36 INNEN-DEKOR AT ION
>BlBLlOTHEKSNlSCHE DES GROSSEN WOHNRAUMS« (ALTE MÖBEL AUS DEM BESITZ DES HAUSHERRN)
I
FREUDE AM ARBEITSRAUM
ch stehe am Fenster meines Arbeitszimmers und oder wenigstens Glatteis.« Aber auch die Erwachsenen
blicke zum winterlichen Park hinaus. Er hat seit und die Alten danken dem fallenden Schnee eine
dem Morgen eine leichte Schneedecke und noch Freude. Ist nicht das zarte Rieseln für das Auge etwas
immer fährt es fort zu schneien. Man kann das Rie- Ähnliches, wie eine sanfte Geigenmelodie fürs Ohr?
sein der weißen Flocken gut verfolgen vor dem dunk- Setzt es nicht die Seele in eine goldene, lächelnde
len Hintergrund entlaubter Baumgestalten, die sich Schwermut der Erinnerung, kommen bei der Schau
mit schwarzen Stämmen aus dem Schnee erheben. ins Flockentreiben nicht vergangene Tage wieder her-
Den Tannen hat das lautlos weiße Gestöber schon auf, geschmückt mit dem Reiz der gewesenen Dinge?
zierliche Festonlinien angeschmückt, eine Amsel sitzt Aber das ist noch nicht alles. Es ist noch nicht das
mißvergnügt auf der Mauer und sieht schlechten Beste an dieser schönen Nachmittagsstunde. Denn
Zeiten entgegen, denn dieses weiße Zeug deckt ihre zu ihrer Würze gehört wesentlich die Wärme und die
Nahrung zu, und immerfort flockt und rieselt es wei- Stimmung des Arbeitszimmers, das mich umgibt und
ter vom grauen Nachmittagshimmel. aus dem ich in die weiße, kühle Schönheit hinaussehe.
Es ist ein einfaches Schauspiel. Warum spendet es Der vertraute Schreibtisch, die Bücherreihen an den
so viel Vergnügen? Den Kindern verheißt der Schnee Wänden, der treue Schreibsessel, die sprechende Gei-
Rodel- und Schneeballfreuden, mächtige Dinge, die steswelt ringsum — grade weil das so gegensätzlich
das Dasein tagelang bis auf den Grund versüßen kön- steht zu dem Bild vor dem Fenster, wird es in seinem
nen — so daß es kein Wunder ist, wenn der kleine Wert doppelt fühlbar. Es wird fühlbar als Freude,
blonde Erik seinem Nachtgebet allabendlich den Satz Gewiß hat jeder Beruf seine Freuden, aber im Be-
anfügt: »Lieber Gott, laß es morgen Schnee geben ruf des Gelehrten, des Schriftstellers, des Geistes-
>BlBLlOTHEKSNlSCHE DES GROSSEN WOHNRAUMS« (ALTE MÖBEL AUS DEM BESITZ DES HAUSHERRN)
I
FREUDE AM ARBEITSRAUM
ch stehe am Fenster meines Arbeitszimmers und oder wenigstens Glatteis.« Aber auch die Erwachsenen
blicke zum winterlichen Park hinaus. Er hat seit und die Alten danken dem fallenden Schnee eine
dem Morgen eine leichte Schneedecke und noch Freude. Ist nicht das zarte Rieseln für das Auge etwas
immer fährt es fort zu schneien. Man kann das Rie- Ähnliches, wie eine sanfte Geigenmelodie fürs Ohr?
sein der weißen Flocken gut verfolgen vor dem dunk- Setzt es nicht die Seele in eine goldene, lächelnde
len Hintergrund entlaubter Baumgestalten, die sich Schwermut der Erinnerung, kommen bei der Schau
mit schwarzen Stämmen aus dem Schnee erheben. ins Flockentreiben nicht vergangene Tage wieder her-
Den Tannen hat das lautlos weiße Gestöber schon auf, geschmückt mit dem Reiz der gewesenen Dinge?
zierliche Festonlinien angeschmückt, eine Amsel sitzt Aber das ist noch nicht alles. Es ist noch nicht das
mißvergnügt auf der Mauer und sieht schlechten Beste an dieser schönen Nachmittagsstunde. Denn
Zeiten entgegen, denn dieses weiße Zeug deckt ihre zu ihrer Würze gehört wesentlich die Wärme und die
Nahrung zu, und immerfort flockt und rieselt es wei- Stimmung des Arbeitszimmers, das mich umgibt und
ter vom grauen Nachmittagshimmel. aus dem ich in die weiße, kühle Schönheit hinaussehe.
Es ist ein einfaches Schauspiel. Warum spendet es Der vertraute Schreibtisch, die Bücherreihen an den
so viel Vergnügen? Den Kindern verheißt der Schnee Wänden, der treue Schreibsessel, die sprechende Gei-
Rodel- und Schneeballfreuden, mächtige Dinge, die steswelt ringsum — grade weil das so gegensätzlich
das Dasein tagelang bis auf den Grund versüßen kön- steht zu dem Bild vor dem Fenster, wird es in seinem
nen — so daß es kein Wunder ist, wenn der kleine Wert doppelt fühlbar. Es wird fühlbar als Freude,
blonde Erik seinem Nachtgebet allabendlich den Satz Gewiß hat jeder Beruf seine Freuden, aber im Be-
anfügt: »Lieber Gott, laß es morgen Schnee geben ruf des Gelehrten, des Schriftstellers, des Geistes-