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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Editor]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Jonas, J. E.: Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0247
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J. E. Jonas Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911

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Säle. Es konnte also zu dieser Küche keine Treppe
hinabgeführt haben.

Carmine deutet dies als eine der häufigen Ab-
weichungen verschiedener Beobachter in der Schil-
derung desselben Vorganges. Es besteht aber meines
Erachtens noch eine andere Möglichkeit. Es kann
mit der Küche oder Speisekammer eine zweite, etwa
tiefer gelegene Gesindeküche gemeint gewesen
sein, zumal in dem Augenscheinsberichte von 1654 von
einer „großen Küchel“, in dem Berichte des Burg-
grafenamtsverwalters von 1727 von einer „Haupt-
kuchel“ die Rede ist, was eine zweite, kleinere Küche
voraussetzt. Diese mag im Untergeschosse des Palas
gelegen haben. Ich verweise auf die mir aufgefallene

gleichartige Bemerkung: „.and withall the ser-

uants were almost all carried downe towards the

Kitchin and set also to Supper;-- —“ in einem

Briefe aus Görlitz vom 24. Februar alten Stiles, der
die Schilderung eines Dieners des ermordeten Grafen
Kintzky, welcher Augenzeuge des Blutbades war,
wiedergibt (Anm. 64, l). Vielleicht lag diese Gesinde-
küche in einem vom untersten Palasgeschoß direkt
zugänglichen südlichen Anbau, wo wir, wie später-
hin gezeigt werden wird, auf zahlreiche Mauer- und
Gewölbereste gestoßen sind. In unmittelbarer Nach-
barschaft dieses Küchenraumes mag sich das „Ge-
fängnuss“ befunden haben, von welchem der Burg-
grafenamtsverwalter berichtet. Die Nähe der Küche
wird in diesem Gefängnisse reichlich Wärme erzeugt
haben, wovon sich die scherzhafte Bezeichnung dieses
Raumes als „feegfeuer“ herleiten dürfte. Gerade die
Gesindeküche suchte Neumann zu erreichen, um die
Diener zu Hilfe zu rufen. Denn in dem oben zitierten

Briefe heißt es an anderer Stelle: „.Colonell

Newman got out and ranne towards the Kitchin to
call their seruants, but he was followed and en-
countered and so stab’d through and slaine.“

Im Murr heißt es weiter:

„Die eingesperrten Bedienten hörten ihrer ster-
benden Herren Stimmen. Einige stiegen durch das
Fenster aus dem Vorsaale (S. ?)71) ihnen zu Hülfe;
aber auch diese wurden niedergesäbelt. Einer72 * * *)
hatte aber doch das Glück“, bei der Gelegenheit,
„als Lesley, Geraldin und Deveroux mit den dreyssig
vorher in die Cidadelle geschlichenen Dragonern das

71) Wohl in den Hof, von wo sie etwa durch die
Fenster des Bankettzimmers in dieses eindringen wollten.
Murr’s Schilderung ist hier unklar.

72) Gewiß derjenige, welcher der Gewährsmann des
Briefes aus Görlitz ist, in welchem es heißt: „A Seruant

of the late F.arle of Kintzky, who himselfe was at Egra,
and present when the Massacre was committed, is here

arriued, and he hath made relation . .

Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission 1912.

Schloss verliessen, und sich in die Stadt verfügten“,
zu entwischen „und meldete den Gräfinnen Tersika
und Kinsky ihrer Männer schreckliches Ende.“

„Dieser Mord geschah um 8 Uhr, in der
Nacht am 25. Februar, alten Stils 1634 am
Faschings Sonnabende.“

Schließlich fällt mir noch folgender Passus in
einem Berichte (Anm. 64, c) auf: „. . . . Des Herrn
Graff Kintzky Diener hat des andern Tages durch
ein Fenster ins Zimmer sehen können/ welcher
nicht gnugsam das Elend erzehlen kan / wie nemlich
sein Herr vnd die andern im Blut gelegen/ die Talfel
ist vmbgeworffen gewesen/ vnd das Confect im Blut
geschwemmet....“ Diese auf den ersten Blick belang-
lose Bemerkung spricht ebenfalls dafür, daß das
Bankett in dem Raume (A,) stattgefunden hat. Denn
der Saal (T) hatte, wie der Wiener Plan zeigt, in
der Südwand gar keine Fenster. Die einzigen süd-
lichen Palasfenster gehören zu dem Gange (S). Der
einzige bewohnbare Raum, in welchen man vom
Hofe aus durch Fenster hineinsehen honnte, ist, da
E als Hauptküche und B als Treppenhaus nicht ge-
meint sein können, der mit At bezeichnete.

Ins Gewicht fällt ferner, daß der Raum in At
wohl der einzige des Hauptgeschosses war, welcher
sich gut heizen ließ, da er, wie der Plan zeigt, mit
einem sehr großen Ofen versehen war. Gerade aber
in jener Mordnacht scheint eine scharfe Kälte ge-
herrscht zu haben, wie aus verschiedenen Bemer-
kungen hervorgeht.

Aus allen vorigen Relationen ergibt sich, daß
aller Wahrscheinlichkeit nach die von Carmine auf-
gestellte neue Auffassung betreffend den Schauplatz
des Blutbades auf der Burg richtig ist. Sollten noch
manche Unklarheiten herrschen, so sind diese gegen-
über der Menge überzeugender Momente jedenfalls
so geringfügig, daß zum mindesten die Carmine-
sche Ansicht so lange als richtig bezeichnet
werden muß, bis es etwa gelingt, unter Anfüh-
rung noch glaubwürdigerer Argumente einen
andern Raum nachzuweisen, in welchem sich die
Exekution abgespielt hat.

Wir wenden uns nun wieder der Beschreibung
der Ausgrabungsarbeiten zu.

In Hinsicht auf die Überecksstellung des
schwarzen Turmes suchte ich nach parallel zu
seiner Südwestseite verlaufenden Resten einer roma-
nischen Ringmauer. Diese konnte entweder an
der Angriffsseite vor dem Berchfrit errichtet sein
oder an denselben direkt anschließen. Im letzteren
Falle bestanden zwei Möglichkeiten: Sie verlief bün-
dig mit der Südwestseite des Turmes, oder sie stieß
senkrecht etwa gegen die Mitte seiner Nordwestseite,

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