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Eine neue Handschrift der Salzburger Bertoltgruppe

An die von Swarzenski zusammengestellte*) und
von P. BuberU) nach Saizburg lokaiisierte Hand-
schriftengruppe des Custos Bertoit schließt sich eine
von diesen Forschern unbeachtet gebiiebene iiiumi-
nierte Handschrift des Prager Piaristenkoitegiums
an, die in enger Beziehung zu dem äitesten Codex
der Gruppe, dem Münchener Perikopenbuch steht^).
Es ist ein Perikopenbuch, welches im Jahre 1891 in
der retrospektiven Kunstabteilung der Prager Jubi-
läumsaussteilung ais eine italienische Handschrift
des XII. Jhs. ausgestellt war und von A. Podlaha in
Pamätky*) publiziert und eingehend beschrieben
wurde. Podlaha, welcher die Frage der Lokalisation
dahingestellt läßt, setzte richtig die Handschrift aus
kunsthistorischen und paläographischen Gründen in
das XI. Jh.

Das Prager Perikopenbuch ist eine Pergament-
handschrift, die 168 Blätter zähit (26-5 X 20'5), einige
der letzten Blätter sind verloren gegangen; vorne
und rückwärts sind einige Papierblätter eingebunden
worden. Die Aufschriften der Perikopen sind minium-
rot in Majuskel und ihr Text in braunschwarzer Ma-
juskel des XI. Jhs. geschrieben. Die Anfangsbuch-
staben der einzelnen Perikopen in der ersten Hälfte
der Handschrift, öfter auch die ersten Worte der
Perikopen sind mit Gold geschrieben. Außerdem ent-
hält die Handschrift einige größere und reichere
Initialen: fol. 3a: Initiale C; fol. 8b: Initiale C; fol.
85 b: Initiale U; fol. 146b: Initiale F. Sämtliche Ini-
tialen sind mit Gold gemalt, mit Miniumkonturen

') G. Swarzenski, DieRegensburgerBuchmalerei (1901),
S. 135 u. ff., 156 u. if. Taf. XXII—XXXII.

2) P. Buberl, Über einige Werke der Salzburger Buch-
malerei, Jahrbuch der Z.-K. I (1907) S. 29 u. ff., G. Swar-
zenski, Die Salzburger Malerei (1912) II, S. 49 u. if.

3) G. Swarzenskia. a. O. S. 156 u. <f, Taf. XXVII—
XXXII.

') A. Podlaha, Romansky evangeliar kolleje piaristske
v Praze, Pamatky archael. a mistopisne (1907) Bd. XXII,
S. 402 u. ff.

nachgezogen, der Hintergrund biau und grün. Den
Text schmücken folgende ganzseitige Miniaturen;
fol. 1b: Übergabe der Schrift an den hl. Petrus
(Abb. 1). fol. 2a: Tempelgang Mariä (Abb. 2). foi. 2b:
Geburt Christi (Abb. 3). fol. 8a: Anbetung der
hl. drei Könige und die Verkündigung an die Hirten.
fol. 58b: Fahrt nach Jerusalem. fol. 80a: Abendmahl
(Abb. 4). fol. 86a: Frauen am Grabe (Abb. 5). fol. 100a:
Christi Himmelfahrt. fol. 103a: Herabkunft des hl.
Geistes (Abb. 6).

Die Handschrift ist in einem anspruchlosen, stark
abgegriifenen Ledereinband des XVI. Jhs., welcher
mit gepreßtem Renaissanceornament und mit Medail-
lons versehen ist, in denen sich unkenntliche Brust-
bilder befinden, gebunden. An der Innenseite des
Vorderdeckels ist ein Exlibris der mährischen Adels-
familie von Hüttendorf, ein Stich des XVII. Jhs., auf-
geklebt. Auf fol. 1 ßnden sich folgende Eintragungen:
Von einer Hand um 1600 „vm. 12 H. gol es verkauft
werden". Drei verschiedene Hände des XVII. Jhs.:
„Liber Evangeliorum antiquissimus": „Clericor. Re-
gularium Pauperum Matris Dei Scholarium Piarum",
„Domus Lipnicensis". Daraus ergibt sich, daß die
Handschrift im XVI. Jh. das Eigentum der Familie
von Hüttendorf war, von wo sie im XVII. Jh. in den
Besitz des PiaristenkoIIegiums in Leipnik in Mähren,
sodann in den Besitz desselben KoIIegiums in Prag
gelangt ist. Keine der Perikopen gibt irgend einen
Anhaltspunkt ftir die Lokalisierungsfrage^).

Ein Hüchtiger Blick über die Handschrift ergibt,
daß sie stilistisch der Salzburger Miniaturmalerei der
zweiten Hälfte des XI. Jhs. angehört und die ikono-
graphische Analyse vermag festzustellen, daß sie in
einer überaus engen Beziehung zu dem Münchener
Perikopenbuch steht. Vergleichen wir die Miniaturen
der Prager Handschrift mit denen des byzantinisieren-
den Meisters des Münchener Perikopenbuches, so sehen

3) A. Podlaha a. n. O. S. 428, Siebmacher, Miihr. Adel,
S- 5'. Taf. 37.
 
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