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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Geschaffene und gewachsene Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0247

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INNEN-DEK ORATI ON

239

landhaus au? djursholm »eingangshalle mit durchblick auf die terrasse« helle wände, steinplattenbelag

GESCHAFFENE UND GEWACHSENE FORM

Den Dingen, die seinem Leben dienstbar sein sol-
len, wird der Mensch immer wieder die Form zu
geben versuchen, die vor allem andern sachgemäß,
also einfach ist. Das klare Rechteck der Türe oder des
Fensters erscheint ihm rationell, weil hier die Ratio,
die praktische Vernunft des Baumeisters wie des Bau-
herrn, die Zwecke rein erfüllt sieht; diese Form ent-
spricht aber auch dem Bedürfnis des Menschen nach
rationaler Gestaltung seiner Umwelt, die er gerne auf
die letzten, von seinem Geist erfaßbaren Urformen
zurückgeführt sieht. Er wehrt sich gegen das allzu
Verspielte und allzu Pompöse, gegen das überreiche
Zierwerk, nicht nur, weil es ihm unnötige Arbeit
macht, sondern auch, weil er theatralisch Unechtes
darin zu spüren glaubt, weil es seinem Leben und
seiner Weltschau nicht gemäß scheint. Aber wenn
solche Neigung sich übersteigert, widerspricht dies
der tiefsten Natur des Menschen. Diese kehrt stets
zurück, ob man sie nach dem alten Wort mit der
Gabel oder in unserem technischen Jahrhundert mit

dem Zirkel austreibt. Das »unsachliche« Spiel der
Formen, das, von der organischen Natur uns darge-
boten, unseren Sinnen entspricht, zieht uns stets
wieder an und holt das zu stark ausgeschlagene
Pendel wieder zur rechten Mitte zurück.

In einer besonders glücklichen Art geschieht dies,
wenn etwa das Organische, die Pflanze selbst, in den
Wohnraum hereingenommen wird, und wenn so die
Natur, hier von der freundlichsten Seite sich zeigend,
dicht bei uns ist. Dann zumal gelingt diese Rückkehr
zum Naturhaften, wenn luftig verschlungene Stengel-
linien, wenn die zierlichen Silhouettenformen kleiner
Efeublätter in einem fast betonten Gegensatz zu der
großflächig schnittigen Strenge der Wand- und Fen-
sterformen stehen, wenn sich das von Menschenhand
Geschaffene und das aus der Erde Gewachsene, das
Festgefügte und das sich Windende, gegenseitig be-
tonen und steigern, wenn jedes in seiner Weise die
Sonne will und in dieser gemeinsamen Wendung
zum Licht die beglückende Harmonie findet. - st.
 
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