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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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In alten Schlössern
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0133

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INNEN-DEKO RAT I 0 N

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reitstellt, und einer Kultur für die Vielen, die in den
»Niederungen« des Daseins verweilen müssen. Leben
jene herrlichen Einzelleistungen nicht irgendwie
von Armut und Knechtung und Beiseitesetzung
ganzer Volksschichten? Ist es Zufall, daß dieser ver-
feinerte Hausrat der Schlösser gerade in den drei
letzten Jahrhunderten aufkam, in den Zeiten des
Absolutismus und der beginnenden Geldherrschaft?
In ihnen bricht der vorher geschlossene Zusammen-
hang der völkischen Wohnkultur entzwei. Der
Bauer mußte in vielen Gegenden Deutschlands
hausen wie das Vieh, und schlimmer. Auf den Son-
nenhöhen der sozialen Stufung aber strahlte der
Glanz der Schönheit. Die Spiegelscheiben der hohen
Palastfenster schimmerten in vielen Residenzen auf
Bürgerwohnstätten herab, die sich bescheiden in fin-
steren Gassenschluchten zusammenduckten, und das
galt als »Ordnung« in einer Zeit, die den Begriff des
Volkszusammenhanges verloren hatte.

In heutiger Zeit werden in kaum einem Lande der
Erde noch Möbel hergestellt, wie sie sich im 18. Jahr-
hundert selbst winzige Potentaten leisteten, deren
»Reich« an Einwohnerzahl gerade einer heutigen

provinziellen Kleinstadt gleichkam. Dafür sieht es
aber in der Behausung des Bauern, des Handwerkers
und Arbeiters wesentlich anders als früher aus. Es
ist, als habe sich ein Ausgleich vollzogen, der »oben«
nur deshalb einiges wegnahm, um es »unten« als Er-
höhung des Niveaus zur Geltung zu bringen. Und was
bei uns nun die neue Zeit in dieser Hinsicht vollbracht
hat, das wird für alle Zukunft Geltung behalten als
eine bedeutende Leistung in der Neuformung Europas.
Das muß oft betont, oft wiederholt werden, weil diese
Leistung allzuleicht, selbst von den Mitlebenden, für
selbstverständlich genommen wird. Aber sie hat die
volle Würde eines großen, eines schöpferischen Ge-
dankens, und dieser Gedanke wird einmal den Ehren-
titel des Zeitalters ausmachen, in dem wir gegenwärtig
leben. In der Kulturgeschichte ist der Mensch immer
unterwegs zu sich selbst, d. h. zu einer Ganzheit von
Zuständen, in der alle Seiten seines Wesens angemes-
sen behaust sind. Er verfehlt sich tausendmal, und
tausendmal bricht er wieder auf zu einer volleren
Erfassung seines eigenen Seins. So heute in der Woh-
nung: zum Erfühlen und Erfassen des Volk-Seins,
das wir als den Kern jedes Einzel-Seins spüren. - m.
 
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