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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Michel, Wilhelm: Gedanken über das Schöne
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0219

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INNEN-DEKORATION

209

TAFELPORZELLAN DER STAATL. PORZELLAN-MANUFAKTUR -BERLIN NACH ENTWURF VON TRUDE PETR1
BESTECK: BRUCKMANN & SÖHNE-HEILBRONN, ENTW. LETTRE. - GLÄSER: VEREINIGTE LAUSITZER GLASWERKE

GEDANKEN ÜBER DAS SCHÖNE

Ein stilles und in seiner Stille ergreifendes Wort von
Emil Strauß lautet: »Das Schöne ist uns vertraut.«
Schönheit ist nicht nur Schönheit, sie ist auch Hei-
mat. Wir »kennen« aus Urkenntnis das Schöne. Es ist
uns vertraut als zugehörig; wir kennen uns selbst im
Schönen wieder. Das Formlose, das Unschöne ist
Fremde und fremdet uns an. Aber durch das Schöne
werden wir an unvordenklich Eigenes gemahnt: an
die innere Geschlossenheit unsres Wesens, an die Lö-
sung der Konflikte in der eignen Brust und das Her-
vorgehen der Harmonie. Das Schöne, dem wir sehen-
den Auges begegnen, bildet die erstrebte, erwünschte,
geglückte Einheit unsres Seins ab. Es ist Beispiel der
uns möglichen und zugesprochenen Vollendung und
hat also mit dem Grundanliegen unsrer Existenz zu
tun. Das Schöne ist ein Heimruf aus der Verstoßen-
heit in die unbewältigten Zwiste.

Darin liegt aber auch, daß Schönheit nicht da ist,
wo an den Zwisten vorübergegangen wird. Sie ist nur
da, wo Zwiste erfaßt und echt versöhnt sind. Das

Wesen des Schönen und seiner Harmonie liegt nicht
in der Glätte. Die Glätte ist vielmehr die eigentliche
Gefahr, die der Pflege des Schönen droht, und diese
Gefahr ist im Laufe der Kulturgeschichte sehr oft ak-
tuell geworden. Das Schöne ist kein dauernder, rezept-
hafter Wert, der als solcher weitergegeben und nach
äußeren, formalen Anhaltspunkten bestimmt werden
kann. Das Schöne ist nur echt als jeweils vollbrachte
Tat, als geschehene Leistung. Daher hat die Ehre des
Schönen nichts mit dem zu tun, was geistesgeschicht-
lich in alter und neuerer Welt als Ästhetizismus her-
vorgetreten ist. Denn im Ästhetizismus wird nicht
mehr mit Ernst nach den streitenden Elementen ge-
fragt, die in der schönen Form zur Versöhnung kom-
men sollen. Es fehlt ihm das Gefühl für die ethische
Vorfrage der schönen Form. Deshalb sehen wir wie-
der und wieder das Ästhetentum in die Leere geraten,
wo das Schöne den Wurzelboden verliert und drohnen-
haft wird, lügnerisch und täuscherisch. Da wird das
Schöne zum dürren, buchstäblichen Tatbestand ent-
 
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