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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Michel, Wilhelm: Hausgeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0082

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INNEN-DEKORATI ON

»DAS SCHLAFZIMMER DER GROSSELTERN« FENSTERSEITE MIT EINGEBAUTEN BETTEN UND SCHRÄNKEN

HAUSGEISTER

Zu Großvaters Zeiten wußte man es noch: jedes
Haus hat seinen Hausgeist. Im ganzen deutschen
Land gab es keinen Bauernhof, in dem nicht ein Ko-
bold sein Wesen trieb. In jedem Gau hatte er seinen
eignen Namen. Hier hieß er Heinzchen, dort Chimke
(Joachimke), anderswo Niß (von Nikolaus); Klop-
ferle nannte man ihn in Baden, Heugütel in Bayern,
Puk im Norden. Und so lebte er zwischen Tirol und
der Wasserkante in Dutzenden von Gestalten, meist
zwerghaft, mit Zipfelmütze oder breitem Hut, dar-
unter ein runzeliges Altmännergesichtchen und ein
Rock mit zwei Reihen blanker Knöpfe. Manchmal
ging er auch als Katze mit krummem Buckel durchs
Haus oder summte als Hummel an den Fensterschei-
ben. Aber was war er, was trieb er? - Nun, August
Kopisch hat einen Teil seiner Wirksamkeit in der be-
rühmten Ballade von den Kölner Heinzelmännchen
beschrieben. Der Kobold half schaffen und werken im
ganzen Haus. Dem Knecht schnitt er das Häcksel,
der Frau half er am Herd (sonst hätte sie das Essen
nicht so unheimlich fix auf den Tisch bringen kön-

nen, wo sie doch erst um halb zwölf mit dem Kochen
anfing), dem Bauern mähte er ganze Schwaden vor
und verriet ihm, was das Gesinde hinter seinem
Rücken tat - oder nicht tat; und wenn droben im
Hof an der Halde die Kühe so gute fette Milch gaben,
so kam das vom Kobold, der als Heugütel im Spar-
renwerk der Scheuer saß.

Aber er trieb auch Schabernack, je nach Laune und
Behandlung. Ließ man es am schuldigen Respekt feh-
len oder am täglichen Napf Milch oder an Pflege seines
Lieblingsplätzchens, dann rumorte er giftig im Haus
herum, warf Spreu in den Melkkübel, zerbrach der
schuldlosen Magd das Geschirr in der Küche und
ließ im Taglauf allerlei Hantierungen schief gehen. Er
hatte das Wesen der Naturgeister, war wie die Mutter
Natur hilfreich und treu, behielt aber auch, wie sie,
ein Teil Unberechenbarkeit und spielerische Tücke.
Ein Gelehrter, der sie studiert hat, sagt von ihnen:
»Wie das Haus aus vielerlei Naturdingen und Mensch-
lichem zu einem Ganzen zusammengewachsen ist,
aus dem Stück Erde, worauf es steht, dem Herdfeuer,
 
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