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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Jonas, J. E.: Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0204
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J. E. Jonas Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911

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Eine Frage, deren Beantwortung von großem
Interesse sein muß, ist die nach dem Alter der
Nekropole.

Zunächst haben wir festgestellt, daß die Grab-
anlage älter ist als die Burg an läge Barbarossas
und gewiß älter als eine solche vor jener Zeit. Die
Auffindung der Schläfenringe* 10) beweist weiter-
hin, daß wir ein vorwiegend slawisches Gräberfeld
vor uns haben, das wir nach dem Gutachten des
Herrn Regierungsrats Szombathy der frühslawi-
schen Epoche zuweisen müssen, welche die Zeit
von der Mitte des VI. bis gegen Ende des
X. Jhs. umfassen dürfte.

Ein weiteres Moment für die Altersbestimmung
liegt in der Entscheidung der Frage, ob wir eine
heidnische oder christliche Begräbnisstätte
vor uns haben.

Die Nekropole ist durch folgende Merkmale
gekennzeichnet:

1. Wir haben Skelettgräbet vor uns.

Bei den Heiden tritt sowohl das Verbrennen
wie das Begraben der Leichen auf. Einige germani-
sche Volksstämme, z. B. die Sachsen und Thüringer,
bevorzugen das Verbrennen, während andere, wie die
Franken, Bayern, Burgunder und Langobarden, die
Sitte des Begrabens pflegen11). Zuweilen finden sich
beide Bestattungsarten nebeneinander, so auch in
Böhmen12).

Nekropole ähnliche Eigenschaften auf, daß ich nicht umhin
kann, an dieser Stelle darauf zu verweisen. Auch in Ulm
lagen die Gräber unterhalb der jetzigen Bodenoberfläche,
und zwar zirka i—2 m tief. Der Boden ist ebenfalls lehmig,
und ist die Schicht, in welcher die Skelette ruhen, dunkler
gefärbt. Die Toten liegen ziemlich regelmäßig geordnet,
die Köpfe westlich, die Füße östlich, das Antlitz der auf-
gehenden Sonne entgegengewendet. Auf vielen der Skelette
ruhten, nach Aussage der Eisenbahnarbeiter, zentnerschwere
Steine aus Jura- oder Süßwasserkalk von zufälligen Formen.
Bei den Skeletten fand man vielfach unzweifelhafte Holz-
kohlestückchen. Vgl. A. D. Hassler: Das Alemannische
Totenfeld bei Ulm. Ulm 1860.

10) Solche Schläfenringe wurden übrigens auch in der
im Jahre 1881 entdeckten Grabstätte bei Oberlohma in
unmittelbarer Nähe von Eger gefunden. Josef Köht.er: Eine
Kunde des politischen und Schulbezirkes Eger. Eger 1905.

u) a) Waldemar Sonntag: Die Totenbestattung.
Halle 1878.

b) E. Rautenberg: Verbrennen und Begraben bei
unseren Vorfahren. Hamburg und Leipzig 1885.

12) a) Johann Erasmus Wocel: Die Bedeutung der

Stein- und Bronzealtertümer für die Urgeschichte

der Slawen. Prag 1869.

b) Heinrich Richly: Die Bronzezeit in Böhmen.

Wien 1894.

Mit der Einführung des Christentums weicht
allmählich die Leichenverbrennung der Erdbestattung.

Die Leichenverbrennung mag trotzdem noch
einige Zeit bei manchen Stämmen fortgedauert
haben, sonst hätte sich Karl der Große in einem im
Jahre 785 in Paderborn erlassenen Kapitulare im
Kap. 7 nicht zu folgender Verordnung gezwungen
gesehen: „Si quis corpus defuncti hominis secundum
ritum paganorum fiamma consumi fecerit et ossa
eius ad cinerem redegerit, capite punietur.“

Wir können demnach bei Brandgräbern eher
auf eine heidnische Herkunft schließen, das Skelett-
grab an sich aber läßt die Frage, ob heidnisch oder
christlich, zunächst ganz unentschieden.

2. Die Lage der Skelette auf der Burg ist
die gestreckte Rückenlage mit eng an den Körper
gepreßten Armen. Die Orientierung ist einheitlich
west-östlich, Kopf nach Westen, Füße nach Osten,
Antlitz nach Osten gewandt.

Diese Zukehrung des Antlitzes der Toten zur
aufgehenden Sonne wurde zu allen, auch heidnischen
Zeiten mit Vorliebe gewählt13).

3. Die Toten sind offenbar mit kleinen Kohle-
stückchen bestreut worden.

Es ist dies ein Brauch, der, dem Heidentum
entnommen, bis weit in das christliche Mittelalter
hinein beibehalten wurde14).

4. Die Gräber enthalten außer den Schläfen-
ringen keine Beigaben. Den Heiden pflegte man
solche reichlich beizugeben15), was jedoch in der
christlichen Zeit außer Brauch kommt. Es gibt aber
auch zwischen reich mit Beigaben versehenen Grä-
bern der Heidenzeit solche, welche gar keine ent-
halten, offenbar Gräber ärmerer Leute. Anderseits
kommen auch vereinzelt christliche Gräber mit Bei-
gaben vor16).

5. Auf einigen der Skelette ruhten ganz roh
bearbeitete, schwere Steinplatten. Das Bestre-
ben, über die Toten große Steinplatten zu legen, reicht
bis in die ältesten vorchristlichen Zeiten zurück.
Schon die Hünengräber wurden so errichtet. Grab-
steinplatten in der rohen Bearbeitung der Egerer
bilden gewissermaßen den Übergang zu den vom
frühen Mittelalter an üblichen Grabsteinplatten mit
wohlbearbeiteten, später reich ornamentierten Ober-
flächen.

13) Eduard Freiherr v. Sacken: Über die vorchrist-
lichen Kulturepochen Mitteleuropas. Wien 1862. Ferner
bei Sonntag, Rautenberg, Richly u. a. 1. c.

14) K. D. Hasst.er: 1. c.

15) Moriz Hoernes: Die Urgeschichte des Menschen.
Wien, Pest und Leipzig 1892. Und viele andere.

16) Z. B. bei Zelenkum in Böhmen.

3*
 
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