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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Die Aufgabe der Kulturpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0056

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INNEN-DEKORATION

PROF. A. BARTOLUCCl UND F. MARCONCIN1 »ANRICHTE« MÖBEL: ELFENBEINFARBEN LACKIERT, WÄNDE: HELLGRÜN

DIE AUFGABE DER KULTURPFLEGE

Ist Kultur gestaltenreich wie Proteus, worin anders
hat das seinen Grund als in dem Gestaltwechsel
des Menschen? Denn was wir Kultur nennen, bildet
immer den lebendigen Menschen ab, und dessen Ge-
stalt ist unruhig, immer auf dem Wege. Er gehört auf
der einen Seite zu den Elementen, zum flammenden
Feuer, zum tosenden Wassersturz, zum Sturmwind.
Ein Heimweh ruft ihn zu diesen Mächten hinaus, und
noch in ihren lindesten, sanftesten Gestalten sprechen
sie ihn mit Urverwandtschaft an. Und ebenso gehört
er zu dem, was über der Natur ist, zum Geist. Da
schafft er sich Sicherung gegen die Elemente, Haus
und Heim, wo seine Abgehobenheit vom Tier sich dar-
stellt, sein höheres Fühlen und Sinnen. Und nun
stellt sich die Frage, wo die Kultur die Linie zwischen
Geist und Natur zu ziehen habe, für jedes Zeitalter
neu. Ja, sie kehrt sogar in jeder neuen Generation
wieder. Wer von Kultur spricht, muß sich hüten vor
jeder doktrinären Einseitigkeit, sei es zugunsten der
Natur, sei es zugunsten des Geistes; die Beziehungen
sind immer im Fließen, und nie können Kulturfragen

rezepthaft beantwortet werden, sondern immer nur
schöpferisch und tathaft.

Noch vor einigen Generationen flammte in deut-
schen Küchenräumen das offene Herdfeuer. Die
Kette mit dem Haken hing aus dem Rauchfang über
der Glut und hielt den Kessel, der Brühen, Fleisch-
und Breispeisen kochte. Liest man bei Dickens Schil-
derungen des alten häuslichen Lebens, so sieht man
die Hausfrau in Wolken von Rauch und Dampf am
lodernden Feuer hantieren, den Bratspieß drehen mit
dem Lendenstück, dessen Fett in der Holzglut zischt;
und Falltüren führen hinunter in den Keller, auf dem
Sims um die Kaminhaube stehen Schüsseln und
Krüge, im hölzernen Wasserschaff dunkelt die Flut,
und die Schöpfkelle hängt daneben. Saftige, rem-
brandtische Bilder mit viel »Natur«, anheimelnd und
verlockend für unsern Geschmack, der sich ja mitt-
lerweile an eine viel gezähmtere Erscheinung des
Heims gewöhnt hat. Sauber und sanft sind in der
modernen Küche alle Manipulationen geworden, kein
unrechter Wind wirft Rauch und Asche von der
 
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