Und überhaupt sollen hier nur die
ersten, z. T. recht unsicheren Fundamente für eine weitgreifende und tief einschneidende Unter-
suchung gelegt werden, auf denen korrigierend und ergänzend weiter zu bauen ich anderen
überlassen muß. Nur über die einzelnen Denkmälerklassen, die wir bisher bunt durcheinander
herangezogen und verwertet haben, flechte ich hier noch ein paar Bemerkungen ein.
Als außerordentlich wichtig und ungemein zuverlässig haben sich uns die Terrakotten
aus Myrina, Pergamon und Priene erwiesen; kein Wunder, denn diese Städte liegen ja in dem
Bannkreis von Teos, der hohen Schule hellenistischer Schauspielkunst. Weniger streng kano-
nisch sind, auch schon in der früheren Zeit, die Terrakotten anderer Provenienz, namentlich
die aus Italien, von denen ich darum auch nur wenige herangezogen habe. Hier hat man
in der Tat bei vielen den Eindruck, daß sie nicht in die neuere Komödie, sondern in die
einheimische Posse gehören2. Dagegen sind die Marmorstatuen komischer Schauspieler und die

9 Wie bei dem Marsyassarkophag Barberini (Sark. Bel. III 196) in den Guirlanden alle vier Jahreszeiten
zum Ausdruck gebracht sind, so hier in der Guirlande links der Herbst, in der rechts der Sommer.
2) S. z. B. Winter a. a. Ο. II 430, 7. 431, 1—8.
 
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