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Internationale
^ammter^ßifiinß
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.

5. Jahrgang. Wien, 1. Mai 1913. Nr. 9.

Die Gemälde im Prager Malteser-Groß-Priorat.
Von August Ströbel (Prag).

Auch die verzauberte Schönheit der Kleinseite,
jenes letzten, aus großer historischer und schönheits-
froher Zeit in unsere Tage herübergeretteten Restes
von »Alt-Prag«, ist längst durch die pietätlosen Forde-
rungen der Gegenwart verunstaltet. Zinskasernen von
ödester Geistlosigkeit ragen aufdringlich über den
steinernen Rahmen vor, den die von einer stil-
bewußteren Zeit errichteten Bauten charaktervoll um
den alten Kleinseitner Ringplatz schließen. Sogar durch
das enge, verhutzelte Häusergedrängel auf höchster
Hradschinhöhe hat sich die Elektrische jetzt einen häß-
lichen Weg gebahnt. Aber immer noch ist nicht aller
heimliche Bann gelöst und immer noch ist, wie durch
unsichtbare Hecken von dem hastenden Treiben rings-
um geschieden, da und dort solch ein Stückchen trau-
lich-stilles, ganz vergessen stehen gebliebenes »Alt-
Prag« für den Kunstfreund aufzufinden.
Da gibt es Gassen, die sich wunderlich-unübersicht-
lich krümmen, wo in den niedrigen Fenstern der ein-
stöckigen Häuser vor weißen Mullvorhängen Pelar-
gonien und Herzblumen blühen und wo die Scheiben
niemals vor der Wucht eines Gefährts zu klirren
brauchen, denn der Verkehr verirrt sich nicht dorthin.
Und ganze Plätze finden sich, in die man aus be-
lebteren Straßen einbiegt wie ins Märchen. Wie wenn
ein großes Tor hinter einem ins Schloß fiele. Plötzlich
ist es ganz still, recht und links und rundum die er-
starrte Musik barocker Portale und Balkone; trübe
Blicke verhängter Fenster; zwischen den grauen runden
Steinen des Pflasters wächst das Gras. Vor dem
Palais ist protzig noch die ausgerichtete Kolonne von
Prellsteinen in den Boden gerammt, die einst dem
Ungestüm vierspännig heranratternder Glaskarossen
wehrten. Und etwas weiter weg von den stummen
Palastmauern bilden uralte, hohe Kastanienbäume eine
zweite, zur Sommerszeit wundervoll blühende und
duftende Wächterreihe. Kinder könnten hier spielen,
über die verwitterten Prellsteine bockspringen, in dem
sauberen Geklüfte des Pflasters Murmel schieben:
aber sie tun es nicht, es wird ihnen bang in der ein-
samen Stille, in die der Huppenklang unweit vorüber-
kommender Autos verloren wie das Horn eines irren-
den Ritters tönt. Sie sammeln ihre Murmeln wieder zu-
sammen und ziehen scheu und verstummt ab. Und

wieder liegt der Platz leer und versonnen und ein
Brunnen plätschert leise. Zu ihm kommen des Abends
die Mädchen in Gruppen und mit ihrem Liebsten,
Wasser holen. Aber auch da wird nur geflüstert, zögernd
verweilende Schritte hallen und der Mond blickt an
barock verschnörkelten Mansardengiebeln und breiten
Baumkronen vorbei in die umschattete Tiefe.
So ist der Großprioratsplatz. Von der
Insel Kampa, die unter der alten Karlsbrücke weg-
schlüpft, erreicht man ihn über eine venezianisch-
romantische Brücke weg, von der man längs des
Moldauarmes der Tschertowka den alten Garten des
Palais Nostitz mehr ahnen als sehen kann. Und kommt
man von der anderen Seite, aus der Brückengasse, her,
dann hat man die gotische Kirche Santa Maria sotto
catena passiert, die Konventskirche des souveränen
Malteserordens, dessen Palast dann um die Ecke die
eine Seite des Großprioratsplatzes bildet.
Wir wollen ihn nicht lange von außen betrachten,
diesen Palast, wiewohl er es als treu erhaltener Bau
aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wohl ver-
diente, sondern in die dämmerige Verschlossenheit
seiner Prachtgemächer eindringen, in denen den Bilder-
freund eine überraschende Ausbeute erwartet. Zwei,
in ihrem Charakter wesentlich voneinander ver-
schiedene Sammlungen von Gemälden sind da ver-
einigt. Wie in S t r a h o w, wie in den Familienpalästen
der Hochadeligen, hat man auch bei den Maltesern
Kunstwerke um ihrer selbst willen gesammelt und sich
an ihnen erfreut: so finden sich denn hier Werke der
bekanntesten Prager und auch mancher ausländischen
Maler des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, und den Grund-
stock scheint eine größere geschlossene Sammlung zu
bilden, die etwa um 1750 oder 1760 vom damaligen
Großprior wahrscheinlich aus der aufgelösten Galerie
des Grafen S t r a k a angekauft worden ist. Ein
zweiter, in sich zusammenhängender Teil der Gemälde
aber steht in weitaus engerer Beziehung zu seinen Be-
sitzern: es sind die Darstellungen aus der großen Ge-
schichte des Malteser-Ritterordens. Hier übertrifft
natürlich oft der historische weit den künstlerischen
Wert der Gemälde und um sie zu würdigen, wird es
notwendig sein, kurz der Geschichte des Ordens zu
gedenken.
 
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