Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

DOI article:
Stilkräfte der Gegenwart
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0259

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
INNEN-DEKORATION

249

»HAUS SCHUG« GROSSER WOHNRAUM. - FENSTERSEITE MIT AUSSICHT AUF DIE SP1CHERER HÖHEN

noch weniger in der Weise, daß ihm dieses Schöne
technisch nicht mehr erreichbar wäre. Wir könnten
— und das würde sich gut mit unsrer unauslöschli-
chen Freude an Mozart vertragen - unseren Tisch-
platten, unseren Wandfriesen ebensolche Schweifun-
gen geben wie die Ebenisten des Rokoko; wir könn-
ten die Stützen von Stühlen und niedlichen Sekre-
tären ebenso wie sie als graziöse Pieds de biche aus-
bilden und an Armlehnen, Kommodenkörpern usw.
ein Spiel von S- und C-Kurven erklingen lassen -
wenn uns daran gelegen sein dürfte. Wir kennen wie
das Rokoko den Wert des Behaglichen und den der
»natürlichen« Form; aber Behagen kann uns nicht
mehr Lächeln und Tändeln heißen, und Natürlich-
keit muß uns etwas andres sein als kunstvoll stili-
sierte, geistreiche Lässigkeit. Wir kennen die Reprä-
sentation im Hausrat, aber nicht, wie das Barock, als
schauspielerisch dargestelltes Machtgefühl eines auf-
gebauschten Individualismus. Wir ehren den Begriff
der organischen Form, aber wir fassen das Organi-
sche nicht nach Analogie der pflanzlichen und der

menschlichen Erscheinung. Ganz gewiß würde, um-
gekehrt, einem Kulturmenschen von 1750 selbst der
gepflegteste moderne Wohnraum unerträglich nüch-
tern vorkommen. Er würde in dessen geraden Linien
und rechten Winkeln nur Mangel sehen, und er
würde für dieses Entbehren nicht entschädigt wer-
den durch das, was für uns den allumfassenden
Horizont moderner Wohnungsgestaltung ausmacht:
jenes moderne Menschentum, zu dem wir gehören
und das mit energischer Verstandeskraft die Dinge
organisiert und beherrscht; das Menschentum, das
unser Schicksal und unsre tiefe geschichtliche Hei-
mat ist, die Heerschar, zu der wir zählen als zu einem
Verband noch über den Volksverband hinaus. Es ist
nicht von ungefähr, daß sich unter den meisten heu-
tigen Kulturvölkern, vorbildlich in Deutschland und
Italien, die Gestaltungslinie des ordnenden
Willens durchgesetzt hat, reiner und schroffer als
je. Sie ist schicksalsmäßig einer Zeit verordnet, die
insgeheim weiß, daß sie nur durch diesen verständi-
gen, technisch bewaffneten Willen ihre Probleme aus-
 
Annotationen