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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Kultur und Diogenes
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0161

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INNEN-DEKORATION

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»SCHREIBZIMMER« MÖBEL: EICHE GEBEIZT, BEZÖGE: BRAUN UND BEIGE, LAUFER: NATURFARBENER BOUCLE

rische Geistigkeit des Horaz den äußeren Aufwand,
die »apparatus persicos« ab.

Aber die Kultur ist auf ihrem langen Gange stets
geleitet worden von der geheimen Überzeugung, daß
der Mensch im letzten berufen und befähigt sei, ein
vollkommen leibliches und ein vollkommen geistiges
Leben zugleich zu verwirklichen. Wenn Johann der
muntere Seifensieder den Goldschatz, der ihm die
fröhliche Unschuld des Gemütes stört, dem Spender
zurückbringt, so handelt er für seinen bestimmten
Fall gewiß richtig. Aber er sieht nicht die Aufgabe,
die Forderung, daß im Grunde der Geist des Menschen
so frei, sein Herz so groß werden muß, daß der Besitz
ihn nicht mehr stört, sondern zum Ausdrucks- und
Auswirkungsmittel des Geistigen geadelt wird.

Dies ist das Ziel der Kultur. An der Fähigkeit des
Menschen, es zu erreichen, hat die Kultur nie gezwei-
felt. Die Aufgabe ist schwer. Kultur als Verwirk-
lichung des nach allen Seiten lebendigen Vollmen-
schen ist die ungeheuerste, ja die einzige ungeheure
Unternehmung, welche die Erde zum Schauplatz hat.
Aber der Mensch ist für sie angetreten aus Zwängen,

die seinem Belieben nicht unterstehen, die mit seinem
Dasein selbst gesetzt sind. Kein Wunder, daß die Ver-
suche zur Durchführung dieses Unternehmens alle
Spannungen aufweisen, die es in der menschlichen
Existenz selbst gibt: das Auseinanderfallen des Schö-
nen und des Wahren, den gelegentlichen Wider-
spruch zwischen Sein und Schein, die Gefahr der
Lüge, die Gefahr der Verdorrung. Aber unerschöpf-
lich wie die Kraft, die immer wieder lebendige Men-
schen an die Einheit ihres Seins glauben läßt, ist auch
die Kraft, die dem Kulturschaffen das gute Gewissen
gibt. Die Kultur als Ganzes hat ihre Phasen, ihre
schwungvollen und ihre rückgängigen Augenblicke,
genau so, wie auch der Einzelmensch die Einheit
seines Lebens zu verschiedenen Perioden verschieden
organisiert, einmal unter Überbetonung des Inneren,
einmal unter Voranstellung des Äußeren. Denn Kul-
tur ist fortgehende Schöpfung, die sich im Problem
jedem Geschlechte von neuem stellt. Die Vielheit
ihrer Ansätze beweist nur desto zwingender die Ein-
heit ihres Ziels: der Mensch will sich nach Geist und
Leib in der von ihm gestalteten Welt wiederfinden. -
 
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