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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Goethes Meinungen über Gestaltungsfragen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0038

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28

INNEN-DEKORATION

GOETHES MEINUNGEN ÜBER GESTALTUNGSFRAGEN

Goethes Art, überall den lebendigen Menschen
in den Mittelpunkt seiner Erwägungen zu
stellen, wird bei jedesmaliger Begegnung mit seinen
Gedanken von neuem erfrischen und beglücken. Hat
es je ein Bewußtsein gegeben, welches so wie das
seinige die Gesamtsituation des Menschen rundum
zu erfassen und mit allen Faktoren vors Auge zu
bringen vermochte ? Eben dieser Totalansicht ver-
danken Goethesche Meinungen ihren unvergleich-
lichen Reiz, insbesondere seine Meinungen über die
Frage, wie der Mensch als Gestaltender die Umwelt
bedingt und wie er zugleich von ihr bedingt wird.

Im »Wilhelm Meister« läßt Goethe seinen wandern-
den Helden an einem schloßartigen Gebäude vorüber-
kommen. Villa und Park sind in bester Ordnung,
aber Tür und Tor verschlossen und das Ganze augen-
scheinlich nicht bewohnt. Auf Befragen stellt sich
heraus, »dies sei das Erbteil eines jungen Mannes,
dem es von seinem in hohem Alter erst kurz ver-
storbenen Vater soeben hinterlassen worden«, nur
wolle der Erbe diesen schönen Besitz nicht bewoh-

nen, »weil ihm hier leider alles zu fertig sei, er habe
hier nichts mehr zu tun, und das Vorhandene zu
genießen sei gerade nicht seine Sache«. Meldet sich
hier schon der Gedanke an, daß das bereits Ge-
staltete dem Menschen nicht genügen könne, weil
dabei seine schöpferischen, seine eigentlichen Le-
bens- und Betätigungstriebe brachliegen, so wird
dies in der Fortsetzung noch deutlicher ausgeführt.
Jener Erbe hat sich, statt den Besitz des Vaters zu
beziehen, ein Grundstück im Gebirge ausgesucht,
»wo er für sich und seine Gesellen Mooshütten bauen
und eine Art von jägerischer Einsiedelei anlegen
wolle«; und daran schließt Goethe die Betrachtung,
daß es die Eigenheit des Menschen sei, von vorn
anfangen zu wollen, was seinen guten Grund
darin habe, daß genau genommen doch jeder wirk-
lich von vorn anfängt und auf nichts so gern seine
Wirkung richtet als auf das, was er selber geschaffen
hat.

Aber kaum hat Goethe dieses echt menschliche
Verlangen nach schöpferischem Neugestalten aus-
 
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