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Über eine Silberplaque

Die Vergleichung der Piaque^) (Taf. I) tnit dem
Stich-) (Fig. 22) zeigt auf den ersten Biick, daß
ietzterer dem Biidhauer als Vorlage diente. Nur in
einigen Punkten ist der Biidhauer abgewichen: das
Breitformat ist in ein Rund verändert und als Foige
die Komposition beschnitten, die Architektur gekürzt,
die Figuren im Raum verschoben. Die Änderungen
sind gering, doch sie bewirken wesentliche Unter-
schiede. Diesen soii nachgegangen werden.

DieUnterschiede lassen sich nach zweiGruppen
ordnen: die einen sind durch die Abänderung des
Formates, die anderen durch die Umsetzung in die
Skuiptur entstanden.

Das Breitformat des Stiches war für seine
Komposition bestimmend; die Geschichte wird aus-
führiich erzähit, scharf nach Haupt- und Neben-
handlung gesondert und klar über das Biidfeld ent-
wickeit. Für den Augeneindruck iäuft die Richtungs-
iinie in der VorderHäche von iinks oben nach rechts
unten; für sie ist die Figur des stehenden Königs
maßgebend und der fein abgestufte befehtende Gestus
seiner Hände. Über diese gieitet das Auge abwärts
tiber die beiden Diener des Königs, die den Gast,
der nicht im festtäglichen Gewand erschien, mit
Stricken binden; und noch weiter abwärts senkt sich

*) Das Stück — ein gegossenes und graviertes Siiber-
relief, im Durchmesser to'y — ist im Besitz der Baronin
Marie IVerner in Wien. Wir haben es im II. Bd. der
österreichischen Kunsttopographie S. 343 pubtiziert. Ks
stammt aus der Sammlung des Prinzen Bardi, Herzogs von
Bourbon.

^) Der Stich ist (mit dem Text) 26'q cw breit und
22*3 cw hoch. Er gehört mit zwei anderen zusammen zu
der Eegende der Hochzeit des Königssohnes. Der eine
dieser drei Stiche („Simile est regnum ceiorum etc.") ist
auf einem Stein mit den Initiaien J. H. W. bezeichnet; die
drei Stiche sind darum in der Kupferstichsammiung der
Hofbibiiothek ins Oeuvre des Stechers Johannes Hieronymus
Wierix eingereiht.

der Blick über die Stufen. Auch die drei Säuien: die
iinke ist in ihrem größeren Teil, die mittiere nur
mehr in ihrem unteren Drittei durch die Vorder-
grundshguren verdeckt, die rechte wächst ganz frei
auf — zu ihr wird der Biick wie zu einem Ziel
geführt.

In derVordergrundsgruppehaiten einander das
Streben nach iiiusionistischer Körperiichkeit und nach
Fiächenwirkung das Gieichgewicht. Denn wenn auch
die Stufen iinks bei der Tür, die Stufen rechts nach
abwärts, wenn auch die zurückiiegende ausgestreckte
Hand des Königs, die zurückliegenden Extremitäten
der Diener und des Gefesseiten in engeren Strich-
iagen dunkier gegeben sind — es kann doch die
dritte Dimension nicht durchschiagen: die Körper
sind zu nah aneinander geschiossen, ihre einzeinen
Bewegungen zu stark in die Ebene gedrückt, ge-
wissermaßen auseinandergeiegt, ailzu zwingend um-
fängt sie der lineare Kontur, der zur Biattebene
parallei iäuft.

Hier ist der erste Augeneindruck beschrieben;
die fortgesetzte Betrachtung des Stiches führt in
die Nebenhandiung, die den Raum hinter den
Säuien einnimmt. Dieser ist so gegeben, daß die ab-
schließende Rückwand paraiiel zur Biidebene steht;
doch sind die Raumhälften nicht symmetrisch ge-
biidet, der Augenpunkt ist seitlich verschoben, die
in die Tiefe gesteilten Wände sind verschieden ge-
staltet: die rechte breiter entwickeit, von Fenstern
durchbrochen, mit einem heilen Tuch behängt, die
iinke stark verkürzt und dunkel gehaiten. Und wie
verhäit es sich hier mit der erstrebten iilusionisti-
schen Tiefräumigkeit und der Fläche? Vor aliem ist
der kleinfigurige Hintergrund mit den von hinten
nach vorn nur wenig anwachsenden Proportionen
uns so stark abgerückt, daß wir nicht mehr den
intensiven Impuls empünden, seiner Tiefe nachzu-
spüren. Überdies ist auch hier den stärksten Tiefen-
iinien entgegengearbeitet: bei den Balken an der
 
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