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Internationale
^ammfßr^ßifunj
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.

5. Jahrgang.

Wien, 1. August 1913.

Nr. 15/16.

Der Tintoretto in Rudolfswert.

Von Professor Hugo Skopal (Rudolfswert).*

Unter anderen schönen Altarbildern, von denen
einige bedeutenden Künstlern, wie Correggio zu-
geschrieben werden, befindet sich in der Kapitelkirche
zu Rudolfswert auf dem Hauptaltare ein Bild des
heiligen Nikolaus, von dem schon Valvasor in
seinem Werke erwähnt, daß es von unschätzbarem
Werte sei. Dieses Bild wurde von dem im Jahre 1582
als Propst nach Rudolfswert berufenen Polydorus de
Montagnana gestiftet und von Jacopo Robust i
gemalt, der nach dem Gewerbe seines Vaters, eines
Färbers, tintore, il Tintoretto (der kleine Färber) wahr-
scheinlich schon als Knabe zubenannt worden war.
Dieses Bild ist T82 Meter breit und 375 Meter hoch.
In der Mitte desselben stellt der Künstler die Gestalt
des heiligen Nikolaus auf Wolken schwebend dar, links
oben Christum am Kreuze, hinter ihm und zum Teil über
demselben Gottvater und zwischen beiden in der Mitte,
in Gestalt einer Taube, den heiligen Geist und rechts da-
von zwei Engelgestalten, die Insignien des Kirchenhirten,
die Mitra und den Bischofsstab haltend. Unten aber zu
beiden Seiten des Heiligen ist links der heilige Erz-
bischof Hermagoras von Aquileja und rechts sein
Diakon, der heilige Fortunatas, als Diözesanpatrone von
Aquileja, zu dessen Diözese damals Rudolfswert gehörte,
kniend abgebildet.
Der heilige Nikolaus schaut, die Arme ausbreitend,
voll inbrünstiger Anbetung zum gekreuzigten Heiland
und Gottvater empor. Ebenso blicken die beiden anderen
Heiligen, der eine die Hände zum Gebet gefaltet, der
andere die eine Hand mit einem Palmenzweige empor-
haltend, während die andere den Bischofsstab hält, in
andächtiges Staunen versunken nach der sich ihren
Augen darbietenden wunderbaren Erscheinung. Der
heilige Nikolaus trägt einen reich mit Gold verbrämten

* Wir hab^n in unserer vorigen Nummer bei der Be-
sprechung der angeblichen Auffindung eines Tintoretto in Ru-
dolfswert auf eine Studie hingewiesen, die der dortige Q.vm-
nasialprofessor Hugo Skopal über das schon Valyas o r
bekannte Gemälde verfaßt hat. Dank dem liebenswürdigen
Entgegenkommen der Gymnasialdirektion in Rudolfs-
wert sind wir nun in der angenehmen Lage, diese inter-
essante Arbeit, die im Jahresberichte 1901 der Anstalt er-
schien. zu veröffentlichen.

blauen Bischofsmantel, dann ein weißes Meßgewand
(die Alba), darunter einen violetten Talar.
Ausdrucksvoll erscheint in der ganzen Haltung und
Bewegung sowohl des Körpers als auch des Gesichtes
des heiligen Nikolaus die schwärmerische Andacht und
Verehrung dargestellt. Derselbe ist hier in sinnbildlicher
Beziehung zu der am Konzil zu Nicäa (318 n. Chr.) von
ihm verteidigten Lehre der Wesenheit Christi mit Gott-
vater und dem heiligen Geiste durch die Darstellung des
Gekreuzigten, der von Gottvater in den Armen gehalten
und vom heiligen Geiste umschwebt wird, veranschau-
licht. In der gedrungenen Gestalt, dem kräftig geformten
Kopfe, der etwas derben Gesichtsbildung und dem ent-
schiedenen Ausdruck des Heiligen verrät sich deutlich
die Unerschrockenheit und Kühnheit, mit der dieser Ver-
treter der Glaubenswahrheit seine tiefste Ueberzeugung
vertrat.
Die zu beiden Seiten des heiligen Nikolaus symme-
trisch angeordneten Diözesanpatrone sind schöne, noch
junge Gestalten, von edler Erscheinung, würdevo 1 in
der Haltung, dabei frei bewegt. Beide tragen rote Ornate
über dem weißen Priestergewande. Auch bei diesen ist
die Stimmung der Andacht sowohl in der Gebärde als
auch im Gesichte ausgedrückt, jedoch verschieden
wiedergegeben. Denn während der eine rechts, von
sanftem Gesichtausdruck, die Hände zum Gebete fal-
tend, sein von andächtiger Hingebung mild verklärtes
Antlitz erhebt, betrachtet der andere links, von feurigem
Temperamente, in frommer Erregung einen Palmen-
zweig in der einen Hand emporhaltend, mit von Glauben
und Liebe erstrahltem Blicke die sich ihm darbietende
Vision. Beide Gestalten bilden sowohl in der Er-
scheinung als auch in ihren Gefühlsäußerungen maleri-
sche und charakteristische Gegensätze.
Der teilweise in Verkürzung und von der Seite dar-
gestellte Körper des gekreuzigten Heilands, der aber
nicht in Gestalt eines qualvoll gemarterten, eines durch
Leiden entstellten Dulders, sondern in schönen unge-
brochenen Formen erscheint, ist recht künstlerisch auf-
gefaßt und erinnert an die Christus-Statuen Michel-
angelos, dem Tintoretto in der Großartigkeit der
Formen, der Macht der Charakteristik und einer starken
 
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