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RtCHAR!) KuRT DoNiN Romanisclie Portale in Niederöstcrreicli

Die geschichtlichen Vorhedingungen der romanischen Kunst

in Niederösterreich

Die Denkmäler des romanischen Stiles in Niederösterreich sind die ältesten erhaltenen
christlichen Denkmäler des Kronlandes. Das Christentum hatte schon unter der Römer-
herrschaft in Noricum Eingang gefunden, teilte aber mit ihr den Untergang in den Stürmen
der Völkerwanderung und unter der darauffolgenden Avarenherrschaft. Auch der deutschen
IColonisation der Ostmark nach dem Vordringen Karls des Großen (79f) bereitete die
Ungarnherrschaft ein jähes Ende. Sie währte seit der Niederlage der Bayern im Jahre 907
durch fast ein haibes Jahrhundert und unterband vollständig das ganze reiche Leben der
KarolingerzeiO).

An ein Herauswachsen, ja, auch nur ein Anknüpfen der romanischen Kunst an eine
karolingische, wie man dies in anderen deutschen Gauen verfolgen kann, ist daher in
Niederösterreich nicht zu denken. Wenn heute auch als feststehend angenommen werden
muß, daß das Land von den früheren Besitzern nicht vollständig geräumt wurde^), so war
es doch nur ein mühseliges Festhalten einiger größerer Kolonisten an ihrem Grund und
Boden. Jede materielle Kuitur war in dem verwüsteten Lande nahezu ausgestorben. Wie
verödet das Land gewesen sein muß, beweist die nach Vertreibung der Magyaren (Lech-
feldschlacht 955) im großen Stil unter dem fränkischen Geschlechte der Babenberger (um
976) durchgeführte Neukolonisation des Landes mit fränkischen Siedlern. Nur im südlichen
Teiie von Niederösterreich kamen über die Wasserscheide des Semmerings und des Hart-
berges die Siedler der karantanischen Mark, die bayrischer Herkunft sind, herüber in das
Schwarza- und Pittental bis an den Südrand des Steinfeldes^). In diesem Gebiete herrscht
heute noch in den Bauernhäusern der bayrische, sogenannte dreiteilige Haustypus vor,
während sich im übrigen Niederösterreich, von vereinzeiten bayrischen Hofaniagen abge-
sehen, in den Dörfern der fränkische (zweiteilige) Haustypus erhaiten haU).

Es liegt die Vermutung nahe, daß bei dem neueinsetzenden kulturellen Aufschwunge
das aller künstlerischen Tradition bare Land seine neue Kunst im Donaugebiete von den
fränkischen Siediern bezog und im Süden von Bayern künstlerisch abhängig war. Das
wäre aber ein Fehlschluß. Die nationale Eigenart drückte lediglich dem von den Bewoh-
nern nach althergebrachter primitiver Art ausgeführten Hausbau ihren Stempel auf. Die
Adelsburgen und noch mehr die Kultbauten hingen aber naturgemäß mit jenen Zentren
eng zusammen, von welchen die geistig'e Kultur ins Land strömte. Das sind die kirchlichen
Bistümer, das Bistum Salzburg?), welchem der zur Mark Karantanien gehörige Süden des
Kronlandes, und das Bistum Passau, zu dessen Sprengel fast das ganze übrig'e Niederöster-
reich gehörte. Denn gleich nach der Wiederherstellung der Mark unter den Ottonen hatten
sich Salzburg und Passau, letzteres unter der gewaltigen Persönlichkeit Pilgrims von
Passau, beeilt, die Klöster und Pfarreien wieder unter ihre Botmäßigkeit zu bringerU).

Vgl. Max Vancsa, Geschic!ite Nieder- und Ober-
österreichs, Gotha. 1905, S. 182, und Dümmler, Ostfränki-
scües Rcich, Bd. III, S. 548 if.

Vancsa, a. a. O., S. 183 fF., und Hasenöhrl, Deutsch-
lands südöstl. Marken im X., XI. u. XII. Jh. (Arch. f. ö.
G. LXXXH 419 f.).

^) K.ail Giannoni, Das Aspangergebiet und seine hi-
storische Besonderheit, im Mon.-Bl. ü Landeskunde VII
(1908) 87.

6) A. Dachler, Das Bauernhaus in Niederösterreich
und sein Ursprung. Bl. f. Landeskunde XXXI (1897) 113.
(Auch als eigene Publikation erschienen.)

") Ludwig Schmued, Beziehungen des Erzstiftes Salz-
burg zu Niederösterreich, in Bl. f. Landeskunde, 1867, S. 102.

^) Vancsa, a. a. O., S. 191 u. 204; Sacken, Archäolog.
Wegweiser durch das Viertel o. d.W. W., in AI. A. XVII
73 (Berichte und Mitt. des Altertumsvereines). (Auch als
eigene Publikation erschienen.)
 
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