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Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.

5. Jahrgang.

Wien, 1. Oktober 1913.

Nr. 19.

Münzsammlungen.
Von Michelangelo Freiherrn v. Zois (Wien).

Die Geschichte* der Münzsammlungen wird wohl
fast ebenso alt sein wie die Geschichte des Sammel-
wesens überhaupt. Denn schon früh haben sich nicht
bloß Geizhälse um die glänzenden, mit Inschriften und
Darstellungen verzierten Metallplättchen interessiert,
sondern griff auch eine Sammlertätigkeit ein. Das be-
weist uns der berühmte Münzfund von Karnak, der
in seiner Zusammensetzung zeigt, daß ihn ein Mann der
Erde anvertraute, der sich eine Kollektion angelegt
hatte.
Von Münzsammlungen hören wir dann erst wieder
in den Tagen der Renaissance. Sie durften in den Kunst-
und Raritätenkammern nicht fehlen — ein eigentliches
Verständnis wird man aber kaum voraussetzen dürfen,
wenn man sich daran erinnert, daß irgend eine der süd-
lichen Reichsstädte einen der Silberlinge, um die
Christus verkauft worden war, in ihrem Schatze
bewahrte.
Aus diesen bescheidenen Anfängen ist ein höchst
stattlicher Baum erwachsen, aus den Kuriositäten wurde
eine ernsthafte Wissenschaft, die recht oft der großen
Schwester, der Weltgeschichte, eine kräftige Stütze ab-
geben muß, und der viele, sehr viele ein lebhaftes Inter-
esse entgegenbringen.
Der Gründe für dieses weite Interesse sind man-
cherlei. Den einen wird die Gelegenheit locken, kleine
Kunstwerke, deren Aufbewahrung keinen großen Raum
erfordert, zu erwerben. Der andere wird technische,
geschichtliche Momente im Auge haben. Den dritten
wird es freuen, mit den Köpfen derer, die einst
herrschten, ernste Zwiesprache zu halten. Ein vierter
ist, in die Vergangenheit blickend, ein Anachronismus
geworden, und fühlt sich nur, von ihren Erzeugnissen
umgeben, wohl. Den fünften haben die römischen
Cäsaren gefesselt — der sechste möchte in die merk-
würdigen nationalökonomischen Verhältnisse des Mittel-
alters Einblick gewinnen und dergleichen mehr. Es gibt
also unzählige Gründe, die zur Schaffung einer Münz-
sammlung führen können, und ebenso verschiedenartig
sind auch die Sammlungen, die sich daraus entwickeln.

Ja, es können zwei Menschen genau dasselbe Gebiet zu
ihrer Domäne erkoren haben und doch dabei ganz ver-
schiedene Zwecke verfolgen.
Gewöhnlich ich habe den Mut, das zu sagen —
wird aber der erste Grund einer Sammlung ein ganz
anderer sein. Er wird in einer gewissen ehrfürchtigen
Scheu und Neugierde in Verbindung mit unklaren
mystischen Vorstellungen liegen. So sahen also jene
Menschen aus, die die Geschicke der Völker lenkten,
die über Reiche geboten, in denen die Sonne nicht unter-
ging! Was vermochte wohl hinter den ruhigen Mienen
zu liegen? Und etwas von dem Glanze einer unerhörten
Macht scheint über den Metallstückchen zu schweben,
die heute trotz Scheck noch mit der Vorstellung von
Reichtum enge verknüpft sind.
Derlei Gedanken und Gefühle veranlassen den an-
gehenden Sammler, die ersten alten Münzen, die in
seinen Besitz gelangen, aufzuheben, und nach deren
mehr zu forschen. Bald erwacht an Stelle der Neugierde
— die Wißbegierde. Man ahnt zwar noch nichts von dem
Vergnügen, das die Sammlung später gewähren wird,
und trotzdem freut sie. Man vermehrt sie wahllos, bis
die Absicht auftaucht, eine »allgemeine Sammlung« an-
zulegen.
Glückliche Zeit der Jugend, in der man an eine der-
artige Sammlung denkt! Man setzt alle Verwandten und
Ereunde in Kontribution. Man legt vergnügt zu einem
Augustus ein Centstück der Vereinigten Staaten, zu
einem 6 Kreuzerstück einen Soldo, einen Piaster, eine
Kopeke, einen Engelkreuzer, einen Silberzwanziger;
man kauft Paras, Byzantiner, Pfennige, Batzen, Rübener
und hat seine Freude an dem Allerlei, an dem Wachsen
der Zahl. Stolz verkündet man seinen Kollegen, die bloß
Papierschnitzel, genannt Marken, sammeln, daß man
schon 1000, 1500, 2000 Münzen habe. Dann aber wird
man mit einem Male still. Man hat schon alles, was es an
leicht erreichbaren Centesimi, Centimes, Groschen und
dergleichen mehr gibt. Der Zuwachs ist spärlicher —
immer häufiger sind Stücke darunter, die kleine Rätsel
aufgeben. Man muß anfangen, sich um die münzberech-
tigten Herren, ihre Wappen zu kümmern. Viele verlieren
 
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