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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Goethes Meinungen über Gestaltungsfragen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0039

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INNEN-DEKORATION
I

SCHRE.BT.SCH, NUSSBAUM MIT SEKURITGLASPLATTE

gesprochen, als er seinen Helden schon
auf der nächsten Seite in ein Haus führt,
wo das Alte, Ererbte durchaus vorherrscht:
»In sauberen Räumen zeigten sich überall
Gerätschaften, die schon einigen Gene-
rationen mochten gedient haben, unter-
mischt mit wenigem Neuen .. . Diese Uhren
hatten schon mancher Geburts- und Sterbe-
stunde geschlagen, und was umherstand,
erinnerte, daß Vergangenheit auch in die
Gegenwart übergehen könne.« Der Herr
des Hauses erläutert dieses Festhalten am
Alten mit Gedanken, die ebenso echt zu
Goethes Welt gehören wie vorher die Ge-
danken über das schöpferische Von-vorn-
Anfangen: »Sie sehen hier, wie lange etwas
dauern kann, und man muß doch auch
dergleichen sehen, zum Gegengewicht des-
sen, was in der Welt so schnell wechselt
und sich verändert. Dieser Teekessel diente
schon meinen Eltern, dieser kupferne Ka-
minschirm schützt mich noch immer vor
dem Feuer, das diese alte mächtige Zange
anschürt; und so geht alles durch und
durch. Anteil und Tätigkeit könnt' ich
daher auf gar viele Gegenstände wenden,
weil ich mich mit der Veränderung dieser

29

äußern Bedürfnisse nicht weiter
beschäftigte.«

Ist es Zufall, daß Goethe hier
ein Bekenntnis zum ungestümen
Neuschaffen unmittelbar mit einem
herzlichen Bekenntnis zum Haf-
ten am Alten zusammenbringt?
Keineswegs. Denn nur diese Dop-
pelansicht entspricht seinem vol-
len Wissen um den Menschen,
welchem wohl die ständige Ver-
änderung und Neugestaltung des
Vorhandenen, zugleich aber auch
eine ruhevolle, bestätigende Orien-
tierung an etwas Bleibendem an-
gemessen ist, also die »Dauer im
Wechsel«. Vor diesem Wissen
erhebt sich die Spannung zwischen
der Autorität des Ererbten und
dem unwiderstehlichen Drang zum
Neuschaffen, um uns die Augen
für die große Wahrheit zu öffnen,
daß nur im Felde dieser Spannung
die echten Rufe gehört werden
können, die uns dazu lenken,
unsere Beziehung zum Bleibenden
und schöpferisches Vordringen
schicksalsgerecht zu verteilen. R.

CO PONT. »AUS DER DIELE DER

WOHNUNG V.-MAILAND«
 
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