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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Henniger, Marieluise: "Hausgestühl" nicht "Möbel"?
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0305

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ARCHITEKT RUNAR ENGBLOM —HELSINKI »SITZMÖBELGRUPPE« BUCHE NATUR MIT ROTEM LEDERPOLSTER

»HAUSGESTÜHL« NICHT »MÖBEL«?

VON MARIELUISE HENNIGER

Vielleicht hat es schon manchem widerstrebt, die
beschwingten, schöpferisch gestalteten Gegen-
stände seiner Einrichtung als »Möbel« zu bezeichnen.
Leider haftet diesem Ausdruck ein Beigeschmack
von Massenherstellung an. Er lenkt auch die Ge-
danken auf jene Art von veralteten »Stilmöbeln«,
die, ebenso zeitwidrig wie sinnlos, kein Gefühl des
Behagens und eigentlichen Kulturempfindens auf-
kommen lassen und höchstens den Eindruck er-
wecken, daß der Besitzer von »Renaissancestühlen«
und einer »altdeutschen Truhe« beabsichtigt, Wohl-
habenheit oder Vornehmheit vorzuspiegeln. In die-
sem Zusammenhang dürfte es interessieren, daß
Goethe sich eingehend diesen Fragen gewidmet hat.
Er sagte zu Eckermann: »In einem Hause, wo so
viele Zimmer sind, daß man einige derselben leer
stehen läßt, und im ganzen Jahr nur drei-, viermal
hineinkommt, mag eine solche Liebhaberei hin-
gehen, und man mag auch ein gotisches Zimmer
haben, so wie ich es ganz hübsch finde, daß Madame
Panckoucke in Paris ein chinesisches hat. Allein,
sein Wohnzimmer mit so fremder und veralteter
Umgebung auszustaffieren, kann ich gar nicht loben.
Es ist immer eine Art von Maskerade, die auf die
Länge in keiner Hinsicht wohltun kann, vielmehr

auf den Menschen, der sich damit befaßt, einen nach-
teiligen Einfluß haben muß. Denn so etwas steht im
Widerspruch mit dem lebendigen Tage, in welchen
wir gesetzt sind, und wie es aus einer leeren und
hohlen Gesinnungs- und Denkweise hervorgeht, so
wird es darin bestärken. Es mag wohl einer an einem
lustigen Winterabend als Türke zur Maskerade gehn,
allein, was würden wir von einem Menschen halten,
der ein ganzes Jahr sich in einer solchen Maske
zeigen wollte? Wir würden von ihm denken, daß er
entweder schon verrückt sei, oder daß er doch die
größte Anlage habe, es sehr bald zu werden.«

Dem Menschen muß eine innere Beziehung zu den
Dingen seiner Umgebung möglich sein, was zur Vor-
aussetzung hat, daß diese so etwas wie eine Seele
besitzen. Sonst bleiben sie »lebenslänglich tot. Sie
werden nicht geliebt und nicht betrauert, weil sie im
Grunde nichts als anlackiertes Brennholz sind, das
man zu Kasten zusammenstellte«.

In diesem Bewußtsein der Wechselwirkung zwi-
schen dem Menschen und seiner Behausung, die ein-
ander beeinflussen wie Körper und Seele, liegt eine
hohe Verantwortung und zugleich ein Ansporn für
alle Raumgestalter und Handwerker, die Freude am
harmonischen Wohnen und Leben zu wecken. -
 
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