Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

DOI article:
Michel, Wilhelm: Symbolgehalt in Bauformen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0296

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
286

INNEN-DEKORATION

»BAR IM UNTERGESCHOSS: WÄNDE: MAKASSAR NATUR LEICHT ANPOLIERT MIT GOLD ABGESETZT, STUCKDECKE
BODEN: DUNKELBRAUNER VELOURS, BEZÜGE: HELLBEIGE-HELLROT, SCHMIEDEEISENGITTER: GROSSMANN-DRESDEN

fehlte auch nicht das Netzgewölbe, das sich aus den
aufstrebenden Ästen und Zweigen im Laubwerk zu-
sammenwob. Abseits von allen geschichtlichen Zu-
sammenhängen wirkt in diesen ausdrucksvollen Bau-
Elementen ein ursymbolisches Leben, und dessen tra-
gender Grund liegt darin, daß der Mensch sich allen
sinnlichen Eindrücken gegenüber als eine Einheit
verhält, als in sich zusammenhängendes Wesen, das
mit Gedanken auf Eindrücke, mit leiblichen Sensa-
tionen auf Geistiges antwortet. Als Wackenroder vor
anderthalb Jahrhunderten vom Bild der Peterskirche
begeistert wurde, war sein höchstes Wort über sie,
daß er die Ursymbolik in ihren Formen hervorhob:
Er pries in ihrem Anblick die Architektur als eine
»sehr edle Kunst, die, alle menschliche Gestalt und
Sprache verachtend, denen die sämtlichen übrigen
Künste dienstbar sind, allein darauf stolz ist, ein
mächtig großes, sinnliches Bild der schönen Regel-
mäßigkeit, der Festigkeit und Zweckmäßigkeit, die-
ser allgemeinen Ur- und Musterbilder in der mensch-
lichen Seele, vor unser Auge zu stellen«. Von dieser
Seite angesehen, geht die Architektur deutlich mit der
Musik zusammen als mit derjenigen Kunst, die sich

am offensichtlichsten im ewig frischen Stoffe der see-
lischen Grundregungen bewegt. Raum, wie ihn der
Architekt im Innenbau handhabt, ist fast ebenso un-
mittelbar zur Seele, wie die Töne und Tonfolgen; und
selbst die bescheidene, zweckgebundene Leistung des
Wohnraumarchitekten hat ihre Würde und Freiheit
in der Teilhabe an jener Symbolik. Sie verwaltet
Raumerlebnisse, welche das Gemüt anreden und in
bestimmte Schwingungen setzen. Es sind nicht die
pathetischen Großempfindungen, die hier das Feld be-
herrschen, sondern die täglichen, kleineren Lebens-
gefühle, die Empfindungen schöner Raumweite, rhyth-
mischer Ordnung, wechselnder Lichtverhältnisse usw.

Wir sehen gerade im modernen Repräsentationsbau
die Symbolkraft der Bauformen wieder viel bewußter
und ausgiebiger in Ansatz gebracht als in jüngerer
Vergangenheit. Gewaltige Abmessungen, majestä-
tische Wandgliederungen bringen in Staatsräumen
der Gegenwart die Kraft und Hoheit nationaler Ge-
fühle zum Ausdruck. Wir machen die Erfahrung, daß
Architektur, wie ihre Formen das Mächtige symboli-
sieren, auch ihrerseits nur durch starke, artikulierte
Zeitgefühle den entscheidenden Auftrieb erlangt.
 
Annotationen