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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Die Aufgabe der Kulturpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0058

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50 INNEN-DEKO RAT ION

A.BARTOLUCCl UND V. MARCONCIN1 »TERRASSE« KASTANIENHOLZ, GRÜN LACKIERT, SITZMÖBEL: BUCHE LACKIERT

»Pflicht zur Gesundheit«, der faktisch unter uns Gel-
tung erlangt hat als ein staatsbürgerlicher Pflicht-
begriff. Er wurde ja schon im antiken Staate öffent-
lich anerkannt und lag namentlich dem hohen römi-
schen Staatsamte des Zensors zugrunde. Plutarch
schreibt: »Die Römer hielten dafür, daß der Ehestand,
die Kinderzucht, das häusliche Leben und das Gast-
mahl nicht jedem nach seinen Begierden und Neigun-
gen ohne weitere Aufsicht und Untersuchung über-
lassen werden dürfe. Weil sie also glaubten, daß man
aus diesen Dingen weit besser als aus den öffentlichen
und politischen Handlungen den Charakter eines Bür-
gers erkennen könnte, so wählten sie, damit niemand
sich der Wollust ergeben oder von der eingeführten
Lebensart abweichen sollte, zwei Männer zu Auf-
sehern, Sittenrichtern und Zuchtmeistern. Diese hie-
ßen Zensoren und hatten die Gewalt, den, der lieder-
lich und unordentlich lebte, aus dem Ritter- oder Se-
natorenstande zu stoßen.« Das Zensorenamt war also
nicht ein bloß polizeiliches Amt, sondern es griff nach
dem Maßstabe einer gesunden, natürlichen Lebens-
weise auch ins Sittliche ein und korrigierte den Pri-
vatmann auch da, wo ihm nach modernen Begriffen

niemand etwas dreinzureden gehabt hätte. Plutarch
schreibt jene Sätze in der Lebensschilderung des be-
rühmten Marcus Portius Cato, und an dessen Tätig-
keit zeigt sich klar, daß er sich als der Mann fühlte,
der in dem überzivilisierten Rom des zweiten vor-
christlichen Jahrhunderts die Grenzlinie zwischen
Natur und Verkünstelung neu zu ziehen hatte. Er tat
dies ausdrücklich in der Richtung des Naturgemäßen,
Schlichten, der sparsamen hausväterlichen Lebens-
haltung, weil er Roms Lebenssubstanz vor allem
durch den wahnsinnigen entnervenden Luxus be-
droht sah. Manches an seinen Gesichtspunkten läßt
sich tadeln, wie z. B. sein engherzig kapitalistisches
Denken. Aber hoch über aller Kritik steht sein Ge-
samtstreben nach Begünstigung eines tüchtigen
opferbereiten Menschentums, das unabhängig vom
zivilisatorischen Überfluß in straffer Selbstzucht die
altrömischen Tugenden festhalten oder aus dem Ver-
derb wieder aufbauen konnte. Er kam für Rom zu
spät. Doch er bleibt eine bedeutende Erscheinung in
der Kulturgeschichte und weist nachdrücklich auf die
ewige Aufgabe der Kulturpflege, die nun das heutige
Deutschland in ihrer ganzen Bedeutung erfaßt hat. -
 
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