Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

DOI Artikel:
Vom Gast- und Mietzimmer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0299

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

289

hätte mich an sich vielleicht nicht gestört. Aber die
kleine Hinterlist im Verfahren der Frau Geiß zwackte
mich. Sie belastete von vornherein mein Gemütsver-
hältnis zu der Bude und wies auf einen üblen Hausgeist.

Zunächst schlug ich mir die Sache aus dem Sinn,
besuchte meine Vorlesungen, streifte durch die Mu-
seen und durch die schönen Flußauen der Stadt und
arbeitete fleißig zu Hause mit Lehrbüchern und Kol-
legheften. Aber gerade in diesen nachmittäglichen
Arbeitsstunden begann nach einiger Zeit die Öde der
Bude mit unerklärlicher Wirkung auf mich hereinzu-
brechen. Der Tisch erwies sich gerade um die 2 Zenti-
meter zu hoch, die ein entspanntes Schreiben behin-
derten. Die holpernden Schubladen, die Mißform des
Schrankes, der eine dahinterliegende Zimmertür nur
halb verdeckte, die häßlichen Tapeten, die kalte Herz-
losigkeit in jedem Detail wuchsen zu einem Block
Feindseligkeit zusammen, der mir den Aufenthalt in
dem Zimmer vergällte. Ich bekam es mit der Buden-
angst zu tun. Alles in dem Raum war sperrig und miß-
launig, die Möbel taten ihren Dienst wie mürrische
Sklaven, die nur darauf warteten, daß sie sich em-
pören könnten - und das taten sie auch, die steifbei-
nigen Biester, bei Nacht, wenn ich die Bettlade erklet-
tert hatte und wehrlos darin lag, den Kopf auf Kissen-

überzügen ,mit Einsatz', deren hartes Muster ich
morgens auf der Backe hatte (Du weißt, daß ich seit-
dem die ,Einsätze' hasse und mit persönlicher Erbit-
terung verfolge.) Ich schlief zwischen den Möbeln die-
ses Zimmers wie unter Tückebolden, die meinen
Schlaf hämisch belauerten, und das hatte zur Folge,
daß ich die Nächte nach Kräften zu verkürzen
suchte, leider nicht durch frühes Aufstehen, sondern
durch ungebührlich spätes Zubettgehen, wozu mir
treue Kumpane nur allzugerne behilflich waren.

Du weißt schon, mein Lieber, worauf ich hinaus
will: Sieh Dir Deine Bude genau an, ehe Du sie nimmst,
und prüfe sie vor allem auf ihren ,Geist'. Setz Dich
einmal an den Tisch und probiere, wie sich daran
liest und schreibt; und forsche vor allem nach Anzei-
chen der Menschenliebe, d. h. eines freundlichen Mit-
denkens mit den Bedürfnissen und mit der Seele des
heimatlosen Fremdlings, als der du hier wohnen und
arbeiten sollst. Es kommt weiß Gott nicht auf Luxus
an. Das Einfache - wie schön und behaglich kann es
sein! Selbst heitere Armut geht frisch ans Herz, wenn
nur eben ein Herz auch in ihr gewaltet und an den
Nebenmenschen gedacht hat. Menschenliebe in Mö-
beln - das muß ein Gastzimmer sein. Nimm das zum
Programm, so wirst Du beim Suchen gut geführt sein.«

»EINBETTIGES HOTELZIMMER« TAPETE: BEIGE MIT RÖTLICHEM MUSTER, BODEN: HELLGRAUER BOUCLE
MÖBEL: BIRNBAUM MIT AHORN, POLSTERBEZÜGE: BEIGE MIT ROSTROTEM MUSTER, VORHÄNGE: ROSTROT
 
Annotationen