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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Zweierlei Dienst
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0135

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INNEN-DE KORATI ON

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PROFESSOR CARL MALMSTEN »BETT IN BIRKE MIT ROHR« TEPPICH: HANDGEWEBT IM VOLKSKUNSTCHARAKTER

ZWEIERLEI DIENST

A lle Dinge, die von Menschenhand für Menschen-
XÄ. gebrauch gestaltet werden, haben zweierlei
Amt: sie müssen dem Gebrauchszweck genügen, und
sie müssen dem blickenden Auge Reiz und Wert
bieten. Aus beiden Diensten erst baut sich auch der
Lebensdienst des Gerätes, des Wohnraumes auf.

Man denke an das Tafelgeschirr. Es genügt nicht,
daß die Kanne mit dem Getränk bequem zu greifen
ist, daß der Ausguß richtig sitzt und tadellos funktio-
niert. Ehe die Hand nach dem Henkel greift, erfaßt
der Blick das Gerät, und oft in den Pausen des Ge-
spräches kehrt das Auge zu ihm zurück. Wir leben
mit dem Auge ebenso nachdrücklich wie mit dem
Erfrischungsverlangen, das uns nach der Kaffeekanne
greifen läßt. Das ist so selbstverständlich, daß es über-
flüssig scheint, noch ausdrücklich auf die Forderung
hinzuweisen, die sich daraus ergibt: auf die Forde-
rung nämlich, daß das Auge bei dem Schmaus nicht
leer ausgehen darf. Aber haben wir nicht jahrzehnte-
lang von einer Dinggestaltung rein aus dem Ge-

1942 V. 3

brauchszweck gesprochen? Und war das nicht damals
eine notwendige Parole, da ja die Zeit vorher den
Gebrauchszweck allzu leichtfertig beiseite geschoben
und lustig ins Blaue hinein dekoriert hatte? Wie gut
tat dieser Zeit der strenge Zweckmoralismus, der
erst einmal wieder auf die Substanz der Geräte, auf
ihre technische Bestimmung und auf die Material-
echtheit hinwies! Heute stehen wir vor der Frucht
dieses erzieherischen Hinweises. Frei und unbe-
fangen würdigen wir auf allen Gebieten unsrer Ding-
gestaltung den gleichzeitigen Anspruch des Tech-
nischen und Ästhetischen, weil wir beides als Aus-
fluß aus dem einen und einheitlichen Menschen-
wesen zu erkennen vermögen.

Damit ist uns etwas wieder selbstverständlich ge-
worden, was Jahrhunderte hindurch die Grundlage
aller guten Volkskunst, ja aller echten Kultur ge-
bildet hat: die Menschengestalt mit ihrer vielseitigen
Anlage. Warum ist unser Kunstschaffen, unser
Bauen, unsre Kulturpolitik so gesund, warum findet
 
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